Das Erörterungsverfahren gilt als vorerst letzte Etappe im Genehmigungsverfahren für den Brückenneubau zwischen Karlsruhe und dem pfälzischen Wörth. Danach könnte das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) als Planfeststellungsbehörde entweder einen für den Bau notwendigen Beschluss fassen oder es ergeben sich Planungsänderungen. Diese könnten zu weiteren Verzögerungen führen. Das RP kann die derzeitige Planung aber auch komplett auf Eis legen.
644 Einwendungen gegen zweite Rheinbrücke
Rund 644 Einwendungen gegen das Bauprojekt sind eingegangen und werden am Dienstag - und voraussichtlich in den folgenden Tagen - erörtert. Neben den Antragstellern, darunter Vertreter von Kommunen, Regierungspräsidium und Regionalverbänden, außerdem Naturschutzverbände und Anwohner - kamen am Dienstag auch etwa 50 Interessierte in das Bürgerzentrum. Die Erörterung ist laut Gesetz zwar nicht grundsätzlich öffentlich, da aber keiner der Beteiligten etwas dagegen hatte, ließ Veranstaltungsleiter und Regierungsdirektor Alexander Ellinghaus die Öffentlichkeit zu.
Er wünsche "eine faire Debatte", so Ellinghaus zu Beginn und wies daraufhin, dass das Regierungspräsidium als Planfeststellungsbehörde zu "Neutralität und Objektivität verpflichtet" sei. Im Laufe der Erörterung würden zudem verschiedene Vertreter des RP zu Wort kommen, die sowohl für den Bau als auch dagegen argumentieren würden - je nach zuständiger Behörde.
Axel Speer, Leiter des Referats 44 Straßenbauplanung, vertritt das RP als Vorhabenträger. Das Bauvorhaben sei im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als "Vordringlicher Bedarf" eingestuft. "Der Bund hat bereits über die Notwendigkeit einer zweiten Rheinbrücke entschieden und will dieses Projekt", so Speer.
RP: Aktuelle Planung hat sich als "Vorzugslösung heraus kristallisiert"
Gerhard Kuhnt von der Abteilung Straßenplanung erläuterte aus Sicht des Regierungspräsidiums Karlsruhe, warum die zweite Rheinbrücke erforderlich sei. Die Brücke sei im Jahr 1966 für 30.000 Fahrzeuge pro Tag konzipiert worden, heute seien es 80.000. Die Brücke sei daher stark überlastet und zudem sanierungsbedürftig. Eine zweite Rheinbrücke sei wichtig, um den Verkehr zu entflechten und für den Fall einer Totalsperrung - durch Sanierung der Tragseile oder einen Unfall - eine Ausweichmöglichkeit für den Pendlerverkehr zu bieten.
In einer Machbarkeitsstudie 1998/99 seien sieben verschiedene Varianten untersucht worden - drei blieben übrig. Bei einer Umweltverträglichkeitsstudie wurden eine Parallelbrücke direkt neben der bestehenden Brücke und ein Brückenbauwerk etwas nördlich als beste ökologische Variante betitelt. "Aus einer Vielzahl möglicher Varianten haben sich die Parallel- und die Nordbrücke als beste Lösungen herausgestellt", so Kuhnt. Bei einem Raumordnungsverfahren in den Jahren 2005/06, das allerdings nur in Rheinland-Pfalz durchgeführt wurde, fiel die raumordnerische Entscheidung schließlich auf die derzeitige Variante. Die aktuelle Planung habe sich als "Vorzugslösung herauskristallisiert", so Kuhnt.
Die derzeitige Planung sieht eine Verbindung von der B9 (Anschluss bei Jockgrim) über die neue Rheinbrücke etwa 1,4 Kilometer nördlich der bestehenden Brücke und dann über eine Trasse entlang Miro/Stora Enso zum Ölkreuz vor. Hier schließt die Trasse dann an die bestehende B10/Südtangente an. Auf pfälzischer Seite bedeutet das eine Strecke von 3,7 Kilometern. Die Kosten liegen hier bei 86 Millionen Euro. Auf badischer Seite ist eine Strecke von 1,7 Kilometern vorgesehen. Hier werden die Kosten auf 21 Millionen Euro beziffert.
Am 25. März 2011 wurde schließlich das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Es folgten Offenlage, Faktenchek und die Ergebnisse der länderübergreifenden Arbeitsgruppe. Bereits in der vergangenen Woche fand der Erörterungstermin auf pfälzischer Seite in Wörth statt. Bei den Einwendungen ging es hier vor allem um Natur- und Artenschutz.
