Während des Zweiten Weltkriegs flogen die Alliierten etwa 100 Luftangriffe auf Karlsruhe - die Fächerstadt wurde mehrfach von Bomben getroffen. "Etwa 15 Prozent dieser Bomben sind nach ihrem Abwurf nicht explodiert", erklärt Peer Müller, Leiter des Kampfmittelbeseitisgungsdiensts Baden-Württemberg, im ka-news-Gespräch.
So schlummern auch im Karlsruher Erdreich noch einige sogenannte Blindgänger - wie viele genau, kann niemand sagen. Von ihrer Gefährlichkeit haben die Bomben aber auch über 60 Jahre nach Kriegsende nichts verloren. Wird bei Bauarbeiten eine Bombe gefunden, dann ist das ein Fall für den KMBD. "Wir sind nur für die konventionellen Kampfmittel der Weltkriege zuständig", erklärt Müller. Der "ominöse Koffer am Bahnhof" sei Sache der Spezialisten des Landeskriminalamts.
Etwa acht Bomben im Jahr
Im Schnitt hat das Team der Kampfmittelbeseitiger mit 800 bis 1.000 Funden im Land jährlich zu tun. "Das sind aber nicht immer große Bomben", relativiert Müller. Neben Bomben zählen auch einzelne alte Patronen dazu, die Bürger im Polizeirevier abgeben. Spektakuläre Funde wie die Fliegerbombe, die im Oktober 2010 in der Karlsruher Innenstadt gefunden wurde, gibt es nur wenige. Im vergangenen Jahr wurden acht Weltkriegsbomben mit einem Gewicht von über 125 Kilogramm vom KMBD entschärft, in diesem Jahr waren es bisher sieben.
Doch die Experten des KMBD entschärfen nicht nur Bomben, sondern suchen auch danach. So können auch Bauherren vor einem Bauvorhaben eine Anfrage an den KMBD stellen. Denn auf Flächen, die für Bauzwecke genutzt werden sollen, können etliche Blindgänger vorhanden sein. Durch die Begutachtung von Luftbildaufnahmen stellen die Spezialisten fest, ob in dem betroffenen Areal Bomben abgeworfen wurden.
Bomben liegen meterweit neben dem Einschlagsloch
Die Experten verwenden dabei Aufnahmen, die die Alliierten kurze Zeit nach den Bombardements mit Aufklärungsflugzeugen gemacht haben, um zu sehen ob der Angriff erfolgreich war. Anhand der abgebildeten Bombentrichter können die Experten sehen, ob es an der besagten Stelle Einschläge gab. Sollte es Anhaltspunkte für einen Bombenabwurf geben, wird vor Ort der Boden begutachtet. Denn je nach Untergrund, ob weich oder hart, können die Bomben zwischen drei und sechs Metern in die Erde eingedrungen sein. Eine Schwierigkeit bei der Ortung sei, dass die Bombe nach dem Aufprall im Boden abgelenkt werde und meist drei bis vier Meter neben dem Einschlagloch liege, so Bombenexperte Müller.
Die Spezialisten aus Stuttgart machen sich mit sensiblen Metalldetektoren auf die Suche nach möglichen Bomben. Da nach dem Krieg Bombenlöcher häufig mit Bauschutt zugeschüttet wurden, liege dort oft viel Metall, was eine Ortung kompliziert mache, so Müller. Sollte die Bombe tiefer liegen, als die Detektoren suchen können, dann muss der Boden bis zum damaligen Niveau abgetragen oder Erkundunsgbohrungen durchgeführt werden. Auch bei den Kombilösungsbaustellen war der KMBD schon häufiger im Einsatz.
Splitterbombe wohl nicht aus Innenstadt
Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hält es aber für eher unwahrscheinlich, dass der Bauschutt - in dem die Splitterbombe lag, die am Donnerstag detonierte - aus der Baustelle am Ettlinger Tor kommt. Darauf deutet einerseits die Art der Durchführung der Aushubarbeiten, aber auch der Typ des detonierten Kampfmittels hin. Splitterbomben seien im Zweiten Weltkrieg vor allem gegen Menschenansammlungen und Fahrzeugkolonnen eingesetzt worden, eher untypisch für einen Einsatz in der Innenstadt, erklärt Müller. Daher könne es auch sein, dass sie aus dem Karlsruher Umland in die Recycling-Firma gekommen sei. "Woher die Splitterbombe letztlich stammt, kann vielleicht nie geklärt werden", so Müller.
Nach ersten Erkenntnissen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes stammt die Splitterbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, hatte ein Gewicht von 130 Kilo und dürfte wahrscheinlich amerikanischer Herkunft gewesen sein. Die Bombe ist am Donnerstag in einem Recyclingbetriebgegen 15.50 Uhr der Nördlichen Raffineriestraße 10 explodiert. Drei Personen wurden verletzt. Es entstand erheblicher Sachschaden.
Derzeit hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst 31 Mitarbeiter. Dazu zählen Munitionstechniker, Verwaltungsangestellte und Mitarbeiter der Luftbildauswertung. Der KMBD sitzt in Stuttgart, ist aber für ganz Baden-Württemberg zuständig. Der Dienst ist beim Regierungspräsidium Stuttgart angesiedelt. Er gehört rein organisatorisch zur Landespolizeidirektion, die Mitarbeiter sind aber keine Polizisten.
Karlsruher Bombenfunde in vergangener Zeit:
24. November 2011
Technologiepark Karlsruhe: 250-Kilo-Bombe entschärft
3. November 2011
Bombenverdacht in Ettlinger Straße - über 7.000 Menschen betroffen
6. Oktober 2011:
Nördliche Raffineriestraße: Explosion durch Splitterbombe verursacht
14. April 2011:
Rheinhafen: Verdacht auf Blindgänger hat sich nicht bestätigt
26. Februar 2011:
Rheinhafen: Bombe aus Zweitem Weltkrieg wird entschärft - Südtangente gesperrt
26. Oktober 2010:
Fliegerbombe in der Innenstadt entdeckt - Evakuierung nötig
5. Februar 2010:
Bombenfund: Kampfmittelbeseitigungsdienst gibt Entwarnung
20. November 2008:
Bombenfund bei Baggerarbeiten in Karlsruhe