Dass der Fachkräftemangel nun auch in Karlsruhe angekommen ist, dürfte mittlerweile kein Geheimnis mehr sein. So erklärt die Stadtverwaltung Karlsruhe in ihrer Stellungnahme zu einem Gemeinderatsantrag der Grünen: "Vom Fachkraftmangel sind alle Berufe betroffen, die in Kinderbetreuungseinrichtungen als Fachkräfte gelten."

"Königsweg: Ausbildung"

Um Abhilfe zu schaffen, setzt die Stadt Karlsruhe derzeit darauf, sowohl das Berufsbild "Erzieher" als auch die Ausbildung nachhaltig zu fördern: "Die Stadt bietet ein ausgeprägtes Stützsystem aus Kita-Fachberatungen, einem umfangreichen Fort- und Weiterbildungsangebot, Springerkräften und dem Einsatz von PIA – Auszubildenden, ohne diese auf den regulären Mindestpersonalschlüssel anzurechnen", wie in der Stellungnahme erläutert wird. 

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Auch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg sieht als vielversprechendsten Ausweg aus dem Fachkräftemangel weiter die unterschiedlichen Ausbildungsmodelle: "Die Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher bzw. das Studium zur Kindheitspädagogin bzw. Kindheitspädagogen sollte weiterhin der Königsweg in den Erzieherinnenberuf sein", erklärt das Ministerium auf Anfrage.

Förderung funktioniert, aber ...

Diesen Weg beschreitet das Land bereits seit geraumer Zeit. Bereits seit dem Jahr 2007/2008 werde vermehrt der Ausbau von Erzieherausbildungsstellen in Angriff genommen, so das Kultusministerium Baden-Württemberg. "Im Schuljahr 2007/2008 wurden 2.929 Schülerinnen und Schüler im ersten Jahr der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung gezählt, im Schuljahr 2020/2021 waren es 5.547 Schülerinnen und Schüler. Damit wurde die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher in Ausbildung in den vergangenen Jahren bereits nahezu verdoppelt", heißt es.

Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) spricht bei einer Pressekonferenz.
Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) spricht bei einer Pressekonferenz. Die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher in Ausbildung wurde in den vergangenen Jahren bereits nahezu verdoppelt, erklärt das Kultusministerium. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Diese Maßnahme habe sich nach Ansichten des Ministeriums bewährt, werde unter den derzeitigen Umständen allerdings zunehmend herausgefordert: "Der aktuelle Personalengpass wird durch die Zunahme der zu betreuenden Kinder (auch aus der Ukraine) noch einmal verschärft. Der Fachkräftemangel trifft viele Branchen und Berufe und ist auch auf eine schwierige demografische Entwicklung zurückzuführen", so das Land.

Damit Erzieher im Beruf bleiben

Deshalb sei weiter die Strategie, zusätzliche Personen für die Arbeit in Kitas zugewinnen und diese durch attraktive Angebote auch in ihrem Beruf zu halten, erklärt das Kultusministerium BW. "Dafür hat das Land Baden-Württemberg eine gemeinsame Initiative mit den Partnern gestartet, die an der frühkindlichen Bildung beteiligt sind. Dazu gehören beispielsweise die Träger der Kindertageseinrichtungen, der Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS), Gewerkschaften und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit."

Auf dem Stephanplatz demonstrieren ver.di und das Frauenbündnis 8. März Karlsruhe gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen.
8. März: Zu einem attraktiven Beruf gehöre auch entsprechende Arbeitsbedingungen. Deshalb demonstrieren ver.di und das Frauenbündnis Karlsruhe auf dem Stephanplatz gemeinsam für Besserungen im Erzieherbereich. | Bild: Thomas Riedel

So viel zur längerfristigen Perspektive in der Personal-Krise der Kindertagesstätten. Um kurz- bis mittelfristig auf Personalengpässe zu reagieren, werde in Kitas auf verschiedene weitere Möglichkeiten zurückgegriffen - unter anderem auf die Beschäftigung von Zusatzkräften, meint das Ministerium.

