Vor wenigen Tagen sorgte folgender Bericht für Aufsehen in den sozialen Netzwerken: In Oberösterreich kam es zu Masseneinkäufen der Wurmkur Ivermectin, wie unter anderem die Tagesschau berichtet. Mindestens ein Fall endete dabei sogar tödlich. Angeblich soll das Medikament hilfreich gegen eine Corona-Infektion wirken.
Um herauszufinden wie effektiv oder eben gefährlich diese Art der Behandlung ist, entschließt sich ka-news.de bei verschiedenen Medizinern nachzufragen, was die Substanz Ivermectin eigentlich sei und welche Nutzbarkeiten sie in dieser Hinsicht bieten könnte.
Die Pferde-Wurmkur Ivermectin
"Ivermectin wird sehr häufig bei Pferden eingesetzt, um Parasiten wie Fadenwürmer zu beseitigen", sagt Elke Ingwersen, praktizierende Tierärztin in Karlsruhe mit Spezialisierung auf Pferdemedizin. "Es ist streng genommen ein Nervengift, dass die Parasiten über sogenannte Chloridkanäle aufnehmen, was zu Spasmen und einer vollständigen Lähmung führt, wodurch die Würmer nach und nach verhungern", so Ingwersen.

"Säugetiere haben allerdings nicht dieselben Chloridkanäle wie wirbellose Tiere. Infolgedessen ist Ivermectin für Pferde, aber auch für Menschen kein Gift, sondern birgt einen medizinischen Nutzen", erklärt die Tierärztin. Dies bestätigt auch der Humanmediziner Michael Viapiano, ärztlicher Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg.
"Der Wirkstoff ist gut verträglich, aber..."
"Der Wirkstoff Ivermectin ist im Allgemeinen gut verträglich.", erklärt Viapiano. "Daher ist er auch durchaus bei Menschen als Wirkstoff gegen Würmer und Parasiten zugelassen." Das bedeute allerdings nicht, dass man ihn nach Gutdünken und ohne medizinische Beratung einnehmen solle. "Mal angenommen jemand erwirbt über ein Onlineportal ein Präparat für Pferde statt für Menschen. Das hätte einige Nebenwirkungen zur Folge", sagt Tierärztin Ingwersen.

Diese Nebenwirkungen beschreibt Humanmediziner Viapiano mit "Müdigkeit, Bauchschmerzen, Appetitmangel, Verstopfung, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Juckreiz oder Nesselsucht." Bei unkontrollierter Einnahme sogar mit "schwerwiegender Vergiftungserscheinungen, die bis zu Asthma-Anfällen oder Erhöhung der Leberwerte führen können."
Ivermectin gegen Corona-Viren?
Doch selbst bei einer angemessenen Dosis beschränke sich die Wirkung fast ausschließlich auf die Parasitenbekämpfung. "Man wird eben entwurmt, wenn man es einnimmt", wie Ingwersen zusammenfasst
Woher die Annahme stamme, die Pferde-Wurmkur könne ein wirksames Mittel gegen Corona - oder Viren allgemein bieten, erklärt Ingwersen mit verschiedenen medizinischen Laborversuchen: "Es gibt Studien, die vermuten lassen, dass Ivermectin eine antivirale Wirkung entfalten könnte", sagt sie.
Keine Verbesserungen durch die Wurmkur
Eine Aussage, die sich auch mit Viapiano deckt: "Ivermectin hat im Reagenzglanz zwar einige antivirale Effekte gegen Sars-CoV-2 gezeigt", doch dies geschah ausschließlich innerhalb des Labors, "in höheren Dosen als bei der zugelassenen Anwendung gegen Würmer und Parasiten, als es dem Menschen zuträglich wäre". Einen praktischer Nutzen an einem menschlichen Organismus konnte damit also nicht festgestellt werden.

"Das Uniklinikum Würzburg hat eine übergreifende Studie, eine sogenannte Cochraine-Review durchgeführt, die ergab, dass sich der Zustand einer Virusinfektion durch Einnahme der Wurmkur nicht nennenswert verbessert hat - zumindest nicht um Vergleich zu einem Placebo", sagt Ingwersen. Diese Studie habe die europäische Arzneimittelbehörde mit bewogen "sich gegen eine Anwendung von Ivermectin im Covid-Bereich auszusprechen", so Viapiano.
"Den Pferden fehlt die Wurmkur"
Somit sei die Pferde-Wurmkur laut dem Humanmediziner "explizit nicht für die Behandlung von Covid-19-Infektionen zugelassen." Ein Zustand, den auch Ingwersen nur für angemessen halte. "Ivermectin gegen Corona einzunehmen wird alles in allem nichts bringen außer Gesundheitsrisiken. Von dem her kann man es sich auch sparen." Zusätzlich spricht die Pferdemedizinerin auch von einem gesellschaftlichen Problem der Massenkäufe.
"In Österreich gab es einen so großen Ansturm, dass das Ivermectin knapp wird. Gerade jetzt aber, im Spätherbst, erhalten sehr viele Pferde eigentlich ihre Wurmkur - und denen fehlt nun die Medizin", so Ingwersen. Eine zusätzliche Gruppe Leidtragender dieses Trends seien also die langschnäuzigen Unpaarhufer, die diesen Winter womöglich weit weniger vor Parasitenbefall geschützt sind.
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