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Bad Herrenalb/Karlsruhe: Interreligiöser Dialog: Brauchen wir Reli-Unterricht für alle?

Bad Herrenalb/Karlsruhe

Interreligiöser Dialog: Brauchen wir Reli-Unterricht für alle?

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    Sollen Christen, Muslime, Juden, Hindus und Buddhisten gemeinsamen Religionsunterricht haben?
    Sollen Christen, Muslime, Juden, Hindus und Buddhisten gemeinsamen Religionsunterricht haben? Foto: (dpa)

    In Karlsruhe leben derzeit rund 95.000 Katholiken, 91.000 Protestanten, 12.000 Muslime und 1.000 Juden. Doch was wissen wir eigentlich über die anderen Religionen? Und welche Inhalte werden im Religionsunterricht vermittelt?

    Diese Fragen zum interreligiösen Dialog wurden unter anderem kürzlich bei einer zweitägigen Tagung mit dem Motto "Im Spiegel der anderen Religionen" in Bad Herrenalb von Religionslehrern, Theologen und Religionswissenschaftlern diskutiert. Veranstalter war die Evangelischen Akademie Baden in Kooperation mit dem Forum "Religion und Weltverantwortung".

    Islamunterricht als Modellprojekt

    In Baden-Württemberg wird an den Schulen aktuell hauptsächlich konfessioneller Religionsunterricht - vor allem evangelisch und katholisch - unterrichtet. Es gibt bereits erste Modellversuche mit Islamunterricht - auchin Karlsruhe bieten seit 2011 zwei Grundschulen islamischen Religionsunterricht im Rahmen eines Modellprojekts an. Die Pädagogische Hochschule Karlsruhe (PH) betreut das Projekt landesweit federführend.

    Imam Jörg Schröter, Dozent für islamische Religionspädagogik an der Karlsruher PH und selbst Lehrer für islamischen Religionsunterricht in Freiburg, setzt sich für einen "klar bekenntnisorientierten Islamunterricht von Muslimen für Muslime ein". Das sei wichtig für die selbstständige Glaubensfindung und eigene Identitätsbildung. Ohne diese sei ein interreligiöser Dialog gar nicht erst möglich. Denn das Wissen über die eigene Religion sei Basis für Diskussionen und Gespräche. Zusammengefasst: Erst über die eigene Religion etwas lernen, dann über die anderen.

    Die meisten der in Baden-Württemberg lebenden Muslime zählen sich zu der sunnitischen Glaubensrichtung, der Religionsunterricht ist dieser Richtung entsprechend ausgerichtet. Allerdings können auch Schiiten an den Stunden teilnehmen. Der Unterricht sei im Prinzip allgemeinislamisch konzipiert, so Schröter. Ob die Schüler am Unterricht teilnehmen, bestimmen die Eltern. Und diese seien sehr zufrieden, wie Schröter betont. In Karlsruhe gebe es viele "glückliche Rückmeldungen von Lehrern, Schulleitern, Eltern und Schülern".

    Nach Konfessionen getrennter Religionsunterricht - zementiert das Unterschiede?

    Rivka Hollaender kam 1977 aus Israel, studierte feministische Theologie bei der evangelischen Kirche und arbeitet als Hebräisch-Lehrerin. Sie selbst bezeichnet sich als "Frau jüdischen Glaubens". Hollaender plädiert für einen "interreligiösen Dialog ab dem Kindesalter". "Wir müssen miteinander sprechen, von Mensch zu Mensch, hier und jetzt", so ihr Appell.

    "Wenn wir das nicht tun, dann bleiben wir uns fremd und die Vorurteile und Missverständnisse gehen weiter", sagt sie. Dennoch findet auch sie wichtig, dass Kinder über ihre eigene Religion Bescheid wissen. Da viele von ihrer eigenen Religion keine Ahnung hätten, käme es zu Missverständnissen. "Viele Menschen lesen die Schriften nicht, kennen ihre Tradition nicht, daher fallen sie auf religiöse Fanatiker rein, die Falsches behaupten und die Schriften für ihre Zwecke instrumentalisieren." Daher sei wichtig, dass Kindern viel über ihre eigenen Tradition und Religion beigebracht werde.

