Auf den ersten Blick wirkt Felix ausgelassen und zufrieden. Wer dem jungen Mann in Karlsruhe auf der Straße begegnet, der bemerkt nichts Ungewöhnliches. Bis zu dem Moment, indem Felix seinen Vaporisator zückt. Das bringt Felix häufig in Erklärungsnot - oftmals auch gegenüber der Polizei.

"Der Höhepunkt meiner negativen Erfahrungen war wohl ein Besuch in Bayern", berichtet Felix. Dort sei ihm bei einer Kontrolle durch Polizeibeamte in der Landeshauptstadt München das Auto abgenommen worden - wegen Cannabis in den Taschen.
Cannabis-Albtraum in München
"Ich war alleine und hatte nur mein Rezept dabei. Das hat die Polizisten jedoch nicht überzeugt", erklärt er gegenüber der Redaktion. Das Ergebnis: Felix Auto wurde stillgelegt, danach folgte eine Blutabnahme auf dem Revier. Der Führerschein wurde ebenfalls einkassiert - rechtlicher Beistand musste her.

"Ich habe mich dann mit einem Anwalt kurzgeschlossen - das kostete mich 700 Euro", erzählt der Patient. 2.500 weitere Euro musste Felix für die Führerscheinstelle aufbringen. Aber immerhin: "Sieben Stunden später hatte ich meinen Autoschlüssel wieder zurück. Heute bin ich rechtsschutzversichert", scherzt er.
Für solche Fälle gäbe es kein "Rezept" - kein etabliertes Vorgehen oder Vorgaben. "Daran kann nur eine umfassende Aufklärung und ein gelungener Gesetzesentwurf im Hinblick auf die Legalisierung etwas ändern", meint Felix.
Autofahren trotz Cannabis?
Der Klärungsbedarf zeige sich schon jetzt im Straßenverkehr, erklärt der Cannabis-Patient. "Ich darf rechtlich gesehen auch beim Autofahren meine Medizin zu mir nehmen." Einen zulässigen THC-Schwellenwert gebe es dabei nicht, sagt Felix. "Ob ich fahren kann oder nicht, obliegt gänzlich meiner Selbsteinschätzung."

Eine regelmäßige Überprüfung dieser Eigenschaft, welche für die Medikation mit Cannabis unerlässlich sei, werde durch die behandelnden Ärzte vorgenommen, meint Felix. "Das gibt den Patienten sehr viel Eigenverantwortung, um eine erfolgreiche Therapie zu erzielen."
Ob das auch nach der Legalisierung so bleibt, erwarte er mit Spannung und Sorge. Auch in Hinblick auf die sogenannten "Sperrzonen", in denen der Konsum künftig gänzlich untersagt werden soll, erklärt Felix. Für ihn als Cannabis-Patient ein weiterer potenzieller Ort für Konflikte.
Darf man als Cannabis-Patient überall kiffen?
Cannabis zu sich nehmen, darf Felix überall da, wo Rauchen auch gestattet ist. "Sofern das Hausrecht nichts Gegenteiliges vorschreibt und sich niemand gestört fühlt, kann ich meine Medizin jederzeit zu mir nehmen", erklärt er.

Bisweilen schwierig sei die Auseinandersetzung mit Sicherheitskräften. "So wurde mir beispielsweise der Einlass in Clubs oder aufs Festivalgelände verwehrt - trotz Rezept im Geldbeutel", erklärt Felix. Die Veranstalter machten in diesen Fällen von ihrem Hausrecht gebrauch, und das sei in gewisser Weise nachvollziehbar. "Sie wollen Cannabis-Missbrauch verhindern", weiß Felix.
Tatsächlich sei es selten, dass sich vorbeiziehende Passanten oder Gäste im Biergarten bei ihm beschwerten, meint Felix. Schließlich entstehe bei seinem Konsum weder Rauch noch störender Geruch. "Ich konsumiere meine Medizin nur über einen Vaporisator: Da kommt sehr dünner THC-Dampf raus - und der riecht nicht so intensiv", erklärt er.
Als Joint rauchen ist tabu
Für Felix ist der Konsum und Besitz von Cannabis erlaubt und ärztlich verschrieben. Seit etwa drei Jahren ist die Pflanze Teil seiner Therapie und fungiert als Medikament. "Ich bekomme das Cannabis in Blütenform - die zerkleinerten Pflanzenteile werden dann verdampft", sagt Felix.