Zusatzkräfte als Lückenfüller

"Zusatzkräfte im Sinne des KiTaG sind Personen, die aufgrund ihrer Qualifikation in anderen Feldern die pädagogische Arbeit in einer Einrichtung bereichern", erklärt das Kultusministerium. Ob und inwiefern sich ein potenzieller Kandidat oder Kandidatin als Zusatzkraft eigne, darüber entscheide der jeweilige Träger der Einrichtung. "Eine Anrechnung von Zusatzkräften auf den Mindestpersonalschlüssel ist nicht möglich", so das Kultusministerium.

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Um akut auf die Personalkrise in den Kitas zu reagieren, hat das Land für das Kindergartenjahr 2022/2023 sogenannte Übergangsregelungen erlassen, die seit dem 1. September in Kraft getreten sind. In diesen ist festgehalten, dass der Mindestpersonalschlüssel um bis zu 20 Prozent unterschritten werden kann, allerdings muss dabei eine Fachkraft durch zwei Zusatzkräfte ersetzt werden.

Städtische Kitas bekommen nun Luftfilter in Schlafräumen. Ein ka-Reporter fragt sich: Warum erst jetzt?
Zusatzkräfte sollen für Entlastung im Kita-Alltag sorgen. Dafür benötigen sie keineswegs eine pädagogische Ausbildung! (Mindestpersonalschlüssel= Anzahl Erzieher pro Kinder) | Bild: Monika Skolimowska/dpa

"Außerdem besteht die Möglichkeit, für einen Zeitraum von acht Wochen eine Fachkraft durch eine Zusatzkraft zu ersetzen", so das Land Baden-Württemberg. Damit die erhoffte Entlastung möglichst breit zur Verfügung gestellt werden kann, müsse eine Zusatzkraft nicht über eine pädagogische Ausbildung verfügen. Ein polizeiliches Führungszeugnis und ausreichende Deutschkenntnisse seien ausreichen, erklärt das zuständige Ministerium.

Grenzübergreifende Lösung?

Doch nicht nur branchenübergreifend wird der Weg für notwendige Hilfe in den Kitas geebnet, sondern auch grenzübergreifend. Auf Anfrage einiger Leser kontaktiert ka-news.de das zuständige Ministerium des Landes Baden-Württemberg, um mehr über etwaige Erzieher aus dem nahen Frankreich in Erfahrung zu bringen - mit folgenden Erkenntnissen.

Die Flaggen der Mitgliedsländer der Europäischen Union vor dem Europa-Parlament in Straßburg.
Nicht nur das Europa-Parlament sitzt in Straßburg, sondern auch pädagogische Hilfe für Kitas in Baden-Württemberg. | Bild: Rolf Haid/dpa

So setzt das Land zumindest teilweise auf Unterstützung aus Frankreich: "Im Vergleich zu anderen Ländersystemen können für die Erzieherinnen und Erzieher aus Frankreich in vielen Fällen vorhandene praktische Erfahrungen auch in deutschen Kindertageseinrichtungen bereits auf die Dauer einer Nachqualifizierung angerechnet werden. Dadurch verkürzen sich die Verfahren und die antragstellenden Personen können zeitnah als Fachkraft beschäftigt werden."

Vom Lehrer zum Erzieher

Weiter bestehe die Möglichkeit, über die Anerkennung beim Regierungspräsidium Tübingen als Grundschullehrer auch als Fachkraft in Kindertageseinrichtungen tätig zu werden, wie das Ministerium erklärt. "Entsprechend dem Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Stuttgart kann auch ein Anerkennungsverfahren zur Erzieherin/zum Erzieher mit Nachqualifizierung durchgeführt werden."

Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 800.000 Lehrkräfte.
Über die Anerkennung beim Regierungspräsidium Tübingen als Grundschullehrer kann entsprechendes Personal auch als Fachkraft in Kindertageseinrichtungen tätig werden. | Bild: Julian Stratenschulte/dpa

Nach Angaben des zuständigen Ministeriums in Baden-Württemberg erhielten 13 Personen im Jahr 2022 eine Bescheinigung als staatlich anerkannte Erzieherin oder Kinderpflegerin. "Damit lag die Anerkennungsquote bei französischen Abschlüssen 2022 bei rund 90 Prozent", erklärt das Land.

Problemlose Anerkennung

Die Anerkennung sei auch deshalb so problemlos erfolgt, weil sich Hochschulabschlüsse aus Frankreich in der Regel auf den Bereich Vor-und Grundschulpädagogik oder Erziehungswissenschaften beziehten, meint das Kultusministerium. "In der Regel wird in Frankreich für die Tätigkeit als Erzieherin oder Erzieher in Vorschulen eine 3-jährige postsekundäre Ausbildung absolviert, die in Baden-Württemberg mit einer Nachqualifizierung als gleichwertig anerkannt wird.

Wie neutral können Bewertungen im Arbeitszeugnis sein? Für manche gelten die Referenzen im Bewerbungsprozess als längst überholt.
Anerkennung in Deutschland beschleunigt: Einschlägige Berufserfahrungen führen zu Verkürzungen in der Nachqualifizierungsmaßnahme! | Bild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-tmn

Auch hier führe bei Antragstellung zum staatlich anerkannten Erzieher mit dieser Qualifikation bereits häufig vorliegende einschlägige Berufserfahrungen zu Verkürzungen in der Nachqualifizierungsmaßnahme, so das Land Baden-Württemberg. "Dies gilt vor allem für Personen, die im grenznahen Bereich Deutschland/Frankreich tätig sind."

Anerkennungsverfahren zu umständlich?

Dass die Abschlüsse nicht unmittelbar, sondern erst über ein Anerkennungsverfahren anerkannt werden müssen, hemmt allerdings das Interesse der Stadt Karlsruhe an auswärtiger Unterstützung: "Rekrutierungsversuche im Ausland haben deshalb bisher nicht stattgefunden", heißt es in der Stellungnahme der Stadt zum Gemeinderatsantrag der Grünen.

Bürokratie in kleinen und mittleren Unternehmen kann oft ein Nachteil in der Wettbewerbsfähigkeit sein.
Nachqualifizierungsmaßnahme: Nicht nur das Wort ist kompliziert, sondern auch das Prozedere dahinter. Die Stadt Karlsruhe verzichtet daher auf Rekrutierungsversuche aus dem Ausland. | Bild: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Der bürokratische Aufwand scheint der Maßnahme also Steine in den Weg zu legen, denn: "Die Erzieherausbildung muss im Zuge der Nachqualifizierung zunächst im Bezug auf den hiesigen Bildungs- und Orientierungsplan sowie spezifische rechtliche Grundlagen als gleichwertig anerkannt werden", wie das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg erklärt.

Bürokratie entwickelt sich

Der letzte große Schritt in Richtung verwaltungstechnischer Vereinfachung wurde 2012 gegangen: "Mit dem in Kraft getretenen Anerkennungsgesetz des Bundes und dem Landesanerkennungsgesetz Baden-Württemberg wurde ein Rechtsanspruch auf Überprüfung ausländischer Berufsqualifikationen auf Gleichwertigkeit geschaffen", so die Stadtverwaltung Karlsruhe. 

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Das einzelfallbezogene Anerkennungsverfahren liegt derweil gänzlich in der Zuständigkeit der Landesverwaltung. "Daher stehe die Sozial- und Jugendbehörde Karlsruhe derzeit mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport zum Thema Fachkräftesicherung in der Kindertagesbetreuung in Kontakt", wie die Stadt Karlsruhe in einer Stellungnahme erklärt.