17:06 Sicherheitstechnik kann nicht überzeugen

Ein neues System, das noch niemanden wirklich bekannt war? Das löst natürlich rege Diskussionen aus. Viele der Fraktionen halten Sicherheitsmaßnahmen am Europaplatz zwar für notwendig, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu optimieren, aber: Nicht unbedingt in Form von einer "Videoüberwachung" durch die EnBw (Was es laut Oberbürgermeister Frank Mentrup und der CDU gar keine sei).

Denn Videoüberwachungen hätten nie geholfen ein Verbrechen zu verhindern, höchstens bei der Aufklärung, sagen zum Beispiel die Karlsruher Liste und die Partei. Mehr Polizeipräsenz vor Ort sei eine Alternative, findet wiederum die FDP.

Auch, dass das Projekt in der Obhut der EnBW liege und diese Technik nicht ausreichend zertifiziert sei, wird von einigen kritisiert. Sogar die Aussetzung dieses Beschlusses wurde gefordert. Kurzum: Trotz einer Stimmenverteilung von 23 Fürstimmen und 23 Gegenstimmen wurde der Antrag vom Gemeinderat abgelehnt, da keine Mehrheit für das Projekt erreicht werden konnte.

11.05, 6:00 Kommt jetzt die Videoüberwachung von der EnBw?

Karlsruhe, so sagen die Statistiken, liegt innerhalb des Landes Baden-Württemberg im Mittelfeld, was begangene Straftaten angeht. Dennoch fühlen sich viele Karlsruher innerhalb ihrer Heimatstadt nicht immer sicher. Gerade die großen Plätze, schüren bei Passanten ein unangenehmes Gefühl, wie bereits 2018 in einer Studie festgehalten wurde.

Europaplatz jetzt im Fokus

Einer der Spitzenreiter was Angstgefühle in Karlsruhe angeht, ist der Europaplatz. Nach Angaben der Stadt wünschen sich Bürger hier eine Überwachungstechnik über die schon seit mehreren Jahren diskutiert wird.

(Symbolbild)
(Symbolbild) | Bild: Tim Carmele

Im September 2018 startete die CDU einen Antrag, ein solches System an entsprechenden Plätzen einzurichten. Zu dieser Zeit lehnte die Stadt den Antrag noch ab. Der Grund: rechtliche Bedenken. Doch nun scheint sich das Blatt gewendet zu haben. 

Savas Ds+ im Versuchsstadium

In einer aktuellen Beschlussvorlage schlägt die Stadt Karlsruhe vor, in Kooperation mit EnBW und den Stadtwerken, ein System namens "Savas Ds+" am Europaplatz einrichten zu wollen. Dazu sollen die Stadträte in der kommenden Sitzung des Gemeinderates am 18. Mai ihre Zustimmung geben. 

Europaplatz, rechts die Postgalerie
Europaplatz, rechts die Postgalerie | Bild: Carmele/TMC-Fotografie

Das System würde Probeweise am Europaplatz installiert und dabei stetig weiterentwickelt und angepasst werden. Kosten für die Stadt Karlsruhe entstünden während dieser dreijährigen Testphase keine.  Das Innenministerium Baden-Württemberg habe der Versuchsphase für das Überwachungssystem bereits eingewilligt.

"Ein positiver Einfluss auf das Sicherheitsempfinden"

Der Hauptgrund für das Projekt sei die Zahl an Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die gerade zum Abschluss der oberirdischen Arbeiten der Kombilösung einen alarmierenden Anstieg erlebe. Von einem Überwachungssystem verspreche sich die Stadtverwaltung einen deutlichen Rückgang von Verbrechen, wie die Vorlage angibt.

Eine Überwachungskamera der Polizei.
Eine Überwachungskamera der Polizei. | Bild: Julian Stratenschulte/dpa

"Von Bürgern wird immer wieder der Wunsch nach einer Überwachungstechnik am Europaplatz geäußert", so eine weitere Begründung. Damit verbunden sei Ziel des Systems auch "ein positiver Einfluss auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Karlsruher Bevölkerung zu haben."

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Soweit die Vorteile. Doch besonders der Datenschutz ist bei Videoüberwachung ein übergeordnetes und empfindliches Thema. Deshalb sei es wichtig ein System zu entwickeln, das mit den Datenschutzverordnungen konform gehe, wie die Stadt in ihrer Vorlage erklärt. 

