Die Zukunft der Europahalle an der Günther-Klotz-Anlage ist eng mit der Frage verknüpft, wie die Stadt Karlsruhe sich künftig in Bezug auf Großveranstaltungen positionieren will. Inzwischen liegen verschiedene Optionen für die Modernisierung der Europahalle vor - sie reichen von neun bis 80 Millionen Euro. Mit eingerechnet in alle Varianten sind Modernisierungsmaßnahmen von rund 5 Millionen Euro.
Fluchtwege und Entlüftung veraltet
9,1 Millionen Euro müssen mindestens investiert werden, um das Brandschutzkonzept wieder auf Vordermann zu bringen und die Halle aktuellen Veranstaltungsstätten-Richtlinien anzupassen. Mängel existieren insbesondere in den Bereichen Entrauchung, Entfluchtung sowie im Cateringbereich. Bei Brandschutz ist eine Eigenschaft der Halle von großem Nachteil: Sie ist in den Boden eingelassen - für die Fluchtwege vom Spielfeld und den Katakomben müssten beispielsweise Fluchttunnel angelegt werden. Im Bereich Entrauchung müssen vor allem die Dachöffnungen überarbeitet werden.
"So würde man heutzutage aus brandschutzrechtlicher Sicht auch nicht mehr bauen", so Anne Sick, Leitern des Amts für Hochbau und Gebäudewirtschaft in Karlsruhe. Aktuell sind die Mängel nicht so gravierend, dass eine komplette Schließung der Halle erforderlich ist. Diese soll jedoch nach Festlegung des Maßnahmenpakets erfolgen, über dessen Umfang der Gemeinderat voraussichtlich gegen Ende 2015 entscheiden wird. Die Schließzeit ist dabei genauso variabel wie der Kostenrahmen: Je nach Szenario beläuft sich die Komplettschließung der Halle auf 12 bis 20 Monaten.
Das sind die Szenarien:
1. 27 Millionen für Großsporthalle (Veranstaltungen)
Umsetzung Brandschutzkonzept (18 Millionen Euro), Cateringflächen (1,9 Millionen), Maßnahmen am Hallendach wie Beleuchtung (1,9 Millionen), Modernisierung (5,2 Millionen)
2. 9,1 Millionen für Schul- und Vereinsport (auch Leichtathletikveranstaltungen)
Umsetzung Brandschutzkonzept (3,4 Millionen), Cateringflächen (0 Millionen), Maßnahmen am Hallendach wie Beleuchtung (0,9 Millionen), Modernisierung (4,9 Millionen)
3. Neubau Großsporthalle in gleicher Grundfläche (ohne Grundstück und Erschließungskosten): 75 bis 80 Millionen Euro plus Abbruchkosten Europahalle (3 Millionen)
4. Neubau Dreifeldsporthalle ohne Grundstück und Erschließungskosten (8-9 Millionen Euro) plus Abbruchkosten Europahalle (3 Millionen) - auch in Hinblick auf Ausweichhalle während Schließzeit.
Vorstellbar sind alle Szenarien, das wird im Pressegespräch am Freitag im Rathaus deutlich. Es gilt insgesamt einen Umgang mit Großveranstaltungen in Karlsruhe zu finden, so Wirtschafstbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz. Auch ein Neubau von 80 Millionen Euro sei prinzipiell finanziell stemmbar - die Frage sei nur wann und zu Lasten welcher Projekte. "Die Finanzkraft ist endlich", so Luczak-Schwarz. Die Stadt beziehungsweise die Gemeinderäte müssten eine Priorisierung bei den Stadtausgaben vornehmen - neben der Europahalle gebe es noch weitere Großprojekte zu finanzieren oder den Sanierungsstau an Schulen abzubauen.