Als herkömmlichen Joint darf Felix sein Cannabis nicht konsumieren. "Das wird nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise einer Pollenallergie gegenüber der Blüte erlaubt", sagt der Patient. Das sei jedoch äußerst selten. In der Regel würde ein medizinischer Vaporisator genutzt.
Wieso bekommt Felix Cannabis verschrieben?
Felix G. leidet unter dem sogenannten ADHS-Syndrom. Laut dem ICD-10 (Internationale Klassifizierung von Krankheiten durch die Weltgesundheitsorganisation) handelt es sich dabei um eine Krankheit, mit der häufig eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne, Desorganisiertheit sowie Impulsivität einhergeht. Dies hat mitunter gravierende Folgen für das Arbeits- und Sozialleben der Betroffenen, so die Diagnose.
Um Felix den Alltag zu ermöglichen, bekommt er deshalb von seinem Psychiater Cannabis verschrieben. 26. Gramm pro Monat - 0,8 Gramm am Tag, je vier Einzeldosen.

Die regelmäßige Einnahme seiner Medizin sei entscheidend für den Erfolg der Therapie, so Felix. "Wichtig dabei ist, die Obergrenze von 0,8 Gramm nicht zu übersteigen", sagt er. In diesem Fall werde das THC nicht korrekt abgebaut und die eingependelte Toleranz gerate ins Wanken.
Cannabiskonsum und Arbeit - wie geht das?
Dennoch greift der Patient auch in akuten Situationen zu seiner Medizin. "Das heißt für mich: in Stresssituationen. Zum Beispiel, wenn ich mich auf der Arbeit stark konzentrieren muss", sagt er. Er arbeite dann zwar in der Regel etwas langsamer, dafür allerdings gründlich und bringe Aufgaben fokussiert zum Abschluss.

Cannabis spielt für Felix Arbeitsalltag eine doppelte Rolle. Zum einen arbeitet der Karlsruher als Teilhabender Gesellschafter bei dem medizinischen Cannabis-Unternehmen Lexamed. Zum anderen kann er auf Arbeit häufig nicht auf sein Medikament verzichten.
"Beim Beantworten von Mails steht mir mein ADHS beispielsweise im Wege. Schließlich sollte ich keine fünf Mails gleichzeitig beantworten, sondern strukturiert und nacheinander", meint Felix. Das Cannabis bringe seinen Fokus wieder auf die jeweilige Aufgabe zurück. Dasselbe gelte für Kundengespräche.

Als Cannabis-Patient und Gesellschafter ist Felix für Aufklärung, Berichterstattung und strategische Marktausrichtung bei Lexamed verantwortlich. "Meinen eigenen Cannabisgebrauch nehmen meine Teamkollegen und Geschäftspartner sehr entspannt. Sie wissen, dass es meine Medizin ist und dass ich sie verantwortungsvoll einsetze", erklärt Felix.
Wieso Cannabis, anstatt einer anderen Medizin?
Trotz des zunehmenden Bekanntheitsgrads der Pflanze war Felix Weg zur Cannabis-Medikation ein langer. So auch seine Geschichte mit der Diagnose ADHS.
"Die ersten Einträge einer Auffälligkeit gab es durch den Kinderarzt - im Alter von sechs Jahren. Ein Jahr später war ich das erste mal in Psychotherapie", erklärt Felix. Felix wird auf Medikamente eingestellt, um die Krankheit in den Griff zu bekommen.

"Anfangs wurde viel herumprobiert. Ich bekam Medikinet, Ritalin und ähnliche Medikamente", so Felix. Hinzu kamen Psychotherapie und Ergotherapien. Nichts davon schlägt bei ihm richtig an.
"Die Medikation wurde häufig angepasst und ich habe weitere Medikamente bekommen, um die Nebenwirkungen zu behandeln", erklärt der Patient. All das habe sein Leben mit der Krankheit kaum erleichtert. Die Suche nach einer Alternative beginnt.
Der Weg zur Cannabis-Therapie
Mit Cannabis kam Felix eher zufällig im Jugendalter in Berührung. "Ich habe die Wirkung gespürt und das hat meine Neugier entfacht, mich mit einer möglichen Cannabis-Therapie auseinanderzusetzen", sagt er. Fündig wurde er zunächst in Ulm - vor wenigen Monaten dann in Karlsruhe.

"Ich habe über das Internet recherchiert und bin dann ein viertel Jahr gependelt," meint Felix. Bis zum Start der Therapie habe er jedoch einen erbitterten Kampf mit Zurückhaltung von Ärzten und der Krankenkasse geführt.
"Vor der Medikation mit Cannabis schrecken noch viele Ärzte zurück. Nicht nur, weil Langzeitstudien zum Therapieerfolg rar sind, sondern auch, weil die Kostenübernahme durch die Kassen schwierig ist", erklärt Felix im Gespräch mit ka-news.de.

Lange Zeit habe er seine Medizin eigenständig bezahlen müssen. Nun ist Felix Privatpatient. "Das ermöglicht mir die volle Kostenübernahme und somit auch die Medikation mit höherpreisigen Cannabisblüten", meint er.
Was unterscheidet die Medizin von der Genussdroge?
Die Wirkung sei das einzig relevante, erklärt Felix. Dafür trage eine gleichbleibende Dosis des richtigen Verhältnisses aus Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) Sorge. "Dieses bestimmt der Arzt anhand der Krankheitssymptome und Behandlung", sagt der Patient.

