Etwas fernab der Innenstadt von Karlsruhe, in der Gablonzer Straße 23-25, befindet sich ein sogenannter "BDSM-Shop"* namens "Baumwollseil.de".  Dass der Shop den Namen "Baumwollseil" trägt, kommt aber nicht von ungefähr. Zur Erläuterung ist ein Blick in die Vergangenheit nötig.

*Begriffserklärungen befinden sich in der unteren Bluebox.

Baumwollseil gesucht - Shop eröffnet

Michael und Sabine sind miteinander verheiratet und selbst in der BDSM-Szene seit vielen Jahren aktiv. Fesselspiele, sogenanntes Bondage, gehört für sie im Schlafzimmer mit dazu. Zur Jahrtausendwende suchen die beiden genau dafür das ideale Baumwollseil. Doch der Markt gibt in Deutschland nicht viel her. Nach langem Suchen, finden sie eine Firma, die diese Art von Seil herstellt. Die Bedingung: Sie müssen der Firma mindestens 100 Meter Seil abnehmen.

BDSM Shop Karlsruhe
Rot, grün, blau - oder alles? Die Seile können sich die Kunden vor Ort selbst zusammenstellen lassen. | Bild: Verena Müller-Witt

Kurz darauf präsentiert Sabine bei einem Bondage-Community-Treffen stolz ihre neueste Errungenschaft. Das Resultat: Die Community ist so begeistert und Sabine wird die überflüssigen Meter ihres neuen "Spielzeugs" los. So entfaltet sich die Idee, diese Art von Seil offiziell als Bondage-Seil in einem eigenen Geschäft zu verkaufen. 

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Zunächst als kleiner Shop in Grötzingen, wandert das Paar mit dem Geschäft 2017 in den westlichen Teil von Karlsruhe. Auf zirka 350 Quadratmetern gibt es von Analspielzeug bis Vibratoren alles, was das (Kinky)Herz begehrt. Auch Workshops für Spanking*, Kinky Sex* und Bondage werden dort regelmäßig angeboten. 

Das Konzept geht auf. Das Geschäft läuft gut, da es im Umkreis keinen vergleichbaren Shop gibt. Eigentlich will das Paar expandieren, aber die passende Immobilie in Karlsruhe fehlt. "Ist alles zu teuer", sagt das Paar. Doch apropos Paar: Wie ist es denn als Familie, so ein Geschäft zu betreiben?

Rollenspiele für Jung und Alt

Denn wie viele verheiratete Paare haben auch Michael und Sabine Kinder. Beide inzwischen erwachsen und 28 und 24 Jahre alt. Über die Arbeit der Eltern wissen die beiden bereits seit dem Grundschulalter Bescheid. 

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"Wenn Erwachsene Probleme haben, das ihren Kindern zu erklären, dann kann man das zum Beispiel mit Räuber und Gendarm oder anderen Rollenspielen vergleichen. Erwachsene machen das ja dann auch auf ähnliche Art und Weise. Für unsere zwei Söhne war die Erklärung jedenfalls akzeptabel", erklärt Sabine.

Im eigenen Haus seien sie stets diskret gewesen. "Da haben wir nicht überall Lack und Leder herumliegen lassen. Die normale Sexualität hält man ja auch hinter geschlossenen Schlafzimmertüren."

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Viel Auswahl "zum Spielen" | Bild: Verena Müller-Witt

Übernehmen will das Geschäft aber trotzdem keiner von beiden. "Der Jüngere hat Koch gelernt. Der Ältere hat zwar während seiner Studienzeit als Aushilfe bei uns gearbeitet, ist aber jetzt in Dubai bei Porsche. Er heiratet bestimmt mal ein Auto oder er findet ein Mädel, das ihm mehr gefällt", scherzt Michael. 

Karlsruhe prüde? Von wegen!

Doch trotz viel Akzeptanz seitens der Kinder, gab es auch unschöne Erlebnisse im Hause Pohl/Kraußer. Eine Lehrerin hatte in der Vergangenheit das Jugendamt eingeschaltet, als sie herausfand, welchen Beruf das Paar ausübte.

"Wir wurden dann zum Gespräch geladen, die Lehrerin und der Direktor waren dabei. Er hat dann aber gemeint, das sei Privatsache", erzählt Sabine. Auch das Jugendamt habe aus diesem Grund die Meldung schnell als erledigt einstufen können.  