Sicherheit contra Datenschutz

Gleichzeitig schränkt die Verwaltung ein, dass beispielsweise noch nicht genau besprochen sei, wer den Hauptanspruch auf die gewonnenen Daten erheben dürfe. Jedoch sei es Ziel, dass "die Datenhoheit  zwischen der Stadt Karlsruhe und der EnBW mindestens gleich verteilt ist." Zusätzlich sollen EnBw-Mitarbeiter, welche die Bilder zu sehen bekommen speziell geschult werden.

Das Logo des Energieversorgers EnBW.
Das Logo des Energieversorgers EnBW. | Bild: picture alliance / dpa

Außerdem sollen keine personenbezogenen Daten erhoben werden, "Savas Ds+" sei ein System "dass Personen zu 100% verfremdet." Es werden laut der Vorlage nur Umrisse durch optische Sensoren verarbeitet und an bestimmte Muster angepasst, um eine Straftat zu erkennen. Wird eine Straftat erkannt, sollen die Behörden in einer Art "Streife aus der Ferne" alarmiert werden.

Fragen rund um das Thema Datenschutz

Um Fragen bezüglich des Datenschutzes zu vertiefen wurde vom Amt für Informationstechnik und Digitalisierung der Stadt Karlsruhe eine Liste mit Fragen und Antworten herausgegeben. Die wichtigsten fasst ka-news.de zusammen:

  • Wird mein Gesicht von der Kamera erkannt und gespeichert?
    Als Hintergrundbild wird ein echtes Foto ohne Personen verwendet. Nur die Personen werden schlecht gepixelt aufgenommen und auf das vorher aufgenommene Klarbild projiziert. Die KI erhebt die Bilder zu keinem Zeitpunkt mit Personenbezug. Die Mitarbeiter sind für die Verarbeitung entsprechend geschult und ihr Arbeitsplatz ist entsprechend gesichert und zertifiziert.
  • Kann die Kamera / das System so angepasst werden, dass ein Klarbild möglich ist?
    Die Kamera vor Ort nimmt Bilder in so schlechter Qualität auf, dass kein Personenbezug möglich ist. Das System übermittelt das verpixelte Bild ohne Personenbezug. Die Kameras sind dagegen gesichert, dass die Bilder nachträglich zu einem Klarbild bearbeitet werden. Die "Personenumrisse" entstehen auf dem Weg zu den Mitarbeitenden in der Leitstelle.
  • Sind auch andere Sensoren wie Mikrofone in der Technik enthalten? Kann der aufgezeichnete Ton dann so verfremdet werden, dass keine Gespräche erkennbar sind?
    In der Kamera sind keine Mikrofone im klassischen Sinne im Einsatz. Es wird lediglich die Lautstärke in Dezibel gemessen, aber keine Gespräche aufgezeichnet. Bezüglich dieser Thematik steht die EnBW im Kontakt mit dem Fraunhofer Institut, um die Dezibel-Verhaltensweisen auszuwerten. Straßenbahnen sind z.B. sehr laut, diese müssten durch das System erkannt und nicht beachtet werden.
  • Wie werden die Daten zur EnBW übertragen? Kabelgebunden, verschlüsselt - wenn ja, wie?
    Keine Daten, die schützenswert sind, werden gespeichert. Alle Daten werden verschlüsselt übermittelt. Zusammen mit dem TÜV Nord wird derzeit eine unabhängige Zertifizierung für die Sicherheitstechnik erarbeitet, damit soll auch das europäische Datenschutzsiegel für die neue Technologie möglich werden.
  • Zur Transparenz bezüglich der erwünschten Verhaltensänderung – wie wird es den Bürgern klar gemacht, dass bzw. inwiefern sie (nicht) videoüberwacht werden?
    Es könnte zum Beispiel ein Testaufbau durchgeführt werden, um den Bürgern zu zeigen, was während des Einsatzes der Sicherheitstechnik passiert. Außerdem sollen am Europaplatz Infotafeln aufgestellt werden, bestenfalls auch mit QR-Code versehen, der zu ausführlicheren Informationen führt. Die Erprobung müsste kommunikativ intensiv begleitet werden.
  • Gibt es nicht die Befürchtung, dass sich die Szene bei einer Überwachung auf einen anderen Platz verlagert? 
    Das Thema Verlagerung würde auf die Stadt genauso zukommen, wie es auch bei anderen Sicherheitsmaßnahmen der Fall wäre. In den meisten Fällen löst sich eine Szene nicht auf, sondern verlagert sich – es sei denn, die Szene ist an eine bestimmte Lokation gebunden.
    Am Europaplatz zum Beispiel ist die Gastronomie- und Partymöglichkeit weiterhin vorhanden. Ebenso bleiben die Arkaden eine trockene Fläche, die zum Aufenthalt einlädt – damit sind Ausweichwahrscheinlichkeiten kleiner als anderswo.
    Der Europaplatz bleibt auch weiterhin Umsteigeplatz und somit Treffpunkt für Viele. Daher ist der Pilotbetrieb mit wissenschaftlicher Begleitung so wichtig, um die auslösenden Faktoren zu messen.
  • Wie viele Kameras werden dann für den Europaplatz benötigt (z.B. bei den Arkaden ist es recht dunkel und unübersichtlich)?
    Das hängt von den Ergebnissen der Testphase ab. Diese würde nur an einem mit der Stadtverwaltung vereinbarten Teilbereich des Europaplatzes stattfinden.
  • Was kann die in der Technik verbaute künstliche Intelligenz? Können Bewegungsprofile von Personen erkannt werden, wenn sich die Technik z.B. über die ganze Kaiserstraße erstrecken würde?
    Eine liegende Person wird als liegende Person erkannt – ob sie schläft oder niedergeschlagen wurde, kann die Technik jedoch nicht erkennen.
    Die künstliche Intelligenz ist noch nicht in der Lage, selbständig solche Zusammenhänge zu erkennen. Ob das mit dem Bildmaterial überhaupt möglich ist, wird sich noch zeigen.
    Auch Bewegungsprofile dürfen nicht erhoben werden. Die Stadt Karlsruhe muss für einen Piloten oder Betrieb genau definieren, unter welchen Voraussetzungen diese Mitarbeitenden die Polizei rufen.
    Zu betonen ist, dass mit dem System keine Verbrechensaufklärung möglich wird. Die Einsatz- und Ordnungskräfte sollen lediglich effizienter alarmiert und eingesetzt werden.
  • Wann und wie würde eine Teststellung am Europaplatz aussehen?
    Im Rahmen des Pilots wird nicht der gesamte Platz überwacht, nur ein Teilbereich (insbesondere die Arkaden an der Nordseite). Hier muss mit dem anliegenden Gewerbe gesprochen werden.
    Wenn der Pilot erfolgreich ist, muss die Stadt auf der Grundlage der Pilottestergebnisse separat entscheiden.