    Doch zementiert ein nach Konfessionen getrennter Religionsunterricht nicht Unterschiede und schürt Vorbehalte? Und was, wenn alle über 120 anerkannten Religionsgemeinschaften in Deutschland auf ihr Recht (Grundgesetz Artikel 7) nach einem eigenen Religionsunterricht pochen würden? Dann wäre das wohl ziemlich problematisch - sowohl finanziell als organisatorisch.

    "Religionsunterricht für alle": Hamburg geht einen anderen Weg

    Einen ganz anderen Weg in dieser Frage hat daher Hamburg eingeschlagen. Hier gibt es weder katholischen, evangelischen oder islamischen Unterricht an den Schulen. Dort gibt es einen gemeinsamen "Religionsunterricht für alle" - bereits seit 1997.

    Andreas Gloy, 43 Jahre alt, unterrichtet als Lehrer am Gymnasium in Hamburg Kirchdorf/Wilhelmsburg den "Religionsunterricht für alle". In seinem Unterricht geht es manchmal ziemlich heiß her. Muslime, Hindus, Christen: Hier diskutieren teilweise bis zu 30 Schüler aus 20 unterschiedlichen Glaubensgemeinschaft miteinander. "Wir machen keine Religionskunde und drücken den Schülern keinen Glauben auf", so Gloy, selbst gläubiger Christ. "Wir müssen uns im Unterricht von unserer theologischen Position verabschieden", sagt er. In Hamburg unterrichte man Religionsunterricht ohne missionarischen Ansatz. "Wir fordern von unseren Schülern ein Bekenntnis, aber nicht das Bekenntnis."

    "Identitätsbildung entwickelt sich über den Dialog"

    Vielmehr gehe man in Hamburg von den Fragen der Schüler aus. "Religion ist ein Fach der offenen Fragen und nicht der fertigen Antworten. Dialog findet nicht zwischen den Religionen statt, sondern zwischen den Menschen", bemerkt er. "Identitätsbildung entwickelt sich über den Dialog." Durch Dialog lernen und Interesse wecken, so die Devise.

    "Komm ich in den Himmel, obwohl ich kein gläubiger Muslim bin?", Gloy provoziert auch und fordert seine Schüler heraus. "Dialog ist ein ganz schwieriger Prozess. Demokratie ist Überzeugungsarbeit", so der Pädagoge. Schüler sollten sich möglichst früh auch mit anderen Religionen auseinandersetzen, findet er. Denn später seien die Schüler womöglich nicht mehr bereit den eigenen Standpunkt zu überdenken.

    Ist das Hamburger Projekt ein Modell für die Zukunft?

    Der Unterrichtsinhalt wird von der evangelischen Kirche verantwortet. Lehrpläne und Unterrichtsmaterial werden vom Pädagogisch-Theologischen-Institut (PIT) erarbeitet - in enger Zusammenarbeit mit dem "Gesprächskreis interreligiöser Religionsunterricht" (GIR). Daran beteiligt sind unter anderem Imame, Rabbiner, buddhistische Mönche und Religionswissenschaftler.

    Ist das Hamburger Projekt ein Modell für die Zukunft? Eckhart Marggraf, Sprecher des Forums "Religionen und Weltverantwortung", findet: "Jedes Kind hat das Recht auf religiöse Bildung. Die Gesellschaft hat sich stark verändert, auch das Bildungswesen muss sich weiterentwickeln und auch der Religionsunterricht muss neu gedacht werden." Die Kirchen und die Politik müssten neue Ansätze wie beispielsweise den Hamburger Weg zur Kenntnis nehmen und könnten davon womöglich auch lernen.

    Wir wollen von unserer Lesern in der aktuellen ka-news-Umfrage wissen: "Religionsunterricht für alle" - auch ein Vorbild für Karlsruhe? Stimmen Sie ab!

    Weitere Infos zur Tagung unter www.ev-akademie-baden.de

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