Variante 2: Europahalle nur für Schulsport
Eine Nummer günstiger als Neubau, wäre die Variante "Großsporthalle". Sie kostet insgesamt 27 Millionen Euro. Sie würde Platz für 6.500 Besucher bieten - bei sportlichen Veranstaltungen mit Plätzen auf Empore und Tribüne für rund 4.500 Besucher. "27 Millionen sind für die Stadt unangenehm, aber machbar", lautet die Einschätzung von Bürgermeister Obert. Bei diesem Szenario stünde die Europahalle wieder für Großveranstaltungen zur Verfügung - derzeit finden viele von ihnen in der Halle 2 der Messe Karlsruhe statt.
Doch der finanzielle Zuschuss der Stadt ist nur noch bis zur kommende Wintersaison vorhanden. Ende April hat der Gemeinderat einen entsprechende Beschluss für die Durchführung von Großsportereignissen in den Messehallen verfasst. "Es ist eine Interimslösung und nicht auf Dauer gedacht", betont Luczak-Schwarz am Freitag. Bereits jetzt gebe es erste Interessenkonflikte zwischen den einzelnen Veranstaltungen in der Messe.
Gemeinderat entscheidet Ende 2015
Über die nutzungsspezifischen Maßnahmen soll letztendlich der Gemeinderat entscheiden. Bis dahin bleibt zu klären wie die Auswirkungen auf das Cateringkonzept sein werden. Viele Flächen sind nach den neuen Brandschutzmaßnahmen nicht als Verkaufsfläche nutzbar, inwiefern das die Attraktivität für Veranstalter schmälert, wird derzeit untersucht: "Die möglichen Nutzungsszenarien mit reduzierten Flächen, Standorten für Stände und Ausstellungen, verbleibenden Flächen für Presse und VIP-Räume werden unter betrieblichen, veranstaltungstechnischen und logistischen Gesichtspunkten derzeit noch geprüft", heißt es von der Stadt.
Zu klären bleibt weiterhin, welcher Ersatzräume während der Schließung der Europahalle genutzt werden können. Das Brandschutzkonzept schlägt den Bau einer Dreifeldsporthalle vor: Die Ausweichhalle könnte als Provisorium oder dauerhaft errichtet und nach Öffnung der Europahalle als Ausweichoption für andere sanierungsbedürftige Hallen genutzt werden. Bei "zügiger Beauftragung und Planung" schätzt die Stadtverwaltung die Schließzeit der Europahalle in die Jahre 2018/19.
ka-news Hintergrund:
9.000 Sitz- und Stehplätze standen bislang für Großveranstaltungen in der Europahalle an der Günther-Klotz-Anlage zur Verfügung. Bei Reihenbestuhlung im Innenraum waren es inklusive Tribünenplätzen immer noch rund 5.100 - genug Platz für Konzerte und Sportveranstaltungen. Im Juni 2014 machte ein Brandschutzgutachten erhebliche Defizite in den Bereichen Lüftung und Entrauchung deutlich - die Halle war künftig nur noch für 200 Personen zugelassen.
Die Genehmigung der Europahalle als Großsporthalle wurde 1983 auf Basis der Versammlungsstättenverordnung von 1974 erteilt. 2004 wurde eine Nutzungsänderung als Mehrzweckhalle mit bis zu 9.000 Besuchern genehmigt. 2012 wurden bei einer Brandverhütungsschau erhebliche Mängel im baulichen Brandschutz festgestellt. Die Mängel waren so grundsätzlich, dass ein Gutachter eingeschaltet wurde, dessen erste Ergebnisse das Bauordnungsamt veranlassten, 2014 eine Nutzungsuntersagung auszusprechen.
Von der Verwaltung wurde daraufhin die Entwicklung eines ganzheitlichen Brandschutzkonzepts Europahalle beauftragt mit dem Ziel, die Halle künftig wieder für Großsportveranstaltungen und Veranstaltungen anderer Art nutzen zu können. Seit Mai liegt dieses Brandschutzkonzept vor. Nach der Sommerpause soll der Gemeinderat über die Zukunft der Europahalle entscheiden. Sollte die Halle wieder für Großveranstaltungen genutzt werden, wird sie künftig eine maximale Gesamtkapazität von 6.500 Besuchern haben.
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