Ob das Sicherheitssystem jedoch wirklich installiert wird und ob dann die Testphase starten kann, muss der Gemeinderat entscheiden. Am Dienstag, 18. Mai, wird während der Gemeinderatssitzung in der Gartenhalle über das Thema diskutiert und abgestimmt.

Was sagen die Fraktionen?

Um schon vorab ein Stimmungsbildeinzuholen, hat ka-news.de bei den Fraktionen nachgefragt, was sie von der Idee der Stadt halten und wie sie abstimmen werden. Die Antworten gibt es mit einem Klick auf die Fraktion.

  • Bündnis '90 - Die Grünen
    Sind gegen das Überwachungssystem.

    "Selbst bei der datenarmen Form der Videoüberwachung, die auf dem Europaplatz zum Einsatz kommen soll, muss die Bedeutung für die Freiheitsrechte der Bürger*innen sorgsam abgewogen werden, besonders dann, wenn künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
    Außerdem müssen die weitere Nutzung und Verarbeitung der erzeugten Daten bei der EnBW vertraglich klar geregelt werden. Für uns als Grüne steht fest: Wenn die EnBW Produktentwicklung im öffentlichen Raum betreiben will, müssen die dabei erzeugten Daten vor Missbrauch sicher sind.
    Wir werden in einem Ergänzungsantrag mehr Transparenz für Bürger*innen einfordern sowie zusätzliche Bedingungen an die EnBW zum Thema Datenhoheit stellen. "
  • Christlich Demokratische Union - CDU
    Befürwortet das Überwachungssystem.