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Michael und Sabine im Workshop-Raum von "Baumwollseil". | Bild: Verena Müller-Witt

Solche Situationen seien jedoch die Ausnahme, wie das Paar im Gespräch mit ka-news.de betont. Denn: Die Szene in Karlsruhe ist durchaus präsent - das zeigen schon die verschiedenen Telegram Gruppen mit mehreren Hundert Mitgliedern in sämtlichen Altersklassen. Das spiegelt sich auch bei den Kunden von "Baumwollseil" wieder - besonders bei den Workshops, die Michael meistens selbst durchführt. Das Wissen dazu hat er sich im Verlauf der Jahre selbst beigebracht.

Tipp vom Experte: "Macht langsam!"

"Du hast damals nichts gehabt. Kein Internet, kein Buch über Sex. Keiner hat irgendeine Ahnung gehabt, du hast dir damals alles selbst beibringen müssen. Heute würde man ja alles googeln. So hatte es aber wiederum den Vorteil, dass man sich intensiver mit dem Thema beschäftigt hat", sagt Michael. 

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Was wäre also der ultimative Tipp für BDSM-Einsteiger, neben dem Blick ins Internet? Auf diese Frage hat Michael eine schnelle Antwort parat: "Macht langsam!"

Für die ersten Schritte empfiehlt er die klassische Augenbinde. Denn durch die Einteilung in einen aktiven und einen passiven Part, sei der BDSM Bereich bereits erreicht. "Durch eine Augenbinde gebe ich dir die Möglichkeit, dich ganz auf die Berührung zu konzentrieren. Da muss kein Schmerz sein! Es reicht schon alleine der Gedanke, was passiert da, womit werde ich berührt?"

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Die passenden Outfits gibt es auch bei Baumwollseil.de. | Bild: Verena Müller-Witt

Dass Michael den Anfängern ein langsames Herantasten ans Herz legt, hat aber noch einen Grund. Denn vor allem in den sozialen Medien falle ihm auf, dass viele einen falschen Standpunkt bezüglich BDSM vertreten. Heißt: Grenzen bewusst überschreiten oder ignorieren, um die Dominanz zu verdeutlichen. Für Michael ein Unding. Eine klare Kommunikation zwischen beiden Parteien setze ein gutes Spiel* voraus. 

"Wenn dir niemand schenkt, dass du mit ihm/ihr spielen darfst, dann hast du gar nichts. Dann bist du ein König ohne Land. Ich sage den Leuten immer: sei dankbar, wenn du jemanden findest, mit dem du deine Träume finden und ausleben kannst". 

BDSM kurz und einfach erklärt:
Die Buchstaben stehen für Bondage, Discipline, Dominance, Submission, Sadism und Masochism. ( Deutsch: Fesseln, Disziplin, Dominanz, Unterwürfigkeit, Sadismus und Masochismus). Die Bandbreite der BDSM-Praktiken sind breit gefächert, beinhalten aber in der Regel einen aktiven und einen passiven Part, die miteinander interagieren.

Diese Praktiken können von spielerischen Fesselspielen bis hin zum Lustgewinn durch Schmerz reichen. Aber: Bei der Auslebung selbst muss es nicht unbedingt zum Sex kommen. Die Grenzen werden zumeist von dem devoten Part angegeben, für die eigene Sicherheit wird ein "Safeword" festgelegt. Sobald das Wort gesagt wird, wird abgebrochen. Die Ausführung der Praktiken werden auch als "Spiel" bezeichnet. 

Kinky Sex kurz und einfach eklärt: 
Eine Definition ist schwierig, da "Kinky Sex" im Grunde als Überbegriff sexueller, "versauter"  Praktiken fungiert, die von Kreativität und dem Ausleben der Fantasie geprägt sind. Salopp gesagt: Fernab vom Blümchensex. BDSM kann als eine Teilkategorie davon angesehen werden. 

Spanking kurz und einfach erklärt: 
Spanking bedeutet aus dem Englischen so viel wie hauen oder verhauen. Im sexuellen Kontext zielen die Schläge meistens auf den Po ab, aber auch Geschlechtsorgane oder Oberschenkel können ins Spanking mit einbezogen werden. Neben den Händen kann das Spanking auch durch andere Objekte wie zum Beispiel Peitschen, Reitgerten oder zum Beispiel durch einen Kochlöffel durchgeführt werden.
 
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