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Karlsruhe: NS-Vergangenheit und Anzeige: Wer steckt hinter der Protestaktion?

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NS-Vergangenheit und Anzeige: Wer steckt hinter der Protestaktion?

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    NS-Vergangenheit und Anzeige: Wer steckt hinter der Protestaktion?
    NS-Vergangenheit und Anzeige: Wer steckt hinter der Protestaktion? Foto: Thomas Riedel

    In einer Pressemitteilung vom selben Tag erklärt die Gruppe den Hintergrund des Protests. Das Banner-Zitat stamme demnach aus einem Gestapo-Bericht aus dem Jahr 1937, in dem dem Unternehmen eine besonders regimekonforme Führung attestiert worden sei. Die Karlsruher Polizei bestätigte ka-news.de telefonisch, dass es zu einer Protestaktion auf dem Werksgelände kam.

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    Foto: Thomas Riedel

    3. Juni, 7.20 Uhr: Wer ist "Nachhilfe für Nazis"?

    Die Protestaktion auf dem Firmengelände der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG am 2. Juni wurde vom Aktionsbündnis "Nachhilfe für Nazis" durchgeführt. Das Bündnis hatte sich nach eigenen Angaben am 16. Januar gegründet – als Reaktion auf Wahlkampfflyer der Karlsruher AfD. Diese sogenannten "Abschiebetickets" sorgten bundesweit für Kritik und führten zu einer Resolution des Karlsruher Gemeinderats gegen die Wahlkampfaktion der AfD. Mit der Aktion "Bildungs-Tickets für den Besuch einer KZ-Gedenkstätte" startete das Bündnis seinen ersten Protest.

    Da es sich bei "Nachhilfe für Nazis" um keine feste Organisation handelt, lasse sich keine genaue Mitgliederzahl nennen, erklärt das Bündnis auf Anfrage von ka-news.de: "Prinzipiell darf jeder im notwendigen Kampf gegen Rechtsextremismus das Label 'Nachhilfe für Nazis' verwenden." Man sei eng mit anderen Karlsruher Protestgruppen vernetzt und habe sich auch deshalb entschieden, sich mit den von der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG angezeigten Gegendemonstrierenden zu solidarisieren.

    Auf die Frage, ob weitere Aktionen in Karlsruhe geplant seien, erklärt das Bündnis gegenüber ka-news.de: "Wir planen derzeit sogar, das Nachhilfe-Angebot in Karlsruhe noch auszubauen."

    14.30 Uhr: Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit zum Firmenjubiläum 2016

    Auf Anfrage der ka-news.de-Redaktion teilt eine Sprecherin des Unternehmens mit, dass die NS-Vergangenheit der Firma seit 2016 transparent aufgearbeitet worden sei. Die Arbeit der Wissenschaftler um Professor Christoph Friedrich habe das Unternehmen intensiv unterstützt: "Das im Jubiläumsjahr erschienene Buch '150 Jahre Dr. Willmar Schwabe' enthält ebenfalls ein Kapitel über das Unternehmen im Dritten Reich. Das Buch wurde seither in vierstelliger Auflage verbreitet", so die Sprecherin weiter.

    Die von den Aktivisten erhobenen Vorwürfe kann die Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG nicht nachvollziehen. Man kehre keineswegs der Zivilgesellschaft den Rücken, wie behauptet werde, sondern nehme lediglich das Recht wahr, Personen anzuzeigen, die sich am 9. November unbefugt im firmeneigenen Parkhaus aufgehalten und dort eine Wand mit Graffiti beschädigt hätten: "Videomaterial unserer Überwachungskameras deutet zudem darauf hin, dass die Personen dort Vorbereitungen für weitere Straftaten getroffen haben. Darüber hinaus wurden unsere Gebäude mit weiteren Graffiti besprüht – auch in diesen Fällen haben wir Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet und Strafantrag gestellt."

