(mda)

Herr Cramer, die Karlsruher Liste (KAL), die Piraten und Die Partei werden im Karlsruher Gemeinderat fortan unter dem Namen "Kult"als Fraktion agieren. Mit fünf Stadträten sind sie damit die viertstärkste Kraft im neuen Gemeinderat. Wie kommen Sie auf den Namen Kult und für was steht er?

Wir wollten keine Abkürzung wie beispielsweise KaPiPa. Wir wollten etwas Griffiges, das Aufmerksamkeit erzeugt. Man darf natürlich unterschiedliche Dinge mit den einzelnen Buchstaben verbinden.

Was denn zum Beispiel?

Klug, unabhängig, libertär, tolerant  - das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. Im Grunde genommen handelt es sich aber nur um eine Kurzbezeichnung. Der offizielle Fraktionsname ist KAL/ Piraten/ Die Partei - das ist dann aber sehr sperrig.

Der Zusammenschluss kommt aber schon aus der Not heraus: Die KAL hat bei der Kommunalwahl ihren Fraktionsstatus verloren hat - statt drei Sitzen, diesmal nur zwei Sitze bekommen. Margot Döring hat den Wiedereinzug nicht geschafft. Woran lag das?

Es treten immer mehr Gruppierungen bei Kommunalwahlen an. Diesmal sind es elf gewesen und alle haben es in den Gemeinderat geschafft. Das hängt auch mit dem neuen Zählverfahren zusammen. Die großen Parteien haben nicht wirklich verloren, dadurch ist es fast zwangsläufig, dass dann bei den kleinen etwas weggenommen wird. Wir sind seit 30 Jahren im Karlsruher Gemeinderat und haben im Rückblick viel erreicht. Unsere Erfolge haben wir dadurch erzielt, dass wir Menschen helfen, die mit ihren Vorstellungen und Projekten zu uns kommen und wir somit eine Politik des Gehörtwerdens praktizieren. Grundsätzlich ist es aber so, dass die Parteien, durch ihre bundesweite Bekanntheit bessere Voraussetzungen haben.

Hätten Sie im Wahlkampf nicht stärker an Ihrer Bekanntheit arbeiten können?

Wir haben das geleistet, was wir für sinnvoll erachtet haben. Wir wollten bei den Plakaten keine Quantität, sondern Qualität. Das Zukleistern der Stadt entsprach nicht unseren Vorstellungen. Die Menschen im Wahlkampf von unseren Ideen zu überzeugen ist in dieser kurzen Zeit nur bedingt möglich. Bekanntheit entsteht durch unsere Arbeit und diesen Stil werden wir weiterführen.

Sie wurden zum Fraktionsvorsitzenden der neuen Fraktion gewählt. Ihr Stellvertreter ist Max Braun von Die Partei. Braun sagte kürzlich im ka-news-Interview:"Die Partei kooperiert mit allen, die sich als Steigbügelhalter anbieten". Die KAL sieht sich also als ein Steigbügelhalter von Die Partei?

Nein, es ist letztendlich eine ganz pragmatische Sache. Wir haben uns ja schon im Wahlkampf kennengelernt. Als nach der Wahl klar war, wer alles in den Gemeinderat kommt - es war für mich persönlich eine riesige Überraschung, dass es Die Partei geschafft hat - waren schnell die Kontakte und die Überlegungen da, dass man zusammen mit der Piraten-Partei und Die Partei eine Fraktion bilden könnte.

Denn klar ist, wenn man keinen Fraktionsstatus hat, ist die parlamentarische Arbeit sehr eingeschränkt. Wir haben bei den ersten Treffen schnell gemerkt, dass es menschlich passt und dass wir auch programmatisch nicht wirklich auseinander liegen und mit ein wenig mehr Humor können wir alle nur gewinnen.

Die Partei ist eine Satire-Partei. Wechselt die KAL jetzt in die Satire?

