Startseite
Icon Pfeil nach unten
Karlsruhe
Icon Pfeil nach unten

Karlsruhe: Karlsruhes Lebensader Alb findet wieder zu ihrem Ursprung: "Der Fluss wurde früher viel begradigt - das machen wir nun rückgängig"

Karlsruhe

Karlsruhes Lebensader Alb findet wieder zu ihrem Ursprung: "Der Fluss wurde früher viel begradigt - das machen wir nun rückgängig"

    • |
    • |
    Flutflächen sollen dem Biotop als Seitenarm zur Alb dienen und natürlichen Pflanzenreichtum unterstützten.
    Flutflächen sollen dem Biotop als Seitenarm zur Alb dienen und natürlichen Pflanzenreichtum unterstützten. Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    Die Begradigung von Flüssen ist vor allem mit dem Namen Johann Gottfried Tulla verbunden. Doch der Trend kehrt sich um: Inzwischen gibt es immer mehr Bestreben, Gewässer wieder so nahe wie möglich in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Auch die Karlsruher Alb wird von der Stadt und unter Federführung des Tiefbauamtes wieder revitalisiert und renaturiert. 

    undefined
    Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    Bereits seit 1983 finden in einzelnen Abschnitten immer wieder Baumaßnahmen zur Umgestaltung statt. Im Übrigen wurde die Alb "wie viele andere Gewässer entlang des Rheins, die dem Schwarzwald entspringen, früher dazu genutzt, Holz zu transportieren", erklärt Tobias Pfister aus der Abteilung Konstruktiver Ingenieurbau und Gewässer vom Tiefbauamt Karlsruhe.

    Eine naturnahe Umgestaltung

    Die Renaturierung von Gewässern bezeichnet die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen, bei dem das ursprüngliche Flussbett und -ufer wieder so hergestellt werden sollen, wie sie einmal waren. Dadurch werden Strömungsgeschwindigkeit - und damit die Hochwassergefahr - verringert. Auf diese Weise soll auch die Alb wieder mehr Ursprünglichkeit erhalten, auch wenn es sich hier mehr um eine Maßnahme zur Revitalisierung handelt.

    Bei der Planung und Durchführung maßgeblich beteiligt, Herr Pfister.
    Bei der Planung und Durchführung maßgeblich beteiligt, Herr Pfister. Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    Denn für Tobias Pfister ist der Begriff Renaturierung für einen Stadtfluss wie die Alb zu hoch gegriffen: "Die komplette Ursprungsform von der natürlichen Vielfalt, die es vor dem Gewässerausbau gab, erreicht man nicht mehr ohne weiteres. Deswegen sprechen wir eher von einer 'naturnahen Umgestaltung'!"

    "Viele Gewässer wurden in den 1950ern und 60ern unter dem Aspekt des Hochwasserschutzes ausgebaut. Man hat vieles begradigt und die Fließgeschwindigkeiten erhöht. Der Aspekt Natur- und Artenschutz war damals kein Thema", erklärt Pfister die Hintergründe der damaligen Begradigungen. Erst um 1980 kam es nach seiner Aussage zu einem gesellschaftlichen und politischen Umdenken: "Man hat festgestellt, dass das Artensterben auch die Gewässer erreicht hat und der chemische Zustand unzureichend ist."

    Für mehr Artenvielfalt

    So wurde auch an der Alb erkannt, dass die ökologische Vielfalt nachgelassen hat. Deshalb startete die Stadt 1983 bereits ersten Maßnahmen zur Revitalisierung des Stadtflusses, die 2019 ihren vorläufigen Abschluss fanden. "Das Ziel ist, sowohl den chemischen als auch ökologischen Zustand des Gewässers wieder zu verbessern. Außerdem soll dadurch die Artenvielfalt erhöht werden, Stichwort Biodiversität. Die früher oftmals begradigten Flussläufe sollen wieder mehr Varianz in der Ufer- und Sohlstruktur und damit auch in der Strömung erhalten", beschreibt Pfister die Ziele der Umgestaltung an der Alb.

    Flutflächen sollen dem Biotop als Seitenarm zur Alb dienen und natürlichen Pflanzenreichtum unterstützten.
    Flutflächen sollen dem Biotop als Seitenarm zur Alb dienen und natürlichen Pflanzenreichtum unterstützten. Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    Vor allem die Artenvielfalt ist ein zentraler Aspekt: "Durch höhere Variabilität entsteht auch wieder mehr Leben im Gewässer", so Pfister weiter. Diese wird unter anderem durch die Beseitigung von Hindernissen für Fischwanderungen erreicht.

