Schon zweimal trat SPD-Mann Parsa Marvi zur Bundestagswahl an. Auch zur kommenden Wahl im September möchte der 39-jährige Diplombetriebswirt die Sozialdemokraten Karlsruhes vertreten. Seit 2017 habe sich laut seiner Aussage allerdings einiges verändert.

Konkrete Ideen statt abstrakten Phrasen

"Wir haben für die nächsten Jahre ganz andere Herausforderungen als damals", äußert sich Marvi während einer Pressekonferenz. "Natürlich kam die Corona-Krise hinzu, auch das Klimapaket der Regierung. Und die gesellschaftlichen Anforderungen mussten angepasst werden."

Parsa Marvi (1)

Solche Anforderungen seien in der letzten Bundestagswahl nur unzureichend von der SPD abgedeckt worden, so Marvi: "Wir haben 2017 einen Wahlkampf geführt unter dem Stichwort 'Mehr Gerechtigkeit', und der hat mir nicht gefallen. Nicht weil ich nicht für soziale Gerechtigkeit wäre, sondern weil 'Mehr Gerechtigkeit' ein viel zu abstrakter Begriff ist, von dem jeder eine andere Vorstellung hat."

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Für den diesjährigen Wahlkampf wolle die SPD daher präzisere und konkretere Ideen aufbringen, statt sich in abstrakten Phrasen zu verlieren: "Beispielsweise, wollen wir eine finanzielle Grundsicherung für Kinder oder soziales Bürgergeld für die unteren Einkommensbereiche."

Das SPD-Konzept für Kindergrundsicherung beinhaltet:

- Im ganzen Land beitragsfreie KiTas
- Kostenlose Ganztagsbetreuung
- Freier ÖPNV für Kinder
- Ein monatlicher Betrag von 30€ der Kindern für Sport oder musikalische Ausbildung zur Verfügung gestellt wird
- Existenzsichernde finanzielle Unterstützung für Familien

Verbinden wolle man diese Ideen mit "Zukunftsthemen, auf die auch das Scheinwerferlicht des Wahlkampfs fällt", so der SPD-Vorsitzende. "Wir wollen eine Art Anwalt für eine sichere Zukunft Deutschlands werden." Wichtig für die Zukunft seien laut Marvi vor allem die Beziehung mit Europa und die Digitalisierung der Industrie.

"Zwischen zwei Großmächten" - Die Europapolitik der SPD

"Über die deutsche Europapolitik wird mit der Bundestagswahl am 26. September auch abgestimmt. Dabei wird es um die Frage gehen, wie wir uns in einer Welt zwischen den Großmächten USA und China positionieren", so Marvi.

Die Fahnen der EU und Deutschlands im Wind. (Symbolbild)
Die Fahnen der EU und Deutschlands im Wind. (Symbolbild) | Bild: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Stellvertretend für die SPD sei er der Ansicht, dass man "in einem noch engeren Verhältnis zum französischen Präsidenten Macron arbeiten und gemeinsam Visionen entwickeln und umsetzen muss. Insgesamt sollte die Zusammenarbeit mit Europa viel mutiger sein und noch mehr Kompetenzen bündeln."

Erste Erfolge in einer kooperierenden Europapolitik sieht Marvi auch im Aspekt der Digitalisierung. "Ein erster Schritt ist zum Beispiel mit Olaf Scholz' globaler Mindestbesteuerung für digitale Konzerne getan", so seine Einschätzung.

Der Wahlkampf der SPD startet mit Attacken: Kanzlerkandidat Scholz greift Union und Grüne an.
Olaf Scholz. | Bild: Kay Nietfeld/dpa

"Das beflügelt meine Fantasie, was in Zukunft noch alles möglich sein könnte: Zum Beispiel noch mehr Datenhoheit für Bürger oder eine digitale Grundrechtecharta." Gerade diese Möglichkeiten, wie Deutschland zukünftig mit Digitalisierung umgehen könnte, wären für ihn einer der wichtigsten Aspekte des Wahlkampfes.

"Den Schwerpunkt der Politik auf IT und Forschung legen"

Ein nicht zu unterschätzender Anteil deutscher Unternehmen und Arbeitsplätze hingen laut dem SPD-Mann mit Digitalisierung zusammen. "Karlsruhe selbst ist in dieser Hinsicht direkt betroffen, immerhin gibt es in der Fächerstadt einige IT-Unternehmen, deren Fortbestand auch von einer voranschreitenden Digitalisierung abhängt", sagt Marvi.