Wir haben kein Problem mit Satire, wir können Satire übersetzen. Es war aber von Anfang an klar, dass Die Partei ihre originäre Satire-Politik außerhalb des Gemeinderats machen wird. Im Gemeinderat selber wird von der Kult-Fraktion konstruktive Politik gemacht.

Kann es also schon sein, dass die KAL einen Antrag unterstützt, der die Ansiedlung von Baby-Einhörnern im Hardtwald oder ein aufblasbares KSC-Stadion im Wildpark fordert?

Nein, wie eben schon gesagt, dazu wird es nicht kommen. In der Wildparkkommission wird Max Braun das ordentliche Mitglied der Kult-Fraktion sein und seine Sachkompetenz einbringen.

Was will die Kult-Fraktion in den nächsten fünf Jahren erreichen?

Wir verstehen uns nicht nur als Zweckbündnis, sondern wir werden als Kult-Fraktion ernsthafte politische Arbeit machen, wie die KAL seit 30 Jahren. Konkrete Anträge werden schon erarbeitet. Doch die Tagespolitik bestimmt sehr stark die Arbeit im Gemeinderat. Aber die Kult-Fraktion wird sicher die Idee der Piraten-Partei, zum Open-Antrag aufnehmen um diese Art der Bürgerbeteiligung voran zu bringen. Zu den aktuellen Themen werden wir dann unsere Standpunkte formulieren. Die Arbeit geht erst im September richtig los. Alles andere werden wir dann sehen.

Die Kult-Fraktion ist Teil der Mentrup-Mehrheit, oder?

Gegenfrage: Was ist die Mentrup-Mehrheit? Ich sehe die Kult-Fraktion immer als Teil einer möglichen gestalterischen Mehrheit des gesamten Gemeinderats. Denn SPD und Grüne sind programmatisch oft zu unterschiedlich. Pragmatisch und machtpolitisch sind die beiden auch nicht immer so beieinander, als dass man häufig zusammen 25 Stimmen hätte um eine sogenannte "Mentrup-Mehrheit" bilden zu können.

In der Vergangenheit war es doch immer so, dass die zwei Parteien CDU und SPD sich im Gemeinderat schnell handelseinig waren. Ich gehe davon aus, dass sich daran grundsätzlich nichts ändern wird. Natürlich haben die beiden Fraktionen mit dem Oberbürgermeister zusammen keine eigene Mehrheit, ihnen fehlt aber nur eine Stimme und das Interesse des Oberbürgermeisters ist es wohl sich eine solche inoffizielle Große Koalition zu zimmern, damit er rasche Mehrheiten für sich und die Interessen der CDU und SPD bekommen kann. Zukünftig werden aber vielleicht punktuell ganz andere pragmatische Mehrheiten im Gemeinderat entstehen, die im Moment so niemand für möglich hält.

Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste kommunalpolitische Thema in den kommenden fünf Jahren für Karlsruhe?

Die Stadtplanung ist ein zentrales Thema. Hier kann die Kommune wirklich eigenständig Politik machen. Denn hier, was wir vor Ort machen, reden weder das Land noch der Bund rein. Sehr wichtig wird auch die Wohnungsbaupolitik sein und vor allem: wo können wir geeignete Flächen ausweisen? Weitere wichtige Themen sind für uns Bürgerbeteiligungsprojekte und die kulturelle Vielfalt in der Stadt. Großprojekte wie Wildparkstadion und Staatstheater sind gesetzt.

Trägt die Kult-Fraktion einen Stadionneubau - wie er gerade für 120 Millionen Euro inklusive Infrastruktur angedacht ist - mit?

Ja, wir tragen das mit. Die einzige Bedingung ist, dass der KSC wirklich seine Miete bezahlt. Das ist für uns Voraussetzung. Da muss der KSC jetzt Signale in die Stadtpolitik senden, dass er auch dazu bereit ist.

Sie sagten vor der Wahl: "Ich will Stadtrat bleiben, damit ich die Kommunalpolitik weiter befeuern kann." Im Gemeinderat sind sie manchmal unbequem, zuweilen lautstark. Sind Sie gerne auch ein bisschen Krawallmacher?