    "Die CDU-Fraktion wird diesem Projekt zustimmen. Besonders positiv sehen wir dabei, dass die Verwaltung mit dem Landesdatenschutzbeauftragten zusammengearbeitet hat, um eine datenschutzkonforme Lösung zu erhalten.
    Aus Sicht der CDU-Fraktion hoffen wir, dass das Sicherheitsgefühl am Europaplatz damit verbessert wird und das Pilotprojekt erfolgreich verläuft, um es gegebenenfalls an anderen Stellen in der Stadt einzusetzen."
  • Sozialdemokratische Partei Deutschlands - SPD
    Befürwortet das Überwachungssystem.

    "Es gibt ein spürbares und messbares subjektives Unsicherheitsgefühl in Bezug auf den Europaplatz.
    Wir sind daher dafür offen, über ein entsprechendes Pilotprojekt mit hohen Datenschutzgrundsätzen eine entsprechende Überwachungstechnik mit Videokameras zu installieren.
    Falls das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung dadurch nicht erhöht wird, kann die Technik auch problemlos wieder entfernt werden."
  • Freie Demokratische Partei - FDP
    Ist gegen das Überwachungssystem.

    "Das hohe Gut der Bürgerrechte wird hier missachtet. Zusätzlich soll durch den Einsatz eines privaten Anbieters scheinbar das Polizeirecht ausgeklammert werden. Hier gilt das zeitlos richtige Zitat von Benjamin Franklin: 'Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren'"
  • FÜR Karlsruhe & Freie Wähler
    Befürworten das Überwachungssystem.

    "Bedenken haben wir im Blick auf die Betreuung des Projektes durch die EnBW selbst, dies ist aber während der Pilotphase hinfällig.
    Das System ermöglicht, eventuelle Gefahren schon im Entstehen zu identifizieren und somit die Polizei frühzeitig einzuschalten. Damit können Delikte eventuell verhindert oder frühzeitig aufgeklärt werden.
    Ein Pluspunkt der Technik ist in der tatsächlich komplett anonymisierten Form, die als Datenschutzkonform eingestuft wurde."
  • Die Linke
    Ist gegen das Überwachungssystem.

    "Unser Hauptkritikpunkt ist, dass derzeit von der Verwaltung in Erwägung gezogen wird, dass eine entsprechende Überwachung durch Mitarbeiter der EnBw stattfinden soll.
    Dass eine staatliche Hoheitsaufgabe, nämlich die Sicherheitspolitik, an einen privaten Anbieter ausgelagert wird, kritisieren wir scharf.
    Wer übernimmt bei einem Fehlschlag die politische Verantwortung? Die EnBW sicherlich nicht."
  • Die Partei
    Ist gegen das Überwachungssystem.

    "Zum einen hat eine Videoüberwachung noch nie ein Verbrechen verhindert. Maximal geholfen, es schneller aufzuklären. Was sehr schön an wiederholten Morden in der Innenstadt von London zu sehen ist.
    Und diese ist bekanntermaßen sehr videoüberwacht.
    Und auch uns wird die Überwachung nicht helfen, die zahlreichen Morde in der Karlsruher Innenstadt aufzuklären.
    Zum anderen sehen wir darin die schleichende Gefahr der Einführung eines Sozialkreditsystems nach chinesischem Vorbild. In 10 Jahren bekommt man Punkte abgezogen, wenn man nicht die CDU wählt.
    Und alleine schon da wir die "Basisdemokratie" in unserem Parteinamen tragen, müssen wir diese Überlegungen ablehnen."
  • Alternative für Deutschland - AfD
    Befürwortet das Überwachungssystem.

    "Es ist bedauerlich, dass sich die Sicherheitslage derart verschlechtert hat, dass über Videoüberwachung überhaupt nachgedacht werden muss.
    Die AfD-Fraktion sieht die Installation dieses Systems als einen ersten Schritt, für mehr Sicherheit der Bürger.
    Wir sind, was die Wirksamkeit eines Systems mit stark verpixelten Aufnahmen anbelangt, skeptisch.
    Wir wissen aber, dass für jede technische Neuentwicklung eine gründliche Erprobung unabdingbar ist. Deshalb tragen wir den Versuch mit."
  • Karlsruher Liste - KAL
    Ist gegen ein Überwachungssystem.

    "Aus guten Gründen lehnen wir Vorstöße in diese Richtung seit vielen Jahren ab. Einem derartigen Eingriff in die Bürgerrechte stimmen wir nicht zu. Damit beginnt der Einstieg in eine Überwachungsstadt."

Sobald der Gemeinderat über das Thema abgestimmt hat, wird der Artikel an dieser Stelle aktualisiert. 

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