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Karlsruhe: KVV: Barrierefreie Bahnen im "30- oder 45-Minuten-Takt nicht möglich"

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KVV: Barrierefreie Bahnen im "30- oder 45-Minuten-Takt nicht möglich"

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    Christiane Battesimo muss draußen bleiben - seit einer Stunde wartet sie auf eine barrierefreie Niederflurbahn.
    Christiane Battesimo muss draußen bleiben - seit einer Stunde wartet sie auf eine barrierefreie Niederflurbahn. Foto: trs

    Als sich Christiane Battesimo und ihre Familie mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Heinz Golombeck treffen, haben die Battesimos bereits einige Bahnen an der Haltestelle Philipp-Reis-Straße vorbeifahren sehen. "Keine einzige hatte Niederflurwagen", erzählt die Karlsruherin. Wenn sich Golombeck eine Stunde später verabschiedet, wird noch immer keine Tram gehalten haben, in die die zu 100 Prozent gehbehinderte Battesimo hätte einsteigen können.

    Hotline anrufen: "Wann kommt meine Bahn?"

    Seit die östliche Kaiserstraße Ende April für den Bahnverkehr gesperrt wurde, fahren die S2 und die S5 auf der Strecke der Linie 6 - die meisten Trams sind dabei nicht barrierefrei zugänglich. Bevor hierdurch die Linie 6 aufgehoben wurde, konnte sich Battesimo über die neue Haltestelle der Südostbahn freuen. Denn musste sie zuvor an die Haltestelle Herrenstraße pilgern um einen barrierefreien Zugang garantiert zu bekommen, hatte sie seit September 2012 mit der Philipp-Reis-Straße einen Haltepunkt fast vor ihrer Haustür - für sieben Monate.

    Inzwischen sieht die Lage für Battesimo anders aus: Will sie Bahn fahren, soll sie aus Sicht des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) zwei Stunden vorher über eine Hotline anfragen, wann die nächste barrierefreie Tram kommt. Für einen längeren Zeitraum oder gar für den nächsten Tag geht dies allerdings nicht. Will sie um 9 Uhr das Haus verlassen, muss sie um 7 Uhr anfragen.

    Kann eine App Auskunft geben?

    "Das funktioniert überhaupt nicht", berichtet sie. Denn die Mitarbeiter könnten teilweise keine Auskunft geben, seien ihrer Ansicht nach nicht geschult für solche Fragen. Dabei wirbt der KVV mit dem Slogan "KVV. Bewegt alle." Sowohl die S2 als auch die S5 werden zwar nach Auskunft des KVV mit Niederflurwagen befahren - allerdings nur soweit verfügbar.

    Der FDP-Abgeordnete Heinz Golombeck will nun auf den Karlsruher Verkehrsverbund zugehen. "Auch wenn durch die Umleitung eine Sondersituation entsteht, ist der KVV verpflichtet das Angebot für Mobilitätseingeschränkte aufrecht zu erhalten", findet er. Das Ziel sei Inklusion. "Und dies bedeutet im konkreten Fall, dass Christiane Battesimo von der Philipp-Reis-Straße mit einer Niederflurbahn wegfahren können muss." Mindestens einmal die Stunde müsse dies garantiert sein. Auch will Golombeck anregen, ob man die Auskunft nicht technisch mit einer App umsetzen kann. Schließlich wüsste habe die Leitstelle bei den Verkehrsbetrieben ja den ständigen Überblick über alle Bahnen.

