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Karlsruhe: Gerichtsbilanz: Bordelle, Kombilösung und Gewalttäter im Sport

Karlsruhe

Gerichtsbilanz: Bordelle, Kombilösung und Gewalttäter im Sport

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    Verwaltungsgericht Karlsruhe
    Verwaltungsgericht Karlsruhe Foto: ka-news

    Der Präsident des Verwaltungsgerichts Hans Strauß leitete die Vorstellung des Berichts über das abgelaufene Geschäftsjahr 2009 mit der Präsentation der statischen Zahlen über Verfahrenseingänge ein.

    So gingen im Jahr 2009 insgesamt 3.796 Verfahren ein, 158 weniger als noch 2008. Das liege vor allem an dem erneuten Rückgang der Asylverfahren. Bei den allgemeinen Verwaltungsrechtsstreitsachen (VRS), wie Prozesse wegen Baurecht oder Studiengebühren, gab es nur einen geringfügigen Rückgang zu vermelden. 

    Die 14 Kammern des Verwaltungsgerichts haben im vergangenen Jahr insgesamt 3.619 Verfahren zum Abschluss gebracht, davon 2.933 allgemeine VRS und 686 Asylverfahren. Damit blieb die Richterschaft deutlich hinter den 4.772 Verfahren, die noch im Jahr 2008 zum Abschluss gebracht wurden. Das Defizit von 1.153 Fällen wurde von Seiten des Verwaltungsgerichts mit dem geringeren Personalbestand und erhöhten Krankenzeiten erklärt. Außerdem sei 2009 verstärkt das Augenmerk darauf gelegt worden, "den Bestand an älteren Verfahren zu verringern". Diese würden in der Regel auch eine zeitaufwändigere Bearbeitung benötigen.

    Verfahrensdauer verkürzt, doppelt soviel Asylurteile stattgegeben

    Erfreuliches gibt es aus dem Gebiet der Verfahrensdauer zu berichten.  Zwar verschlechterte sich die durchschnittliche Dauer von allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten aus den oben genannten Gründen, von 9,6 Monaten auf 9,7 Monaten geringfügig, dafür konnte die Verfahrensdauer der Asylklagen von 13,4 Monaten auf 10,6 Monaten erheblich reduziert werden. Gründe sind die rückläufigen Klagen und der Abbau des Verfahrenbestandes.

    Auch bei den verwaltungsgerichtlichen und asylgerichtlichen Eilverfahren konnte die durchschnittliche Dauer im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Monaten auf 2,6 beziehungsweise 1,6 Monaten verkürzt werden.

    Die Quote der stattgegebenen Verfahren ist bei den Klageverfahren von allgemeinen Verwaltungsrechtsstreitigkeiten im Jahr 2009 auf 6,2 Prozent gesunken (2008: 7,9 Prozent). Die "Erfolgsquote" der asylgerichtlichen Verfahren hat sich aber 2009 mit 25,5 Prozent nahezu verdoppelt.

    Die Ursache dafür sei der verstärkte Schutz von Flüchtlingen und Asylsuchenden, beeinflusst durch europarechtliche Regelungen. Außerdem werden viele Rechtsstreitigkeiten auch außergerichtlich (16,9 Prozent) oder durch einen Vergleich (5,4 Prozent) gelöst, was die geringen Prozentzahl der erfolgreichen Klagen erklärt.

    Klagegrund Nummer Eins bleiben die Studienplätze

    Die Rangliste ist gegenüber dem Vorjahr weitestgehend gleich geblieben. So bilden die erstes drei Plätze Klagen um die Vergabe von Studienplätzen (915 Verfahren), Streit um Ausländerrecht (339 Verfahren) und Baurechtliche Streitigkeiten (210 Verfahren). An vierter Stelle rangieren die 192 Verfahren wegen Sportwetten. Die Verfahren wegen Studiengebühren haben sich auf 31 reduziert, da die Rechtslage aufgrund zahlreicher schon gesprochener Urteile relativ geklärt ist. Bei den Asylverfahren bilden, ebenfalls wie im Vorjahr, die Türkei und der Irak die Spitze. Aus dem Kosovo kommen nun die drittmeisten Asylklagen.

    Interessante Fälle 2009: EDEKA-Fleischwerk, Bordellbau und Kombilösung

    Auch einige kuriose Fälle hatten das Verwaltungsgericht Karlsruhe im vergangenen Jahr beschäftigt. So hatte es Ende letzten Jahres mehrere Klagen gegen denBau des Fleischwerks in Rheinstetten gegeben. Ein Bürger sowie die Freien Wähler beantragten, den Bebauungsplan zu schließen. Schließlich wandte sich der BUND mit einem Eilverfahren gegen den Baubeginn. Alle Klagen waren erfolglos, das Fleischwerk nimmt inzwischen schon Gestalt an.

