Wie werden digitale Strukturen noch stärker in unser Leben verankert? Wie können sie zur Lösung derzeitiger Probleme beitragen? Was könnte überhaupt ihr Einsatzgebiet werden? Diese Fragen zu beantworten war das Ziel des "FZI-Open-House Karlsruhe" am 16. Februar.

Einer der Personen, für den diese Fragen zum Berufsalltag gehören, ist Johannes Mangler. Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Bereich "Intelligent Systems and Product Engineering" ist Leiter für verschiedene Projekte des FZI mit Fokus auf Robotik. Digitalen Systemen die Möglichkeit geben, physisch mit ihrer Umwelt zu interagieren, ist sein Metier. Einige Resultate präsentiert er im Rahmen des "Open House".
Robdekon: Ein batteriesortierender Greifarm
Mangler beginnt seine Demonstration mit einer vergleichsweise simplen Konstruktion: Ein Greifarm, entwickelt um Batterien zu sortieren. "Dieser Sortierroboter mit Namen 'Robdekon' wurde gemäß dem Auftrag einer Entsorgungsfirma entworfen", erklärt Mangler dazu. "Batterien müssen immer sehr gründlich nach Inhaltsstoffen sortiert werden, oder man riskiert beim Verbrennen eine Explosion."

Lithium müsse zu Lithium, Kadmium zu Kadmium, Blei zu Blei und so weiter. "Natürlich kann man die Batterien auch von Menschenhand sortieren, aber wenn die Batterien auf einem Haufen liegen, besteht auch bei gleichen Inhaltsstoffen eine hohe Kurzschlussgefahr", fügt Mangler hinzu, "Unser Kunde meinte beispielsweise zu uns, dass es bei ihnen auf dem Hof deshalb einmal die Woche brennt."

Menschen aus der Gefahrenzone herauszuhalten, sei also Robdekons eigentliche Bestimmung. "So ein Nutzen der Gesellschaft - beziehungsweise des Kunden - hat bei uns immer oberste Priorität", betont der Projektleiter.
Von Strichcodes und "zerstörungsfreier Elementanalyse"
Doch woher weiß Robdekon eigentlich, wie er die Batterien zu sortieren hat? "Momentan scannt er einfach den Strichcode der Batterie und ruft darüber die Daten ab", so Mangler. Das funktioniert natürlich nur bei einer intakten Batterie. Viele entsorgte Batterien seien beschädigt und nicht selten mit Panzertape geflickt worden - auf diese Weise sei der Strichcode häufig verdeckt.

"Für solche Fälle entwickeln wir eine sogenannte zerstörungsfreie Elementanalyse. Dabei werden die beschädigten Batterien mit Neutronen beschossen, wodurch der Roboter in einem Feedback-Scanner ihre Inhaltsstoffe klassifizieren kann", sagt der Robotikexperte.
Nun sei Robdekon, dessen Bewegungsapparat aus einem einzelnen Arm besteht, nur ein Ansatzpunkt. Wie steht es um Roboter, die Beine haben?
Lauron und Spot: Laufen, kontrollieren, kartografieren
Laufroboter sind an diesem Tag die Mehrheit der vorgestellten Projekte - und das aus gutem Grund, wie Mangler erklärt. Denn sie seien äußerst vielseitig und vielfältig einsetzbar. "Beginnen wir zum Beispiel mit unserem selbst designten Laufroboter 'Lauron'", sagt er. "Dieses Modell ist einer Stabheuschrecke nachempfunden und soll sich, von unserer Software angeleitet, auch so bewegen."

