Mit den als Flugtickets gestalteten Flyern erregte die Karlsruher AfD vor der Bundestagswahl im Februar 2025 Aufmerksamkeit. Die "Abschiebetickets" seien verteilt und in Briefkästen geworfen worden – dafür hagelte es mehrere Anzeigen und viel Kritik.
Die Staatsanwaltschaft stellte die jedoch Verfahren ein, da sie keine relevanten Paragrafen der Volksverhetzung oder der Beleidigung verletzt sah.

Gemeinderat will Zeichen setzen
Aus diesem Grund wollen einige Fraktionen (SPD, Grüne, CDU, Linke, Volt, KAL, die Partei) aus dem Karlsruher Gemeinderat ein Zeichen gegen die Wahlkampfaktion und für eine offene und tolerante Stadtgesellschaft setzen.
In einem Antrag an die Stadtverwaltung fordern sie die Prüfung rechtlicher Schritte gegen derartige politische Kampagnen.
Zudem soll die AfD in Karlsruhe genau beobachtet werden – mit Blick auf ein mögliches Parteiverbot.
Abschließend richtet sich der Appell an alle politischen Akteure, Spaltung entgegenzuwirken und Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu übernehmen.

Bereits am 25. März beschäftigte sich der Karlsruher Gemeinderat mit dem interfraktionellen Antrag. Unter dem Titel "Resolution des Karlsruher Gemeinderates: Appell für eine offene und tolerante Stadtgesellschaft" wurde er auf die Tagesordnung gesetzt. Zu einer Abstimmung kam es nicht: Der Antrag wurde damals zur Beratung in den Haupt- und Finanzausschuss am 8. April verwiesen.
Für die Gemeinderatssitzung am 29. April stand er erneut auf der Tagesordnung. Das löste hitzige Debatten aus.
AfD stellt Änderungsantrag
Die AfD-Fraktion kritisiert den gemeinsamen Antrag der Fraktionen im Karlsruher Gemeinderat scharf – und reagiert mit einem eigenen Änderungsantrag. Darin fordert sie, den Wortlaut der ursprünglichen Resolution abzuändern. Der Antrag enthalte "diskriminierende Beiträge und Äußerungen" gegenüber der AfD.
Die Debatte über die als "Abschiebe-Tickets" bezeichneten Flugblätter sei unsachlich geführt worden, so die Fraktion. Sie fürchte, das tolerante und weltoffene Klima in Karlsruhe werde dadurch gegen die AfD aufgebracht.
AfD-Antrag stößt auf breite Ablehnung
Der Änderungsantrag der AfD wurde von zahlreichen Fraktionen als Provokation gewertet. SPD-Stadträtin Melchin warf dem AfD-Ortsverband vor, dem Ansehen der Stadt mit der Aktion bundesweit geschadet zu haben. Auch CDU-Stadtrat Hoffmann kritisierte die AfD deutlich: "Die Fraktion hat offenbar nicht begriffen, weshalb sie öffentlich in der Kritik steht."

"Nicht männlich genug, Verantwortung zu übernehmen?" – Scharfe Kritik von Volt
Besonders deutlich äußerte sich Stadtrat Kien Nguyen (Volt). Er verkündete bereits auf einer Demo am 22. Februar, dass er auf offener Straße einen solchen Flyer erhalten habe.
Seiner Ansicht nach ein Beleg dafür, dass die AfD nicht lediglich habe informieren wollen. "Das war Einschüchterung", so Nguyen.

Er rief den Gemeinderat dazu auf, klare Haltung "gegen Faschismus" zu zeigen und der Resolution zuzustimmen. An die AfD gerichtet sagte er: "Sich hier mit einem Änderungsantrag als Opfer inszenieren zu wollen, ist schwach. Sind Sie nicht männlich genug, hier Verantwortung zu übernehmen?"
Stadtrat Kalmbach (FÜR) mahnt zu Dialog
Die Atmosphäre im Gemeinderat heizte sich infolge immer weiter auf, es kam zu Zwischenrufen und abfälligen Gesten aus verschiedenen Fraktionen. Stadtrat Kalmbach (FÜR) versuchte zu vermitteln. Zwar teile er die inhaltliche Stoßrichtung der Resolution, kritisierte jedoch, dass im Vorfeld keine Gespräche mit der AfD-Fraktion geführt worden seien. "Das ist schade", sagte Kalmbach.

Einige Ratsmitglieder reagierten mit Spott. Nguyen hingegen entgegnete: "Ihre Haltung ist moralisch richtig. Aber mit jedem Wegsehen und jedem Schweigen stärken wir diese Partei."
Ist der Gemeinderat das richtige Forum?
Die Fraktionen der FDP und Freien Wähler hatten sich dem ursprünglichen Antrag nicht angeschlossen. Der Gemeinderat sei für so eine Debatte nicht das geeignete Gremium, so die Erklärung von Stadtrat Noè .
Gemeinderat beschließt Resolution
Die Resolution wurde mit 33 Ja-Stimmen bei fünf Gegenstimmen beschlossen. Fünf Stadträte enthielten sich. Der Änderungsantrag der AfD wurde mit breiter Mehrheit abgelehnt: Lediglich die AfD selbst stimmte dafür, alle anderen 38 anwesenden Stadträtinnen und Stadträte votierten dagegen. Enthaltungen gab es keine.