Sechs Farben zeigt die populäre Pride-Flagge der LGBTQIA+-Community. Sechs Farben, die vor allem die Gemeinsamkeiten im weitverzweigten, heterogenen Kollektiv queerer Gruppierungen symbolisieren sollen.
"Wir möchten ein queeres Zentrum für Karlsruhe"
Jene Gemeinsamkeiten sind es auch, auf die sich der Karlsruher Verein "queerKAstle" bezieht. Seit Vereinsgründung am 22. Mai 2022 haben sich seine Mitglieder zum Ziel gesetzt, sämtlichen queeren Gruppierungen und allen queeren Menschen unabhängig von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität einen Treffpunkt anzubieten.

"Und zwar einen festen, physischen Treffpunkt: Eine eigene Immobilie als queeres Zentrum in Karlsruhe. Wir möchten dieses Zentrum verschiedensten queere Gruppen zur Verfügung stellen. Für Veranstaltungen, für regelmäßige Treffen und als Ort für Beratung oder Vernetzung in der queeren Community", sagt Michael Lauk, Gründungsmitglied und erster Vorsitzender von "queerKAstle".
"Die allermeisten queeren Gruppierungen in Karlsruhe wünschen sich schon seit langer Zeit eigene Räumlichkeiten. Auch weil es in anderen Städten wie Mannheim, Stuttgart oder Nancy bereits vergleichbare Einrichtungen gibt. Aber hier konnten sie sie bisher nicht alleine finanzieren", sagt Anica Abd-el-Ghani, zweite Vorsitzende des Vereins.
"Wir repräsentieren den größten Teil der queeren Community"
Das sei einer der wichtigsten Beweggründe für die Zusammenfindung von "queerKAstle": Eine gemeinsame Stimme für queere Vereine. "Aktuell setzt sich der Verein aus über 110 Mitgliedern zusammen, von denen viele auch in anderen queeren Gruppen aktiv sind. Auch queere Vereine können Mitglied bei uns werden", wie Abd-el-Ghani weiter erklärt.

Man dürfe das "queerKAstle" aber keineswegs als Dachverband oder übergeordnete Instanz verstehen. "Die einzelnen Vereine bleiben unabhängig. Sie können aber Mitglied im Vereinsbeirates werden und ihre Bedarfe dort mit in den Verein geben. Dank des regen Zulaufs ist es uns möglich, die größte Mehrheit der Karlsruher LGBTQIA+-Community zu repräsentieren", ergänzt Lauk.
"Wir benötigen etwas Größeres"
Wenn aber so viele Gruppierungen Teil des "queerKAstle" sind, wäre es nicht möglich, ein queeres Zentrum in den bestehenden Räumen eines vorhandenen Vereins einzurichten? "Unglücklicherweise eher nicht", sagt Abd-el-Ghani dazu. "Wenn ein queerer Verein in Karlsruhe überhaupt einen eigenen Sitz hat, ist der zu klein für das, was wir uns unter einem queeren Zentrum vorstellen. "

Um die gesamte queere Community Karlsruhes zu repräsentieren und ihr Raum zu bieten, werden bestehende Vereinssitze wohl kaum ausreichen.
"Wir benötigen etwas Größeres. Etwas das im Zweifelsfall auch von mehreren Vereinen gleichzeitig genutzt werden kann, etwas mit guter Verbindung zum öffentlichen Verkehr und etwas, in das sich manche queeren Menschen auch einfach zurückziehen können, um dem Druck der Öffentlichkeit zu entgehen - Safe Space nennt sich dieses Konzept", sagt Lauk.
Wie finanziert sich das "queerKAstle"?
Für einen Safe Space wären auch Barrierefreiheit, Sichtschutz durch Vorhänge sowie ein Nebeneingang notwendig. "Manche queeren Menschen fühlen sich immer noch unwohl, so eine Einrichtung durch den Haupteingang zu betreten, weshalb wir auch gerne eine Tür hätten, die vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt ist", so Lauk. Dabei sei dem Verein klar: Das alles kostet Geld.

