Es sollen nach Aussage der Polizeibeamten schreckliche Szenen gewesen sein: Ende Mai sorgte eine tödliche Hundeattacke auf eine Seniorinin Stetten am kalten Markt deutschlandweit für Aufsehen. Es ist der wohl schlimmste, aber nicht der einzige Vorfall, der in den vergangenen Wochen publik wurde: Anfang Juni attackierten Hunde einen Radfahrer im Kreis Ludwigsburg, erst in dieser Woche wurde eine 58-jährige Frau in Ulm angefallen. Am vergangenen Wochenende wurde zudem in Oberhausen-Rheinhausen im Kreis Karlsruhe ein Mann von einem Hund in Gesicht und Hals gebissen.
Eine offizielle Statistik über die Anzahl von Hundeattacken gibt es in Deutschland nicht. Auf Anfrage von ka-news spricht das Landeskriminalamt (LKA) von konstanten Zahlen bei fahrlässigen Körperverletzungen in Baden-Württemberg, bei denen Hunde "involviert" waren. 2016 wurden 1.210 solcher Fälle registriert, 2015 lag die Zahl bei 1.162 Fällen.
Haltung von Kampfhunden eingeschränkt
Beim baden-württembergischen Innenministerium ist man sich sicher: Es gibt Rassen, die grundsätzlich gefährlicher sind als andere. In einer Polizeiverordnung aus dem Jahr 2000 landen 12 Hunderassen als Kampfhunde auf der sogenannten "Rasseliste": American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Pit Bull Terrier, Bullmastiff, Staffordshire Bullterrier, Dogo Argentino, Bordeaux Doggen, Fila Brasileiro, Mastin Espanol, Mastino Napoletano sowie Mastiff und Tosa Inu.
Wer diese Hunde halten möchte, benötigt eine Erlaubnis der Polizeibehörde. Zudem müssen Besitzer höhere Sicherheitsvorkehrungen treffen als andere Herrchen und Frauchen. Darüber hinaus dürfen Kampfhunde nicht gezüchtet oder gekreuzt werden. Wie viele solcher "Listenhunde" in Karlsruhe leben, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. 2002 sprachen die Karlsruher Behörden noch von über "100 gemeldeten Kampfhunden" in der Fächerstadt.
Hundetrainer kritisieren Pauschalurteile
Von den "Rasselisten" halten Christine Durm-Schenk und Stefan Hopfenheit wenig. Beide arbeiten als Hundetrainer in der Fächerstadt. Zu ihnen kommen oft Hundebesitzer, die keinen Ausweg mehr wissen. Durm-Schenk bietet in ihrer Hundeschule "Hundesache" mobiles Training in Karlsruhe und Umgebung an, während Hopfenheit nach dem Konzept von "Hundeprofi" Martin Rütter arbeitet. Und beide sind sich einig: Von der Rasse allein lässt sich nicht automatisch auf das Gefahrenpotential eines Hundes schließen.
"Hunde unterscheiden sich in ihrer Wachsamkeit, Erregbarkeit und Jagdverhalten", erklärt Durm-Schenk. Das hänge mit der Geschichte der jeweiligen Rasse und mit ihrem ursprünglichen Gebrauch zusammen. Die Bereitschaft zu aggressivem Handeln sei zwar auch in den Genen verankert. Einer ganzen Hunderasse aber pauschal aggressives Verhalten zu unterstellen, hält sie für falsch: "Manche 'Listenhunde' werden nie auffällig, im Gegensatz zu anderen Hunden, die aber nicht auf der Rasseliste stehen. Es hängt davon ab, wie wir unsere Hunde erziehen und ausbilden." Man müsse bereits im Welpenalter darauf achten, die Tiere sozialverträglich und alltagstauglich zu erziehen.
Auch für Hundetrainer Hopfenheit ist klar: "Es gibt keine bösen Hunde. Der Hund ist ein individuelles Lebewesen und ist nicht, wenn es auf die Welt kommt, bereits böse oder aggressiv." Hopfenheit sieht in erster Linie den Halter in der Pflicht. Mit Kommandos allein sei es aber nicht getan. "Ohne Beziehung gibt es auch keine Erziehung", so der Hundetrainer. Er sieht mehrere Probleme: "Da wäre zum einen die Vermenschlichung der Tiere." Immer mehr Hunde seien aber auch unzureichend erzogen und es mangle es an notwendiger Konsequenz. "Oft werden Verhaltensweisen toleriert statt korrigiert." Darüber hinaus fehle es vielen Haltern an Wissen um die Bedürfnisse ihrer Vierbeiner. "Es ist aber entscheidend, Hunde artgerecht zu fördern und auszulasten."
"Kreischen und an der Leine reißen, hilft nicht"
Und was ist zu tun, wenn zwei Hunde aufeinander losgehen? Dafür gibt es nach Ansicht der beiden Hundetrainer kein Patentrezept. "Wenn ein Hund Anzeichen dafür zeigt, dass er angespannt ist, kann man noch eingreifen", meint Hundeexpertin Durm-Schenk. Wenn die Situation eskaliere, sei das schon schwieriger. Das sieht auch Hundetrainer Hopfenheit so. "Wenn es soweit gekommen ist, ist bereits etwas schiefgelaufen", meint er im Gespräch mit ka-news.
Eine Möglichkeit sieht er darin, für einen Schreck zu sorgen, etwa, indem man die beiden Hunde mit einem Eimer Wasser übergießt. "Da man aber natürlich nicht immer einen Eimer zur Hand hat, sollte man weggehen und dem Hund so die soziale Bindung entziehen", so sein Rat. Das könne aber nur funktionieren, wenn eine Beziehung zwischen Halter und Hund bestünde. Eines betont der Hundetrainer: "Wenn ich die Situation nicht einschätzen kann, dann besser Finger raus!"
Auch für Durm-Schenk steht die Sicherheit des Menschen ganz klar im Vordergrund. Wenn Hunde kämpfen würden, sei es schwierig einzugreifen. "Im Affekt kann es zu Bissverletzungen kommen", so die Expertin. Eine pauschale Lösung gebe es nicht, aber "kreischend daneben zu stehen oder an der Leine zu reißen, kann gefährlich werden. Und der Mensch geht hier ganz klar vor."
"Listenhunde" und Auflagen für Besitzer in Karlsruhe:
Rund 8.100 Hunde waren der Stadt Karlsruhe im vergangenen Jahr gemeldet. Ohne Erlaubnis der Behörden dürfen als "Kampfhunde" eingestufte Tiere nicht gehalten werden. Sie müssen einen Wesenstest ablegen. "Listenhunde" können nach der Kampfhundeverordnung beschlagnahmt werden, wenn sie nicht angemeldet sind oder ihre Kampfhundeeigenschaft nicht widerlegt werden konnte. Darüber hinaus greifen die Behörden - unabhängig von der Rasse- ein, wenn der Hundehalter unzuverlässig ist, der Hund mehrfach aufgefallen ist oder nicht so gehalten werden kann, dass von ihm keine Gefahr ausgeht. Insgesamt wurden in Karlsruhe vier Besitzern 2016 die Hunde entzogen. Bei einem Beißvorfall können sich die Karlsruher direkt an die Polizei oder an das Ordnungsamt, Sachgebiet Polizeirecht, wenden. Weitere Informationen zur Anmeldung finden Sie auf der Seite der Stadt Karlsruhe.
Kampfhundeverordnung des Landes Baden-Württemberg (Link führt auf externe Seite).
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