    Zahlreiche Klagen gab es im Land wegen Bauanträgen für Bordelle in Gewerbegebieten. In Pforzheim waren drei Klagen von Nachbarn erfolglos, die gegen den Bau eines Eros-Center geklagt hatten. Ein Nachbar hat Berufung eingelegt.
    In Heidelberg-Rohrbach klagte eine Betreiberin eines Bordells gegen eine baurechtliche Nutzungsuntersagung für ihre Vergnügungsstätte. Ihre Klage war erfolglos, sie darf in ihrem Bordell kein Kleinkino betreiben, da das baurechtlich in eine andere Kategorie fallen würde.
    Ebenfalls in Heidelberg-Rohrbach klagten zwei Bordellbetreiber, die ihre Bordelle erweitern wollten. Die Stadt Heidelberg sah das Gewerbegebiet aber vor der Gefahr, ein Rotlichtviertel zu werden. Der Ausbau wurde gerichtlich untersagt, ein Betreiber ist in Berufung gegangen.

    Das Thema Kombilösung beschäftigte auch das Karlsruher Verwaltungsgericht. Im Dezember hatte ein Bürger einen Eilantrag auf Durchführung eines Bürgerentscheides gestellt, der aber abgelehnt wurde. Grund war die abgelaufene Frist und prozessrechtliche Probleme. So könne man einen Bürgerentscheid nicht per Eilverfahren herbeiführen, so Strauß.

    Weitere interessante Fälle betrafen Zuschüsse für die Karlsruher Scool-Card, die auch für auswärtig wohnhafte Schüler gelten und den NATO-Gipfel in Baden-Baden, wo Gegner gegen Meldeauflagen und die Änderung ihrer Demonstrations-Route geklagt hatten. Beide Prozesse waren erfolglos.

    Ausblick 2010: Heidelberg gegen weitere Gaststätten, Polizei gegen gewalttätige Fußballfans

    Im noch jungen Jahr erwartet das Verwaltungsgericht schon eine Menge Arbeit. Die Stadt Heidelberg lehnte die Klagen zweier Hausbesitzer ab, die ihre Wohnhäuser in Kneipen verwandeln wollen. Die Stadt sieht hier ihre Altstadt in Gefahr, da es sich hier um ein "faktisches Mischgebiet" von Kneipen und Wohnhäusern handelt.

    Ein ehemals türkischer Staatsangehöriger, der nun seit 34 Jahren im Bundesgebiet lebt, beschäftigt ebenfalls die Richter. Er möchte aus beruflichen und rechtlichen Gründen seine türkische Staatsangehörigkeit wieder annehmen, die deutsche aber ebenfalls behalten. Ohne die doppelte Staatsangehörigkeit würde er seinen Beruf als Architekt in der Türkei verlieren.

    Sehr umstritten ist die sogenannte Datei "Gewalttäter Sport", in der mehrere tausend Bürger registriert sind. Es ist unklar, ob es für das Führen dieser Datei überhaupt eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht spricht sich gegen die Datei aus, ähnliche Verfahren laufen auch bei anderen Kammern. Eine mündliche Verhandlung ist auf den 14. April 2010 terminiert.

    Ein sehr kurioser Fall wird am 28. April 2010 verhandelt: Ein Hamburger hatte bei einem Internet-Auktionshaus eine Spielkonsole als "neu" gekauft, später stellte er fest, dass sie gebraucht war. Als Rache schickte er dem Verkäufer ein Päckchen mit gebrauchtem Katzenstreu. Der witterte beim Öffnen ein ätzend riechendes Pulver und schlug Alarm. Den Feuerwehreinsatz mit zehn Mann, inklusive Kommandowagen, Gerätewagen und Hilfeleistungslöschfahrzeug soll der Hamburger nun bezahlen und klagt dagegen.

    "Das Volle Leben"

    Der Präsident des Verwaltungsgerichts Strauß würdigte am Schluss seinen Job als "vielfältige und interessante Tätigkeit". Er müsse sich zwar immer wieder in Lebensreiche einarbeiten, die ihm nicht bekannt seien, doch das mache es auch so abwechslungsreich.

    Außerdem betonte er die Verantwortung, die das Verwaltungsgericht habe, da die Urteile oft als Musterfälle für die Verwaltungen dienten - weswegen die Verfahren auch immer etwas länger dauern würden.

    Veranstaltungshinweis:  7. Woche der Justiz in Karlsruhe

    Vom 12. bis 17. Juli 2010 findet im Karlsruher Verwaltungsgericht die 7. Woche der Justiz statt. Besucher erwarten umfassende Einblicke in die Welt des Rechts, unter anderem mit einem Rollenspiel des Lessinggymnasiums.

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