"Durch die Mitgliedsbeiträge des 'queerKAstle' oder auch den finanziellen Rückhalt der anderen Vereine werden wir eine Immobilie, wie sie uns vorschwebt nicht bezahlen können. Wir benötigen die Unterstützung der Stadt. Auch deshalb repräsentiert 'queerKAstle' fast die gesamte Karlsruher LGBTQIA+-Community: Dieser Schulterschluss verleiht unserer Bitte mehr Nachdruck."
Was wird das queere Zentrum kosten?
Welche Summe steht also aus, um Karlsruhe um ein queeres Zentrum zu erweitern? "Das können wir derzeit noch nicht genau beziffern", sagt Lauk. "Allerdings arbeiten wir momentan daran - auch mithilfe von fachlicher Finanzberatung - einen realistischen Antrag auf Fördergeld auszuarbeiten. Bis zu den Sommerferien in Baden-Württemberg dürften wir das bewältigt haben."

Dann solle die bloße Bitte um Förderung sich schnellstmöglich in einen konkreten Gemeinderatsantrag transformieren. "Wir halten guten Kontakt zu allen - wie wir es wahrnehmen - demokratischen Fraktionen des Gemeinderats. Wir hoffen also, dass wir bis September einen fertigen Antrag einreichen können. Bestenfalls einen Antrag mehrerer Fraktionen", so Lauk.
"Ein queeres Zentrum steigert die Attraktivität der Stadt"
Wann Karlsruhe dann tatsächlich ein queeres Zentrum sein Eigen nennen kann, hinge letztlich von der Entscheidung des Gemeinderats ab und sei noch nicht abzusehen. "Wir wissen, dass das nicht von jetzt auf gleich geht. Und wir wissen, dass wir Kompromisse eingehen müssen werden und dass wir überhaupt erst dann ein Gebäude in Betracht ziehen können, wenn die Förderung durch ist", sagt Lauk.

"Wir sind aber guter Dinge, dass die Stadt kooperativ sein wird. Denn ein queeres Zentrum steigert die Attraktivität Karlsruhes", sagt Lauk. "Schon deshalb, weil die Fächerstadt regelmäßig viele neue Einwohner anzieht, viele davon queer, die damit eine Anlaufstelle hätten. Außerdem könnte man so die Progressivität Karlsruhes erhöhen und zu einer bunten Willkommenskultur beitragen."
Nicht zuletzt, so sagt Abd-el-Ghani, "können wir die Arbeit, die der Verein 'queerKAstle' jetzt schon leistet mit eigenen Räumen noch besser organisieren."
Aufklären, bilden, Kontakte knüpfen
Seine Mission, Aufklärung, Bildung und Kontaktvermittlung zu betreiben, verfolge der Verein nämlich schon heute.
"Wir haben eine Social Media Arbeitsgruppe, die beispielsweise die Bedeutung queerer Flaggen erklärt. Wir veranstalten einen trans*treff, bei dem trans* Personen sich austauschen können. In diesem Jahr veranstalten wir auch Podiumsdiskussionen oder bieten in Kooperation mit der queeren Bewegung für Karlsruhe und Umgebung einen Selbstverteidigungskurs an", so Abd-el-Ghadi
Ein queeres Zentrum hilft bei der Aufklärung
Vor allem aber der Bildungssektor, sei den Vorsitzenden des "queerKAstle" ein Anliegen. "Deshalb werden wir ab nächstem Jahr weiterführende Schulen besuchen und für Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse Workshops leiten, um Aufklärungsarbeit zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt zu leisten, aber auch um Diskriminierung abzubauen", sagt Abd-el-Ghadi.

Sollte in den kommenden Jahren ein queeres Zentrum bewilligt werden, so sei es möglich diesen Aufgaben noch besser nachzukommen und so für einen offeneren und aufgeklärteren Umgang mit der queeren Community in Karlsruhe zu sorgen.