    11 Uhr: Unternehmen äußert sich zu Vorwürfen und kritisiert Darstellung der Aktivisten

    In einer Pressemitteilung vom selben Tag nimmt die Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG Stellung zu den Vorwürfen, die von Aktivistinnen und Aktivisten gegen das Unternehmen erhoben wurden. Darin stellt die Firma klar, dass die Anzeige gegen mehrere Gegendemonstrierende am 9. November nicht ausschließlich wegen des unbefugten Aufenthalts im firmeneigenen Parkhaus gestellt wurde.

    Demonstration in Durlach am 9. November 2024.
    Demonstration in Durlach am 9. November 2024. Foto: Marius Nann

    "In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang wurde die Außenwand des Parkhauses durch eine Farbschmiererei beschädigt. Wir haben von unserem Recht Gebrauch gemacht, diesen Vorfall anzuzeigen", erklärt eine Unternehmenssprecherin. Die Anzeige richte sich demnach nicht gegen friedlich protestierende Personen.

    Auch zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit des Unternehmens nimmt Schwabe Stellung: "Wir distanzieren uns klar und uneingeschränkt von jeglicher Form rechtsextremen oder autoritären Gedankenguts." Die eigene Rolle während der NS-Zeit habe man aufgearbeitet und wissenschaftlich publiziert, heißt es weiter.

    Das Unternehmen ruft dazu auf, den gesellschaftlichen Diskurs sachlich und differenziert zu führen: "Pauschale Vorverurteilungen und geschichtsverfälschende Aussagen helfen niemandem weiter."

    10.30 Uhr: Was ist dran an den Vorwürfen?

    In der Pressemitteilung der Gruppierung "Nachhilfe für Nazis" wird auf eine Publikation von Christoph Friedrich verwiesen. Der emeritierte Professor für Geschichte der Pharmazie und Medizin an der Philipps-Universität Marburg hat sich darin ausführlich mit der Unternehmensgeschichte der Durlacher Firma beschäftigt.

    Friedrich und seine Co-Autoren stellten fest, dass die damaligen Unternehmensleiter, die Brüder Schwabe, Mitglieder der NSDAP waren. Im historischen Kontext sei das jedoch keineswegs ein Einzelfall gewesen. Auch ein Gestapo-Bericht vom 15. März 1937 wird in der Abhandlung behandelt. Die darin vorgenommene Einstufung der Firma als "im nationalsozialistischen Sinne geführt" – auf die sich die heutige Aktion der Aktivisten bezieht – lässt sich demnach historisch belegen. Doch auch hier war die Durlacher Firma bei weitem nicht das einzige Unternehmen, das von der Gestapo so kategorisiert wurde.

    2. Juni, 8.30 Uhr:  Hintergrund der Kritik: Anzeige gegen Gegendemonstranten

    Warum richtet sich die Aktion gerade jetzt gegen das Unternehmen? Laut "Nachhilfe für Nazis" geht die Kritik auf eine Anzeige zurück, die das Unternehmen im Jahr 2024 gegen mehrere Gegendemonstranten gestellt habe. Diese hatten sich am 9. November im Parkhaus des Firmengeländes aufgehalten.

    Demonstration in Durlach am 9. November 2024.
    Demonstration in Durlach am 9. November 2024. Foto: Paul Needham

    An diesem Tag marschierten in Durlach mehrere rechtsextreme Gruppierungen, deren Route direkt am Gelände der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG vorbeiführte. Die im Parkhaus angetroffenen Aktivisten wurden von der Polizei beschuldigt, die Demonstration blockieren zu wollen.

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    Foto: Thomas Riedel

    Daraufhin habe das Unternehmen Anzeige gegen die Gegendemonstranten erstattet. Laut Pressemitteilung der Aktivistengruppe droht den Betroffenen nun eine Geldstrafe in Höhe von 18.800 Euro. Dies sei der Anlass für die aktuelle Aktion, heißt es weiter: "Damit knüpft die Firma Willmar Schwabe an ihre Vergangenheit an."

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