Ich bin kein Krawallmacher. Ich bin ein emotionaler Typ. Ich würde nicht von Krawall, sondern vielmehr von starkem Engagement sprechen. Wenn es irgendwo ungerecht zugeht, dann kann ich schnell sehr emotional werden. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube und reagiere eben auch mal mit Zwischenrufen. Ich habe mir aber vorgenommen mit fortschreitenden Alter ruhiger zu werden (lacht).

Sie sind dieses Jahr 66 geworden. In Anlehnung an Udo Jürgens: Fängt jetzt das Leben an?

Also zumindest hört es für mich mit 65 nicht auf. Ich bin auch offiziell kein Rentner und werde, da ich selbständig bin, meine Arbeit so lange machen wie es geht und wie ich Spaß daran habe. Und ich habe noch Spaß daran - an der Politik sowieso. Wenn ich gesund bleibe, dann stelle ich mir die nächsten fünf Jahre sehr interessant vor. Es macht mir Spaß mit der neuen Konstellation und den jungen Leuten des neuen Gemeinderats richtig durchzustarten.

Seit 34 Jahren sitzen Sie nun im Karlsruher Gemeinderat - nur Klaus Heilgeist von der CDU ist länger dabei. An welche einschneidenden Erlebnisse erinnern Sie sich?

An die wilden Anfangszeiten (lacht). Ich bin ja damals für eine Grüne-Liste in den Gemeinderat gewählt worden. Wir waren damals zu zweit und die totalen Außenseiter.

Waren Sie ein richtiger Revoluzzer?

Ja, ein Stück weit schon. Ich wusste damals nicht, was es bedeutet, Stadtrat zu sein. Ich kam aus der Südstadt, habe mich für Stadtteilpolitik engagiert. Es gab dort damals eine Bewegung, die sich für ein Bürgerzentrum eingesetzt hat. Da gab es noch Haus-Besetzungen gegen den Abriss von Gebäuden. Das ist dann so auch in den Gemeinderat getragen worden - da wurde von der Polizei die Tribüne geräumt, weil Leute von dort Transparente heruntergelassen hatten.

Einmal habe ich als Stadtrat einen Backstein des abgerissenen Gebäudes mitgebracht und dem damaligen Oberbürgermeister Otto Dullenkopf direkt vor sein Mikro gelegt. Das war eine spannende Anfangszeit. Aber wichtig sind natürlich die gesamten sechs Legislaturperioden. In der Zeit habe ich einen großen Lernprozess durchgemacht: bevor ich in den Gemeinderat kam habe ich nur meine eigene politische Meinung gelten lassen. Ich habe aber gelernt, andere politische Standpunkte und Meinungen zu respektieren.

Der neue Gemeinderat hat sich verjüngt. Die jüngste Stadträtin Zoe Mayer von den Grünen ist gerade mal 18 Jahre alt, ihr Stellvertreter Max Braun ist 20. Welchen Tipp würden Sie der jüngeren Generation im Gemeinderat geben?

Man muss sich darauf einstellen, dass es dicke Bretter zu Bohren gibt. Gerade am Anfang kann es zu Frust kommen, wenn man zu vieles, zu nah an sich ran kommen lässt. Gerade wenn man keiner großen Fraktion angehört und Vorschläge nur als Einzelner einreicht, wird man oft abgeschmettert.

Man muss lernen, Mehrheiten zu schmieden. Dafür braucht man politisches Geschick und das Wissen, dass es so ist. Ich kenne einige Kolleginnen und Kollegen, die anfangs mit großem Enthusiasmus im Gemeinderat waren und dann schnell das Handtuch geschmissen haben.Sie waren enttäuscht, dass sie Dinge nicht so schnell umsetzen konnten, wie sie sich das ursprünglich vorgestellt hatten. Man braucht eben einen langen Atem.

Das Gespräch führte Moritz Damm

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