    Am 2. Mai hatte Battesimo ein Schreiben an die Verkehrsbetriebe sowie an den Oberbürgermeister gerichtet. In einer Antwort der VBK Ende Mai erklärt ein Mitarbeiter, dass es ein vorrangiges Ziel sei, Neubaumaßnahmen möglichst barrierefrei umzusetzen. Er erläutert, dass dies bereits in der Brauerstraße, auf den Linien 2 und 4 sowie bei der Südostbahn realisiert wurde. Aktuell würden außerdem verschiedene Haltestellen im Stadtgebiet umgebaut oder seien in Planung. Zudem sollen bis 2014 alle Haltepunkte der Linie 5 in Rintheim ausgebaut werden. Dies können aufgrund der angespannten finanziellen Situation nur nach und nach geschehen. Die vorhandenen 70 Niederflurwagen würden bislang auf alle Linien im Stadtgebiet verteilt. 25 weitere seien bestellt, außerdem weitere 25 anvisiert.

    OB Mentrup: "30- oder 45-Minuten-Takt barrierefreier Bahnen auf allen Linien nicht umsetzbar"

    Auch Oberbürgermeister Frank Mentrup antwortete schließlich Ende Juni auf Battesimos Schreiben. Er habe sich zuerst umfassend über die Schwierigkeiten mobilitätseingeschränkter Fahrgäste informiert, erklärt er. Diese lägen denn im "historisch gewachsenen Fahrzeugpark" bei VBK und AVG. "Schienenfahrzeuge der ersten Baureihen konnten zu ihrer Zeit, aber eben auch noch im aktuellen Betrieb einen behindertengerechten Zustieg an den Haltestellen nicht möglich machen." Auch das Karlsruher Modell mit Bereichen der Deutschen Bahn im Umland und den Stadthaltestellen habe verschiedene Fahrzeugtypen nötig gemacht. Künftig planten VBK und AVG jedoch nur noch zwei verschiedenen Einstiegshöhen: 34 Zentimeter bei Niederflurwagen und 55 Zentimeter bei mittelflurig ausgelegten Stadtbahnen - hierauf würden auch die Bahnsteige nach und nach angepasst.

    Auch erklärt er, dass ein 30- oder 45-Minuten-Takt barrierefreier Bahnen auf allen Linien nicht umsetzbar sei - es gebe zu wenige Niederflurfahrzeuge. Zudem könnten diese "aufgrund betrieblicher Abläufe nicht dezidiert in einen Fahrplan eingearbeitet werden". Bei Ausfall bestünde zum Beispiel kein Ersatz. Die Verfügbarkeit stehe schließlich erst am Einsatztag fest, und genau dann könne das Service-Telefon des KVV unter 0721-6107-5885 Auskunft geben. Falls ein behindertengerechter Zustieg dennoch nicht möglich sei, garantiere der KVV Mobilität - und stelle ein Taxi zur Verfügung.

    Für Christiane Battesimo bedeutet dies jedoch, dass sie sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht garantiert bewegen kann und sehr viel Zeit mitbringen muss.

    ka-news hatte 2010 übrigens einen Selbstversuch im Rollstuhl gewagt: Redakteur Moritz Damm zog damals folgendes Fazit: "Es ist sehr beschwerlich sich mit dem Rollstuhl durch Karlsruhe zu bewegen. Ob die Stufen vor Geschäften, die vergebliche Suche nach Behindertentoiletten in Restaurants oder das beschwerliche Einsteigen in Bahnen. Dass städtische und öffentliche Gebäude gut über Rampen zugänglich sind, ist zwar ein Anfang, aber es muss noch viel passieren in Karlsruhe, bis die Fächerstadt Rollstuhlfahrern einen uneingeschränkten Zugang zu Geschäften und dem öffentlichen Nahverkehr garantieren kann."

    Siehe auch:

    KVV - bewegt alle? Karlsruher Rollstuhlfahrerin wartet auf barrierefreie Bahn

    ka-news-Selbstversuch: Mit dem Rollstuhl durch Karlsruhe

    Kombilösung: Kaiserstraße wird 7 Monate gesperrt - Mentrup will Bauzeit verkürzen

    Mehrkosten, Verzögerungen und Baufortschritt: Mehr Infos rund um die Karlsruher Kombilösung gibt es in unserem Dossier. Hier klicken!

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