Für die akute Situationen hat Felix deshalb eine vergleichsweise hochkonzentrierte Blüte (25/30 Prozent THC) zur Hand. "Für den Alltag hingegen nutze ich eine schwächere Blüte mit lediglich 17 Prozent". Der Effekt sei deutlich geringer - kein Vergleich zum gemeinhin bekannten "Rausch".
"Als Cannabispatient geht es mir weder um den Geschmack, noch um das sogenannte 'High'", erklärt Felix. Sein Cannabis-Erlebnis über den medizinischen Vaporisator beschreibt der Patient wie folgt: "Es schmeckt wie Heu!"
Gras ist nicht gleich Gras
Um diese Funktionsweise sicherzustellen, unterliegen medizinische Cannabis-Unternehmen strengen behördlichen Kontrollen. "Für die medizinische Verwendung gelten klare Vorschriften und Standards, die eingehalten werden müssen, welche für das Genussprodukt nicht greifen", so Gabriel Ristea, Chef der Lexamed Group in Karlsruhe. Darunter fallen unter anderem Betäubungsmittel-Auflagen, sowie spezifische Reinheit- und Sicherheitsstandards.

Für den Kunden und die Patienten bedeuten die rechtlichen Hürden und Kontrollen: "Die Sicherheit auf qualitativ hochwertige und nach internationalen Standards hergestellte Medizin", meint der Fachmann. Außerdem seien die Vorlagen ein Garant für gleichbleibende THC und CBD Gehalte, sowie die Reinheit der Ware. Nur so könnten Ärzte eine gleichbleibende Dosis überhaupt verschreiben und die Behandlung überwachen.
Was bedeutet das für die Legalisierung?
Ähnlich strengen Auflagen wird sich künftig auch das legal erhältliche "Genuss-Cannabis" unterziehen. So werde die Verkaufs- und Anbau-Lizensierung von Unternehmen mit Vorgaben zu Qualität und Reinheit einhergehen, so der Gesetzesentwurf der Ampel-Koalition. Laut Felix G., eine Chance.

"So können künftig auch Genuss-Konsumenten ihr Cannabis mit einem THC/CBD-Gehalt erwerben, der ihren Bedürfnissen zusagt", meint der Cannabis-Patient. Ohne Verunreinigungen oder die Gefahr eines ungewollten Rauschs. Dadurch könne bewusster und kontrollierter konsumiert werden.
Was haben Patienten wie Felix von der Legalisierung?
"Sollte Cannabis aus der Liste für Betäubungsmittel (BTM) fallen, erleichtert dies wiederum die Finanzierung der Rezepte durch die Kassen", meint Lexamed-Chef Ristea. Eine Kostenübernahme wäre dann ähnlich wie bei Ritalin, Medikinet und Antidepressiva um eine Hürde erleichtert.

"Bisher ist die Hemmschwelle zu Cannabis als Medikament für behandelnde Ärzte auch deshalb hoch, weil es dem Betäubungsmittelschutzgesetz unterliegt", so der Lexamed-Chef. Die Legalisierung könnte dahingehend einen offeneren Umgang ermöglichen.
Darauf, dass sein Medikament auch künftig finanziert wird, sind Patienten wie Felix angewiesen. Ein Blick auf sein Rezept zeigt: Rund 260 Euro kostet die Monatsration. "Cannabis in den Mengen zu erwerben, in denen ich es brauche, ist ohne Kostenübernahme einfach zu teuer", sagt er. Deshalb werde er auch weiterhin auf seinen Arzt und die Apotheken angewiesen sein - und nicht zu den Social-Clubs rennen.
Ein Leitfaden zum Konsum muss her
Von der Legalisierung erhofft sich der Cannabis-Patient, dass die Rahmenbedingungen für den Konsum klar aufgestellt werden. "Sodass mein Cannabis-Besitz den nächsten Polizisten in München vielleicht nicht aus der Fassung bringt. Auch wenn ich vorerst keinen Fuß nach Bayern setzen werde."
Um Konfliktsituationen künftig zu minimieren, müsse der Gesetzesentwurf der Ampel flexibel sein, meint Felix. So müssten allein für Patienten wie ihn die Fragen geklärt werden: Darf ein Patient seine Monatsdosis mit in den Club nehmen? Ist es Sicherheitspersonal gestattet, sie zu verwahren? Gilt der geplante zulässige THC-Gehalt im Blut beim Autofahren auch für ihn - und kriegen Polizeibeamte und Co. die Regelungen überhaupt umgesetzt?

"Es gibt noch viele Punkte für die Legalisierung zu klären und Erfahrungswerte von Konsumenten, Patienten, Ärzten, Bürgern und Unternehmen zu sammeln. Meine Geschichte bietet dahingehend hoffentlich einen Beitrag", sagt Felix.