Vielleicht entspricht es nicht ganz der historischen Wahrheit, dass Prostitution das älteste Gewerbe der Menschheit ist. Nichtsdestotrotz zeigen sich die Probleme, mit denen Prostituierte seit antiken Zeiten konfrontiert werden, als erstaunlich beständig: Hygiene, ein sauberes Umfeld, Sicherheit und die Möglichkeit zur Vernetzung. Probleme, die noch immer zu präsent sind, findet Lüppo Cramer, Stadtrat der Karlsruher Liste (Kal).

"Die Situation für Prostituierte ist auch hier in Karlsruhe schon seit Langem kein angemessenes Arbeitsumfeld", so Cramer. "Wir beabsichtigen aber, die Frauen nicht alleine zu lassen. Deshalb wird die gemeinsame Fraktion der Karlsruher Liste und der Partei am kommenden Dienstag einen Antrag vor den Gemeinderat bringen, um die Rechte und die Sicherheit von Prostituierten zu schützen."
"Gute Arbeitsbedingungen für Prostituierte"
Vor allem innerhalb der Stadtverwaltung sehe die Fraktion der Karlsruher Liste Handlungsbedarf. "Wir beantragen zunächst einmal die Gründung eines Arbeitskreises 'Straßenprostitution'. Darauf aufbauend möchten wir die Wünsche und Bedürfnisse der Frauen umsetzen und ihnen einen sicheren Arbeitsplatz ermöglichen. Die Bereiche der Prostitution sollten hell, gut gekennzeichnet und sauber sein."

Weiterhin sollten den Frauen "Arbeitsnischen" zur Verfügung gestellt werden, damit "die Dienstleistungen auch vor Ort und nicht nur im Auto stattfinden können". Des Weiteren sei ein 'Frauencafé' in Planung, in dem die Sexarbeiterinnen mit Getränken, Essen, Toiletten, Duschen und Beratung unterstützt werden. "All dies dient einer menschenwürdigeren Arbeit für den Berufszweig der Prostituierten", so Cramer weiter.
"Es gibt bereits einen Arbeitskreis"
Tatsächlich veröffentlichte die Stadt bereits jetzt eine Stellungnahme zu diesem Thema und zeigt sich dabei auch als durchaus aufgeschlossen gegenüber verstärkten Hilfeleistungen für Prostituierte.
"Die Istanbul-Konvention verpflichtet alle staatlichen Ebenen, Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Frauen in der Prostitution sind besonders vulnerabel. Maßnahmen, die die Arbeit von Frauen in der Straßenprostitution sicherer machen, werden daher von der Verwaltung begrüßt", heißt es in der Stellungnahme.

Einen neuen Arbeitskreis halte die Stadt aber für unnötig. "Es existiert bereits mit der 'Fachgruppe Prostituiertenschutzgesetz' ein Arbeitskreis, der sich mit der Thematik befasst", so das Statement der Verwaltung. Allerdings sei diese Fachgruppe nach Meinung von Stadtrat Cramer Teil des Problems.
"Wir wollen die Frauen mit einbeziehen"
"Natürlich sind wir uns der Existenz der Fachgruppe bewusst. Allerdings arbeiten sie uns erstens nicht regelmäßig genug und zweitens ist sie dem Land unterstellt und arbeitet nur theoretisch - abgekapselt vom realen Arbeitsalltag der Prostituierten hier in Karlsruhe", erklärt Cramer.
Zwar bestätigt die Fachgruppe auf Nachfrage der Redaktion, dass nur wenig Kontakt zu Betroffenen bestehe, an einer Zusammenarbeit wäre die Fraktion aber dennoch interessiert. "Natürlich wären wir auch gerne bereit, die Fachgruppe des Schutzgesetzes in Karlsruhe einzubinden", führt Cramer fort. Allerdings habe die Fraktion einen anderen Verband im Blick, mit dem das Vorhaben umgesetzt werden soll.

"Wir wollen mit Menschen statt mit Konzepten arbeiten und die Frauen auf dem Straßenstrich wirklich zu Wort kommen lassen. Deshalb möchten wir mit der Diakonie Karlsruhe zusammenarbeiten, die mit Ihrer Beratungsstelle 'Luise' schon seit Jahren Hilfsangebote für Prostituierte unterbreitet. Die Diakonie pflegt außerdem den Kontakt zu den Frauen und zu deren Wünschen", berichtet der Stadtrat im Gespräch mit ka-news.de.
"Wir bieten akzeptierende und wertschätzende Beratung"
Auf Nachfrage der Redaktion werden Cramers Aussagen auch von der Diakonie bestätigt. "Seit 2014 bietet das Programm 'Luise' Frauen in der Prostitution, aber auch weiteren betroffenen Personen, niederschwellige, akzeptierende und wertschätzende Beratung an. Diese ist anonym und kostenlos. Wir arbeiten ergebnisoffen und finden individuelle Lösungen für jede Frage. Eine der Lösungen ist der Ausstieg aus der Prostitution", sagt der Direktor der Diakonie, Wolfgang Stoll.

"Die Wünsche, die auf dem Karlsruher Straßenstrich tätige Frauen innerhalb des 'Luise'-Programms geäußert haben, decken sich nahezu exakt den Vorschlägen der Karlsruher Liste. Insofern begrüßen wir natürlich den Antrag der Fraktion."
Situation der Frauen hat sich verschlechtert
Laut Stolls Aussage wünschen sich die Frauen auf dem Karlsruher Straßenstrich vor allem Sicherheit - auch in Bezug auf die grundlegendste Versorgung. Mit anderen Worten: Wohnraum, Nahrung und medizinische Versorgung.
"Die Arbeit auf dem Straßenstrich, so wie sie aktuell stattfinden muss, ist menschenunwürdig. Das nehmen die Frauen auch so wahr. Sie können nicht einmal auf die Toilette gehen, sind gewalttätigen Freiern ausgeliefert und vieles mehr", so seine Worte.

"Während der Corona-Pandemie hat sich - auch aufgrund der Schließung der Prostitutionsstätten - die Situation vieler Frauen verschlechtert und es gab eine stärkere Verschiebung der Themen in Richtung existenzieller Lebensstandards. All das nahmen wir direkt von den Prostituierten auf", erklärt der Diakoniedirektor.
Entscheidung im Gemeinderat am 27. September
Direkt zu Wort meldete sich gegenüber ka-news.de allerdings keine der betroffenen Frauen. Auch die Diakonie konnte dahingehend keine Kontakte vermitteln. Dennoch rechne Stoll damit, dass der Antrag der Karlsruher Liste das Potenzial habe, den Arbeitsalltag im Karlsruher Rotlichtviertel sicherer und hygienischer zu gestalten. Natürlich müsse er dazu erst angenommen werden.

"Ich bin aber zuversichtlich, dass sich eine Mehrheit findet, die diesem Antrag zur Gemeinderatssitzung am Dienstag zustimmt", sagt Cramer dazu. "Immerhin hat die Stadtverwaltung selbst den Antrag auch begrüßt - vielleicht wird sich die Situation für Prostituierte in Karlsruhe also schon bald bessern."
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