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Karlsruhe: Unfall-Gaffer: Hat Karlsruhe ein Problem mit Schaulustigen?

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Unfall-Gaffer: Hat Karlsruhe ein Problem mit Schaulustigen?

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    Knipsen statt helfen: Gaffer werden immer häufiger zum Problem.
    Knipsen statt helfen: Gaffer werden immer häufiger zum Problem. Foto: Andrea Warnecke

    Es war eine tragische Szene: Anfang Mai kostete ein Unfall einen Motorradfahrer auf der B36 das Leben. Vor Ort war auch eine ka-news-Leserin, wie sie der Redaktion in einer Nachricht schreibt. Doch sie war nicht allein: "Wie so oft bei einem Unfall waren auch dort schnell viele Gaffer", schildert sie. 

    Einer habe dabei "den Vogel abgeschossen": "Er wurde auf der B36 schon von der Polizei weggeschickt und hat dann kurze Zeit später an der Ampel aus seinem dunklen BMW Fotos mit dem Handy gemacht. Auch da wurde er wieder von der Polizei weggeschickt, als ich diese darauf aufmerksam machte", so die ka-news-Leserin in einer Mail an die Redaktion. Abartig und unbegreiflich finde sie ein solches Verhalten. Gaffer - ein immer größer werdendes Problem in Karlsruhe?

    Smartphones kurbeln Sensationslust an

    Die Antwort auf diese Frage kennt Lothar Batschauer, Leiter des Autobahnpolizeireviers in Karlsruhe. Im Gespräch mit ka-news bestätigt er, dass Schaulustige den Beamten immer wieder Sorge bereiten. "Dadurch, dass heutzutage jeder ein Smartphone hat, beobachten wir solche Szenen gehäuft", meint der Experte. Während Menschenansammlungen in den Innenstädten nichts besonderes wären, würde man auf Schnellverkehrsstraßen immer wieder Gaffer feststellen.

    Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der ADAC. "Schaulustige und Gaffer an Unfallstellen gab es leider schon immer", so eine Sprecherin des ADAC Nordbaden auf Anfrage von ka-news, "im Zeitalter von Smartphone, Youtube und Co. hat das Phänomen jedoch eine neue Qualität erhalten."

    "Das ist brandgefährlich!"

    Zwar würden keine konkreten Zahlen für den Bereich Nordbaden vorliegen, aber es ist laut ADAC immer häufiger zu beobachten, dass Menschen anstatt zu helfen ungeniert den Unfallort und die Opfer mit dem Handy filmen und dabei auch die Rettungsmaßnahmen behindern. "Bei vielen Menschen tritt der Gedanke, helfen zu können, zurück hinter das Bedürfnis, durch schockierende Bilder Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erhalten", so die Sprecherin weiter.

    Was viele allerdings zu vergessen scheinen: Gaffen kann für einen selbst und andere gefährlich werden. "Vor allem auf Bundesstraßen oder Autobahnen werden Zuschauer zum Problem", meint Batschauer. Der Grund: Autofahrer, die für einen guten Schnappschuss abbremsen, behindern nach Angaben des Revierleiters durch die verlangsamte Fahrgeschwindigkeit den Verkehr - oder provozieren sogar Unfälle. "Das ist brandgefährlich", mahnt der Experte.

    Welche Folgen kann Gaffen haben?

    Beobachten die Beamten auffallend Schaulustige, greifen sie daher ein. In der Regel, so Batschauer, reicht bereits die Androhung eines Platzverweises, um Gaffer loszuwerden. Kommt der Zuschauer weder der mehrfachen Androhung noch einem ausgesprochenen Verweis nach, können dann sogar die Handschellen klicken. "In besonderen Fällen kann der Betroffene auch für die Dauer des gesamten Einsatzes in Gewahrsam genommen werden", erklärt Batschauer. Erst wenn man sichergehen könne, dass die Person den Einsatz nicht mehr störe, werde sie wieder entlassen.

    Aber auch gaffende Autofahrer müssen mit Konsequenzen rechnen. "Wer etwa auf dem Standstreifen anhält, um das Geschehen zu beobachten oder zu filmen, und dadurch den Rettungsweg blockiert, muss mit 30 Euro Geldbuße rechnen", warnt die ADAC-Sprecherin. Werden Rettungsmaßnahmen behindert, werden sogar 5.000 Euro Strafe fällig. Zusätzlich notieren die Karlsruher Beamten in späteren Unfallphasen Kennzeichen von Autofahrern, die durch ihre Sensationslust andere behindern oder gefährden.

    Härtere Strafen allein werden das Problem nach Ansicht des ADAC allerdings nicht lösen. "Die Polizei ist personell gar nicht in der Lage, die vielen Vergehen durch Gaffer zu ahnden", so die Sprecherin für Nordbaden. Der ADAC setzt daher mehr auf Überzeugungsarbeit. "Rasches Handeln am Unfallort ist dringend notwendig, kommt es doch oft auf die ersten Sekunden und Minuten nach einem Unfall an", erinnert die Sprecherin, "das müsste selbst Gaffern irgendwann einleuchten."

    So verhält man sich laut ADAC am Unfallort richtig:

    • Sichern Sie zunächst den Unfallort ab: Schalten Sie die Warnblinkanlage ein, legen Sie die Warnweste an und stellen Sie das Warndreieck im Abstand von 50 bis 150 Schritten hinter dem Fahrzeug auf.
    • Liegt die Unfallstelle hinter einer Kurve, muss das Warndreieck unbedingt vor der Kurve aufgestellt werden.
    • Gegebenenfalls Erste Hilfe leisten und Rettungsdienst rufen (Tel. 112)
    • Gibt es Verletze, so müssen diese, wenn es gefahrlos möglich ist, unbedingt versorgt werden. Wer keine Erste Hilfe leistet, kann sich unter Umständen sogar strafbar machen.
    • Erst nach der Ersten Hilfe den Rettungsdienst und die Polizei rufen.

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