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Karlsruhe: "Rhein-Kontrolle" von Menschenhand oder notwendige Maßnahme? Der Hochwasserschutz am Rhein bei Karlsruhe polarisiert

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"Rhein-Kontrolle" von Menschenhand oder notwendige Maßnahme? Der Hochwasserschutz am Rhein bei Karlsruhe polarisiert

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    Sehr viel mehr wird es zum Glück nicht: Der Rhein - hier bei Zons in Nordrhein-Westfalen - hat seinen Höchststand erreicht. Foto: Federico Gambarini
    Sehr viel mehr wird es zum Glück nicht: Der Rhein - hier bei Zons in Nordrhein-Westfalen - hat seinen Höchststand erreicht. Foto: Federico Gambarini Foto: dpa

    1982 wurde im so genannten Integrierten Rheinprogramm (IRP) festgeschrieben, das am Oberrhein 13 Hochwasserrückhalteräume geschaffen werden sollen, um natürliche Überflutungsflächen zurückzugewinnen, diese für den Hochwasserschutz zu aktivieren und um naturnahe Auen zu entwickeln.

    Altrhein bei Dettenheim
    Altrhein bei Dettenheim Foto: Heike Schwitalla

    Drei dieser Maßnahmen befinden Landkreis Karlsruhe: Der Polder Rheinschanzinsel zwischen Philippsburg und Oberhausen-Rheinhausen, der seit 2015 in Betrieb ist und ein Rückhaltevolumen von 6,2 Millionen Kubikmetern hat, der in einem frühen Planungsstadium befindliche Rückhalteraum Elisabethenwört bei Dettenheim, mit einem Rückhaltevolumen von 11,9 Millionen Kubikmetern und der Polder Bellenkopf/Rappenwört, der auf den Gemarkungen Karlsruhe, Rheinstetten und Au am Rhein liegt und ein Rückhaltevolumen von etwa 14 Millionen Kubikmetern bieten soll.

    Es wird Jahrzehnte dauern, bis der Hochwasserschutz komplett ist

    Beide noch in der Planung befindlichen Maßnahmen stehen in der Kritik. Obwohl sich alle Beteiligten einig sind, dass Hochwasserschutz sinnvoll und notwendig ist, scheint man darüber, wie dieser auszusehen hat, keinen Konsens zu finden. Sind es beim Projekt Bellenkopf/Rappenwört vor allem die massiven Eingriffe in die Umwelt, die temporäre Flutung des beliebten Ausflugsziels Fermasee und eine rund vier Meter hohe stählerne Spundwand, die das Karlsruher Rheinstrandbad während der als notwendig erachteten ökologischen Flutungen schützen soll, so fordern die Bürger und Kommunalpolitiker in Dettenheim unbedingt einen Polder, statt einer Dammrückverlegung, die die Insel Elisabethenwört in ein natürliches Überflutungsgebiet verwandeln würde.

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    Foto: Pauline Roßbach

    Polder oder Dammrückverlegung - daran scheiden sich die Geister

    Ein Polder geht – nach Ansicht vieler Experten – immer einher mit so genannten ökologischen Flutungen, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn der Rückhalteraum nicht auf natürliche Weise geflutet wird. "Der Einsatz von Hochwasserrückhalteräumen zum Schutz der Unterlieger wird statistisch nur etwa alle zehn Jahre oder seltener erforderlich. Finden in den Jahren dazwischen keine Flutungen statt, kann sich die für Auen und deren Lebensgemeinschaften charakteristische dynamische Stabilität nicht einstellen. Dies wird erst durch die regelmäßig in Abhängigkeit vom natürlichen Abflussgeschehen im Rhein durchzuführenden Ökologischen Flutungen gewährleistet", schreibt das Regierungspräsidium dazu.

    Kritiker fühlen sich nicht ernst genommen

    Einmal sind es zu große, einmal zu wenig wirksame Eingriffe in die Natur, die die Bürger beunruhigen – Kritiker gibt es immer, aber in Sachen Hochwasserschutz scheinen die Fronten besonders verhärtet und die Meinungsäußerungen besonders emotional. So gab es unlängst bei einer Bürgerinformationsveranstaltung zum Rückhalteraum Elisabethenwört in Rußheim sogar einen "Gelbwestenprotest" der Polder-Befürwortet, die sich vom Regierungspräsidium und vom Land nicht ernst genommen fühlen.

    Sie sehen sich sogar als "Menschen zweiter Klasse", weil Rheinstetten und Karlsruhe einen Polder bekommen, Dettenheim jedoch nicht. Das Regierungspräsidium argumentiert mit wesentlich geringeren Eingriffen in die Natur, den kleineren Auswirkungen für die Bürger und den geringeren Kosten, außerdem benötige man in Elisabethenwört schlicht keinen Polder, um das im IRP vorgegebene Rückhaltevolumen zu erzielen.

    Gelbwestenprotest bei der Bürgerinformation zum Hochwasserschutz bei Dettenheim
    Gelbwestenprotest bei der Bürgerinformation zum Hochwasserschutz bei Dettenheim Foto: Heike Schwitalla

    Dennoch wollen die Dettenheimer einen Polder - möglichst ganz ohne ökologische Flutungen, da sie finden, diese seien zum Erhalt der Natur bei Elisabethenwört nicht nötig. Sie finden auch den Ist-Zustand der Natur dort erhaltenswert, das Argument zum Erhalt oder der Erweiterung der Auenlandschaften interssiert sie nicht.

    Von Menschenhand gesteuerte "Rhein-Kontrolle"?

    Die gravierenden Baumaßnahmen und massiven Eingriffe in die Natur, die ein Polder immer mit sich bringt, bemängeln die Kritiker des Projekts Bellenkopf/Rappenwört. Auch die Tatsache, dass ein Polder von Menschenhand – per "Knopfdruck" geöffnet und geschlossen werden kann oder muss, ist in den Augen der Kritiker ein Problem. Technik ist anfällig für Fehler, menschliches Versagen im Ernstfall nicht auszuschließen, außerdem ist die Instandhaltung wesentlich kostspieliger als bei einer Dammrückverlegung und den damit verbundenen natürlich gesteuerten Flutungen.

    Eine Dammrückverlegung gibt zudem der Natur die Chance, die am Rhein heimischen Auenlandschaften natürlich zu entwickeln. Dagegen steht der – nach Meinung der Befürworter – der wesentlich wirkungsvollere Hochwasserschutz eines Polders. Sie sagen, dass sich auch die Schnakenplage mit einer Polderlösung besser kontrollieren lasse, er schütze zudem vor möglichen Katastrophen wie chemischen Wasserverunreinigungen, denen man bei einem natürlichen Flutraum schutzlos ausgeliefert wäre. 

    Hochwasser am Rhein
    Hochwasser am Rhein Foto: Archiv/Wiedmann

    Beide Varianten haben also ihre Vor- und Nachteile, am Ende können nur die Experten entscheiden, welche Lösung für welches Projekt die beste ist. Das Vertrauen in deren Meinung ist jedoch gerade bei den Kritikern immer besonders gering. Tatsache ist aber auch, dass jede Art der Verschleppung oder Verzögerungen des Verfahrens dafür sorgt, dass die Region den drohenden Hochwassern ohne adäquaten Schutz ausgeliefert sein wird.

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