OB Mentrup: Stadt werde "alles Erdenkliche tun, um diese Pläne zu verhindern"
Oberbürgermeister Frank Mentrup bezog am Dienstag im Namen der Stadt Karlsruhe Position. Die Mehrheit des Karlsruher Gemeinderats hatte im Mai 2011 die aktuelle Planung abgelehnt. "Der Beginn der Planung geht auf Ende der 90er Jahre zurück. Damals gab es eine ganz andere Ausgangslage", begründet Mentrup. Seitdem habe sich das Verkehrsaufkommen geändert, aber auch die Art der Mobilität. Im Fokus habe damals das Auto gestanden. Heute spielten Fahrrad und ÖPNV eine größere Rolle. Dies sei in der aktuellen Planung aber nicht berücksichtigt worden. Mentrup kritisierte die überholten Pläne als "Spartendenken". "Die Planung sieht Lösungen für Probleme aus einem anderen Jahrhundert vor, diese sind aber nicht die Lösungen der Probleme dieses Jahrhunderts", kritisierte Mentrup. Daher gebe es in dieser Stadt auch keine Mehrheit für die Pläne.
Auf der rheinland-pfälzischen Seite seien nach Ansicht Mentrups "mit großer Akribie für die linksrheinische Seite optimierte Pläne" durchgesetzt worden. "Hier wurde ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, welches es auf badischer Seite nicht gab. Die Untersuchungen waren hier nicht umfassend", bemängelt Mentrup. "Die Stadt Karlsruhe hat für diese Planungen kein Verständnis. Wir sind damit in keinem Fall zufrieden." Die Stadt werde daher auch "alles Erdenkliche tun, um diese Pläne zu verhindern." Mentrup forderte zudem eine zügige Entscheidung der Planfeststellungsbehörde, "damit wir bald wissen, ob diese Planung eine Perspektive ist, die gegen den Willen der Stadt durchgesetzt werden soll."
Da die für den Brückenbau benötigten Flächen teilweise in städtischem Besitz sind, könnte die Stadt Karlsruhe für den Bau enteignet werden. Auch vor einer Enteignung der Stadt würde der Bund wohl nicht zurückschrecken, erklärte das Bundesverkehrsministerium (BMVBS) bereits im Februar 2012 auf ka-news-Anfrage.
Pfälzischer Landrat gegen badischen OB
Landrat Fritz Brechtel aus Germersheim erwiderte in einem Statement als Fürsprecher einer zweiten Rheinbrücke: Die Brücke sei völlig überlastet und daher dringend notwendig, Pendler und Wirtschaft bräuchten sie. Die aktuelle Planung könne auch nur der erste Schritt sein. Denn ein Anschluss an die B36 sei wichtig. Brechtel plädierte zudem: "Die gesamte Planung darf jetzt nicht auf Null gesetzt werden."
Doch Mentrup machte deutlich."Auch eine Rheinbrücke mit Anschluss an die B36 wird von der Mehrheit der Karlsruher so nicht mitgetragen." Viele Bürger hätten die Sichtweise, dass das den Einstieg in die Nordtangente bedeute. Diese sei zwar "politisch tot", dennoch gebe es nach wie vor "beharrliche Kräfte" in der Region, die sich dafür einsetzten. "Die derzeitige Planung kann auch nicht gerettet werden, wenn kurzerhand noch ein Anschluss an die B36 erfolgt", so Mentrup. "Wir müssen über andere Alternativen nachdenken."
Naturschützer: "Aufgrund der Fakten darf es keinen Planfeststelllunsgbeschluss geben"
Auch dass eine zweite Rheinbrücke kurzfristig als Ersatz im Krisenfall bereitstünde, sei ein Trugschluss. Eine Realisierung würde fünf bis acht Jahre dauern. "Wir brauchen daher eine schnell umsetzbare Lösung, die der Natur nicht schadet und von den Bürgern mitgetragen wird". "Es gab so viele grundsätzliche Versäumnisse in dem laufenden Verfahren, so dass dieses Verfahren für einen Planfeststellungsbeschluss nicht taugt", so Mentrup deutlich.
Rechtsanwalt Dirk Herrmann vertritt unter anderem die Naturschutzverbände BUND, LNV und Nabu. Dass die beiden Abschnitte auf pfälzischer und badischer Seite getrennt voneinander bewertet würden, sei rechtswidrig, kritisierte er. Zudem kreidete er die mangelnde Alternativenprüfung und die Nichtbeachtung des Naturschutzes an. "Diese Anbindung an das Ölkreuz macht keinen Sinn. Eine Entflechtung des Verkehrs findet nicht statt", so Herrmann. Der Stau bleibe. "Der Vorhabenträger hat seine Hausaufgaben nicht gemacht." Vor allem im Natur- und Umweltschutz würden Fakten nicht ausreichend beachtet oder gar komplett ignoriert. "Auf Grundlage der vorliegenden Fakten darf es zu keinem Planfeststelllunsgbeschluss kommen", so Herrmann.
Neben den umfassende Stellungnahmen von Beschwerdeträgern werden in der insgesamt 16 Punkte umfassenden Tagesordnung weitere Detailfragen zu Natur-und Artenschutz, Radwegen, Landwirtschaft, Hochwasserschutz und Grundstücken von Brückenbefürwortern und -gegnern diskutiert. Voraussichtlich wird die Erörterung auch am Mittwoch weitergeführt.
Die eingegangenen Einwendungen und Stellungnahmen finden Sie auf der Webseite des Regierungspräsidiums Karlsruhe. (Link führt zu PDF auf RP-Webseite)
Weitere Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren finden Sie unter: www.rp.baden-wuerttemberg.de
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