"Wir müssen dafür sorgen, dass die Software-Kompetenz in Deutschland und Europa erhalten bleibt - unsere Unternehmen sozusagen auf dem Weltmarkt relevant halten. Ich glaube, dafür müssen wir den Schwerpunkt unserer Politik auf IT und Forschung legen", umreißt er die Ziele seiner Partei.

Ein Bundesministerium für künstliche Intelligenz?

Zu diesem Zweck existierten bereits einige Ideen, die Marvi gemeinsam mit seinen Parteikollegen erarbeitet habe und die auf einem 16-seitigen Dokument festgehalten wurden.  Beispielsweise werde künstliche Intelligenz in Zukunft einen immer höheren Stellenwert für die Gesellschaft halten.

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"Deshalb haben wir uns überlegt, warum könnte man nicht ein völlig neues Bundesamt für künstliche Intelligenz einrichten? In so einem Amt könnten alle wichtigen Fragen für diese neue chancen-, aber auch risikoreiche Technologie geklärt werden.", so sein Vorschlag.

Genauso nennt er eine "gemeinsame europäische Plattform für Software-Entwicklung eine Möglichkeit, um mit den amerikanischen IT-Unternehmen konkurrieren zu können", als eine Idee für die Zukunft.

Ein Roboterarm gießt bei einem Versuchsaufbau am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Wasser in einen Becher.
Ein Roboterarm gießt bei einem Versuchsaufbau am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Wasser in einen Becher. | Bild: Sina Schuldt/dpa

Solche Konzepte mögen zwar in erster Linie die Ziele eines ganzen Kontinents verfolgen, könnten in Zukunft aber auch direkt für die Stadt Karlsruhe relevant werden. Denn: "Warum könnte der Hauptsitz solcher Institutionen nicht in der Fächerstadt liegen?", fragt Marvi, "Karlsruhe wäre meiner Meinung nach ein sehr guter Standort dafür."

"Die Interessen Karlsruhes in Berlin vertreten"

Auch aus diesem Grund wolle der SPD-Vorsitzende in den Bundestag einziehen: "Es ist eine unserer Aufgaben, die Interessen der Stadt Karlsruhe in Berlin zu vertreten. Deshalb möchten wir auch dafür sorgen, dass Karlsruhe als Standort solcher Einrichtungen attraktiv bleibt und die Rolle der Fächerstadt europaweit vertieft wird."

SPD Marvi
Bild: SPD Karlsruhe

Um dies zu erreichen, solle Marvis Wahlkampf die Menschen dazu anregen, ihre Erststimme auf seine Partei zu verwenden. Dadurch würden die Stimmen direkt dem Sitz der Karlsruher Kandidaten im Bundestag zugutekommen. Man wolle damit "im Sinne Karlsruhes auch die Wählerinnen und Wähler ansprechen, die vielleicht nicht im Kernspektrum der SPD sind", so der Karlsruher Kandidat.

"Die CDU ist damit zufrieden, dass sie regiert"

Das sei vor allem notwendig, da die SPD in den vergangen Wahlperioden häufig in der Kritik stand, seit Jahren zu wenig für ihre Wähler getan zu haben. Ein Eindruck, dem Marvi nur bedingt zustimmt: "Wir haben in den letzten Jahren  Fehler gemacht. Aber ich freue mich, dass die SPD daraus gelernt hat."

Innenminister Horst Seehofer (l), Finanzminister Olaf Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Generaldebatte.
Innenminister Horst Seehofer (l), Finanzminister Olaf Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Generaldebatte. | Bild: Kay Nietfeld/dpa

Gleichzeitig betont er aber dass "die SPD in dieser Großen Koalition viel erreicht hat. Ich beziehe mich zum Beispiel auf die sehr gute Arbeit in der Corona-Krise, den Familienbonus oder das Lieferkettengesetz. Trotzdem war, was wir erwirken konnten, bei Weitem nicht genug."

Und als Grund für letztere Einschätzung nennt er vor allem den Koalitionspartner der SPD: "Die CDU ist in vielerlei Hinsicht ein Bremsklotz", sagt Marvi, "diese Partei ist damit zufrieden, dass sie regiert. An Themen wie Innovationspolitik, Klimaschutz oder sozialen Fragen wie zwölf Euro Mindestlohn zeigt sie wenig, bis kein Interesse." Für die Zukunft sei laut Marvi also "eine stärkere SPD und eine schwächere CDU nötig, um Karlsruhe und Deutschland mehr progressive Politik bieten zu können."

 
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