Ziel sei, dass Lauron ein möglichst variables Terrain in einer sicheren Laufbewegung bewältigen kann. "Man stelle sich eine Katastrophensituation vor, wie sie derzeit in Syrien und der Türkei auftritt", sagt Mangler. "Eine mobile Einheit wie Lauron könnte das Gebiet 24 Stunden lang ablaufen, scannen, nach Überlebenden suchen und dreidimensional kartografieren."
Ungezählte Möglichkeiten
Kartografieren sei dabei einer der Hauptqualitäten des Laufroboters - und das gelte nicht nur für Lauron. "Spot, ein weiterer Laufroboter, an dem wir arbeiten, ist einem Hund nachempfunden", stellt Mangler ein weiteres Projekt vor. "Auch er kann virtuelle Karten erstellen und dort Punkte und Routen anlegen, zu denen er immer wieder zurückfindet."

Spot sei dafür gedacht, Gebäude zu überwachen, unbefugte Personen zu erkennen und selbstständige Kontrollen durchzuführen. "Nehmen wir mal einen Pharmaziebetrieb als Beispiel", sagt Mangler dazu, "Spot könnte die Überwachungsdaten auswerten, den Status der Chemikalien überprüfen und per Scanner Lecks in den Leitungen punktgenau identifizieren."

Eine Besonderheit sei, dass die Hardware - sprich Spots Korpus - nicht selbst entwickelt, sondern gekauft wurde. "Beim FZI kaufen wir Hardware recht häufig von außerhalb, entwickeln die Software und die Programmierung aber selbst", so Mangler. Spot entstamme eigentlich der Firma Boston Dynamics und habe derzeit einen Kaufpreis von zirka 70.000 Euro.
Kooperation zwischen Robotern: Animal und Husky
Oben genannte Beispiele schöpfen das Potenzial eines Laufroboters aber keineswegs aus. Die wirkliche Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten beginne laut Mangler nämlich erst in der Kooperation mit anderen Robotern. Um das zu untermauern, führt Mangler die beiden Apparate "Animal" und "Husky" vor.

"Animal ist ein weiterer Laufroboter, der dreidimensionale Karten erstellen kann. Er wurde wie Spot dazugekauft, sein Preis waren ungefähr 130.000 Euro", erklärt Mangler dazu. "Zum Einsatz kommt er bei der Beseitigung von Gefahrstoffen, wie sie in Karlsruhe ja gelegentlich vorkommen. Seine Aufgabe ist es, das Gelände genau abzutasten."

Ist das erledigt, beginne Huskys Aufgabe. "Husky nimmt Bodenproben, identifiziert und klassifiziert den Gefahrstoff und macht ihn - sofern möglich - gleich unschädlich. Beide werten die gesammelten Daten gemeinsam aus und durch ihre Kooperation können Menschen dem kontaminierten Boden fernbleiben", sagt Mangler. "In zirka fünf Jahren könnten sie in Karlsruhe regelmäßig eingesetzt werden."

Auffällig ist, dass alle bisher beschriebenen Einsatzmöglichkeiten entweder der Industrie vorbehalten oder für Ausnahmesituationen gedacht sind. Wie steht es um Technologien, die dringende Probleme der Gegenwart lösen?
Holliecares: Zukunft der Pflege?
Hier kommt "Holliecares" ins Spiel. Ein Roboter, der bereits im Städtischen Klinikum Karlsruhe getestet wurde. Er soll einige Aufgaben des Pflegepersonals künftig übernehmen. "Um es von vorneherein klarzustellen: Es geht niemals darum, Menschen oder Berufe zu ersetzen", sagt Mangler. "Für den feinfühligen Umgang mit Patienten braucht es Menschen und die soll Hollie unterstützen und entlasten."

Die Frage: Wie kann Hollie helfen? Und was steckt dahinter? Hierzu verweist Mangler auf den beim "Open House" anwesenden Kollegen Martin Schulze, der die Projektleitung zu Hollies Werdegang übernommen hat. "Information und Transport sind derzeit ihre Hauptaufgaben", sagt dieser.

