Die Mehrheit des Karlsruher Gemeinderats ist gegen den Bau einer zweiten Rheinbrücke mit Anschluss an die B36 wie sie derzeit geplant ist. Da die für den Brückenbau benötigten Flächen teilweise in städtischem Besitz sind, müsste die Stadt Karlsruhe für den Bau enteignet werden. Die Karlsruher Grünen appellierten bereits im Januar 2011 an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer "auf ein Enteignungsverfahren gegen die Stadt Karlsruhe zu verzichten und stattdessen nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen."
Gegen den Willen der Stadt?
Der Bund hält trotz aller Widerstände am Bau einer zweiten Rheinbrücke fest. Auch vor einer Enteignung der Stadt würde der Bund daher nicht zurückschrecken. "Auch die privatrechtlichen Interessen von Kommunen werden bei Bundesfernstraßenplanungen berücksichtigt, ohne dass ihnen ein übergeordnetes Vetorecht zukommt. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens werden alle Eingaben gewertet und abgewogen. Auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses wäre notfalls ein Enteignungsverfahren - genau wie auch bei jedem anderen privaten Grundstückseigentümer - durchzuführen", erklärte das Bundesverkehrsministerium (BMVBS) auf ka-news-Anfrage.
Das BMVBS stehe entsprechend den gesetzlichen Festlegungen im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen nach wie vor sowohl zu einer zweiten Rheinbrücke als auch zur Nordtangente Karlsruhe, heißt es weiter. "Die Weiterführung der B10 von der zweiten Rheinbrücke Wörth - Karlsruhe bis zur B 36 ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Bestandteil einer Nordtangente Karlsruhe im Vordringlichen Bedarf eingestuft", so das Bundesverkehrsministerium gegenüber ka-news.
Kein Automatismus
Mit dieser Einstufung sei daher grundsätzlich ein Planungsauftrag an die Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg verbunden. Von dieser sei eine Untersuchung vorgelegt worden, die eine eigene Fernverkehrsrelevanz des Abschnittes von der zweiten Rheinbrücke bis zur B36 nachweise. Daher sei der Straßenbauverwaltung zugesagt worden, dass eine zweite Rheinbrücke auch mit Anschluss an die B36 - also ohne durchgängige Nordtangente von der Südtangente bis zur A5 - vom Bund unterstützt werde.
Gisela Splett (Grüne), Staatssekretärin im baden-württembergischen Verkehrsministerium, glaubt indes nicht daran, dass ohne Zustimmung der Stadt Karlsruhe eine zweite Rheinbrücke möglich werde. "Die Stadt Karlsruhe ist Eigentümerin von etwa 90 Prozent der für eine zweite Rheinbrücke benötigten Flächen. Sie lehnt die Planungen in ihrer derzeitigen Form bisher ab. Einen Automatismus, dass die zweite Rheinbrücke so wie bisher geplant kommt, gibt es also nicht", so Splett.
Rechtsexperte: "Bund kann Kommune enteignen"
Doch die Stadt kann bei dem Bau tatsächlich übergangen werden. Das bestätigte auch der Münchner Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Experte im Enteignungsrecht, Josef Albin Schneider, gegenüber ka-news: "Es ist für den Bund durchaus möglich eine grundabtretungsbetroffene Kommune zu enteignen." Sollte ein vollziehbarer Planfeststellungsbeschluss vorliegen, könne sich der Bund über die Kommune per Besitzeinweisung oder per Enteignung durchsetzen.
Das komme allerdings eher selten vor, so Schneider. In dreißig Jahren Verwaltungsrechtspraxis habe er selbst nur wenige solcher Fälle erlebt. Im Verhältnis Land zur Kommune habe es einen solchen Fall beim Bau der Münchner Staatskanzlei gegenüber der Landeshauptstadt München gegeben.
Bund kann Druck ausüben
Dass es selten dazu komme, liege aber auch daran, dass häufig andere Wege beschritten würden, weiß Schneider. So könnten der Bund und die Länder über die Bauleitplanung "bauliche Maßnahmen des Bundes oder der Länder" oder eine "Planung von überörtlicher Bedeutung" sichern. In Einzelfällen würde manchmal zudem Druck auf die kommunalen Entscheidungsträger ausgeübt. Bürgermeister und Stadträte, die sich gegen ein Projekt stellen, könnten von Behörden oder der Kommunalaufsicht zu hören bekommen: "Wenn ihr den Weg nicht mitgeht, dann beachten wir euch bei der nächsten Zugschussabgabe - beispielsweise bei der Förderung von örtlichen Schulen - nicht mehr."
Auch gebe es Fälle bei denen Kommunen bewusst den Weg der Enteignung wählten. Das sei vor allem dann der Fall, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich gegen ein unpopuläres Bauprojekt ausspreche und die Kommune den Spagat zwischen "rechtlichem Bundes- oder Landeszwang" und Rücksicht auf die Bürger andererseits nicht anders glaubt lösen zu können. "Dann kann es sein, dass sich die Kommune im Planungsrecht nur 'verhalten wehrt' und sich zum Planungsvollzug enteignen lässt statt freiwillig nachzugeben. So kann ihr nicht vorgeworfen werden, sie falle den Bürgern in den Rücken", so Schneider.
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