"Hollie kann zum Beispiel den Patiententransport übernehmen; Rollstühle oder Betten schieben, was dem Pflegepersonal an einem Arbeitstag meist viel Zeit und Energie raubt, die es aufgrund der Mangelbesetzung nicht hat", so Schulze. "Hierzu kann sie die Räumlichkeiten kartographieren und dank ihrer Laserscanner Objekte erkennen und Zusammenstöße vermeiden."
Informationsspeicher und Transporthelferin
Zur Not könne man Hollie auch per Schaltknüppel oder Tablet steuern. Eine Sprachsteuerung für verbale Anweisungen habe sie zwar nicht, dafür könne sie Informationen verarbeiten und befugtem Personal wiedergeben.

"Sie speichert die Krankenhausdaten der jeweiligen Patienten, sodass das menschliche Personal sie abrufen kann und weniger Zettelwirtschaft hat." Zum Schluss biete Hollie für den Patienten Bewegungsübungen und Krankengymnastik an.
Wie steht es mit dem Datenschutz?
"Dabei kann sie den Patienten die Übungen über einen Bildschirm auf ihrem Oberkörper vermitteln. Durch Kameras ist sie in der Lage, die Bewegungen der Patienten zu erkennen und kann auch Bescheid sagen, wenn etwas nicht geklappt hat." Gefilmt werden die Patienten dabei jedoch nicht.

"Wir nutzen eine sogenanntes 'Skeleton-Tracking', sodass Hollie die Patienten nur als Strichmännchen wahrnimmt. Der Datenschutz ist also gewährleistet", so Schulze. "Dieses System wollen wir in Zukunft noch ausarbeiten, sodass Hollie erkennen kann, ob ein Patient die richtigen Medikamente eingenommen hat."
Preislich befinde sich der Pflegeroboter im fünfstelligen Bereich. "Hollies Teile kommen aus aller Welt und wurden von uns zusammengebaut und verkabelt", nimmt Johannes Mangler das Gespräch wieder auf. "Es ist recht schwer, einen genauen Preis zu nennen, aber die Komponenten und der Arbeitsaufwand belaufen sich auf zirka 100.000 Euro."
Robotik im All: Die Zukunft der Satelliten aus Karlsruhe
Jedes dieser Beispiele hat gemeinsam, dass seine Anwendung auf der Erde stattfindet. Doch was, wenn man noch größer denkt und die Zukunft der Robotik auch jenseits der Erdatmosphäre ansiedelt? "Dafür haben wir das Projekt 'Recobot' für Satellitentechnik", erklärt Mangler am Schluss.

Die Idee, die dem Projekt "Recobot" vorschwebt, bestehe in einem neuen Konzept von Satelliten. "Einen Satelliten herzustellen ist sehr teuer und ihn ins All zu schießen wohl kaum nachhaltig. Immerhin wird der Satellit nicht mehr benutzt, wenn er überholt ist und fliegt nur noch durchs All", so Mangler. "Aber mal angenommen, man würde Satelliten aus Würfelsegmenten bauen."

In diesem Fall könne jedes Bauteil und jede Komponente in einem Würfel verbaut werden. "Der Satellit wird über einen integrierten Greifroboter von der Erde aus gewartet, die Würfel einsetzen und entfernen kann. So werden überholte Teile ausgetauscht und neue Technologien können an einem bereits aktiven Satelliten getestet werden, bevor gleich ein neuer konstruiert und ins All geschickt wird", sagt der Experte.

Der beschriebene Greifroboter könne innerhalb der Schwerelosigkeit dreidimensional am Würfelsatelliten operieren. Über Schnittstellen wird der Satellit damit dekonstruiert und bei Bedarf neu konfiguriert.

"Wir arbeiten seit 2012 daran und da noch viele Fragen ungeklärt sind und wir momentan eher begrenzte Geldmittel dafür haben, wird es wohl noch zehn bis 15 Jahre dauern, bis diese Technologie ins All geschossen wird", sagt Mangler. Wie bei vielen anderen Robotik-Projekten lasse die Zukunft also noch etwas auf sich warten.