    Zwei Jahre für 650 Meter

    Im Mai 2019 wurde nun an der Alb in Grünwinkel ein 650 Meter langer Abschnitt abgeschlossen, dessen Baumaßnahmen 2017 begannen. Zunächst stand der Bereich zwischen Albkapelle und Eckener Straße im Fokus. "Dort wurde der Radweg ein Stück weg vom Gewässer verlegt, um so Platz für eine Flutmulde zu schaffen, die bei höheren Wasserständen geflutet wird. Es entstand damit eine kleine Insel, die sich nun ungestört entwickeln kann. Ferner sind zur Verbesserung der Gewässerlaufform Buhnen aus Baumstämmen eingebaut worden", sagt Pfister.

    Als Buhnen werden bei Renaturierungsprozessen oft Baumstämme verwendet, die für eine größere Strömungsvarianz sorgen sollen. "Sie sind Strömungsablenker", erklärt Pfister gegenüber ka-news.de. Der Fluss wird durch die natürlichen Hindernisse an der einen Stelle gebremst, muss sich um die Hindernisse herumschlängeln und beschleunigt an anderer Stelle wieder. Der Flusslauf verlängert sich dadurch. "Es geht darum, die Strömung nicht so gleichmäßig über den Querschnitt fließen zu lassen", so Pfister.

    Auch Radfahrer profitieren

    Im Frühjahr folgte der zweite Bauabschnitt zwischen Albkapelle und Zeppelinstraße. Auch hier wurde der Radweg zurückverlegt und statt, wie zuvor mit einer wassergebundenen Decke, nun mit einer Asphaltdecke versehen, was auch Vorteile für Radfahrer mit sich bringt. Denn der Asphalt steigert den Fahrkomfort wie Pfister ausdrückt und ergänzt: "Gleichzeitig ist der Radweg ein Stück weit aus dem Astbruchbereich weggerückt worden und ermöglicht es uns damit, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit weniger an den Bäumen zurückschneiden zu müssen."

    Kreuzungspunkt an der Kapelle zur Bücke über die Alb und dem neuen Radweg.
    Kreuzungspunkt an der Kapelle zur Bücke über die Alb und dem neuen Radweg. Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    Durch die Bäume an der Alb ist genug Lebensraum für die verschiedensten Arten vorhanden. "Zudem wurden noch mehrere Uferabflachungen angelegt sowie Störsteine eingebaut, um die Strömungsvarianz zu verbessern. Des Weiteren wurden Wurzelstöcke im Uferbereich platziert, die als Fischunterstände dienen", so Tobias Pfister vom Tiefbauamt weiter.

    Schwierige Arbeiten

    Die Baumaßnahmen zur naturnahen Umgestaltung bringen jedoch auch ihre Herausforderungen mit sich. Denn es wird oft mit schweren Gerätschaften im Wasser gearbeitet : "Das ist vor allem dann kritisch, wenn es regnet und der Flusspegel steigt. Ansonsten ist auch der Artenschutz zu beachten, da jede Umgestaltungsmaßnahme zunächst auch einen Eingriff darstellt", erläutert Pfister.

    Totholz wurde und Baumstämme dienen am Ufer auch als Laichplätze.
    Totholz wurde und Baumstämme dienen am Ufer auch als Laichplätze. Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    So müssen an manchen Stellen Baumbestände gerodet werden oder Bodenmaterial vom Ufer weggenommen werden. "Dadurch werden in dem Moment natürlich auch Lebewesen gestört", so Pfister. Die Störeffekte für die Tierwelt sollen daher so gering wie möglich gehalten werden, unter anderem dadurch, dass zum Beispiel an Hecken keine Arbeiten durchgeführt werden, wenn gerade Vögel brüten. 

    Die Fortschritte an der Alb in Grünwinkel sind nur eine von vielen Maßnahmen. In der Vergangenheit wurden bereits andere Abschnitte des Flusses umgestaltet. "Ein sehr großer Bereich der naturnahen Umgestaltung war mit Sicherheit die Alb von Weiherfeld-Dammerstock über die Günther-Klotz-Anlage bis hin nach Grünwinkel", erzählt Pfister. Diese Arbeiten fanden im Wesentlichen in den Jahren 2007 und 2008 statt. 

    An der Alb sollen barrierefreie Kneippbecken entstehen
    An der Alb sollen barrierefreie Kneippbecken entstehen Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    Auch zwischen den Raffinerien der Miro wurde ein Teilabschnitt des Flusses in den letzten Jahren revitalisiert, allerdings auf den Niedrig- und Mittelwasserbereich beschränkt. Lediglich ein Abschnitt der Alb konnte bislang noch nicht abschließend umgesetzt werden. "Dieser steht als Ausgleichsmaßnahme im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen an der zweiten Rheinbrücke an", so Pfister.

    Keine weiteren Maßnahmen

    Die Kosten für die naturnahe Umgestaltung allein im Bereich Albkapelle, Eckener Straße und Zeppelinstraße belaufen sich auf etwa 620.000 Euro. Darüber hinaus sind aktuell keine weiteren Maßnahmen geplant. Das hat allerdings rechtliche Gründe. Denn die Alb kann nur dort naturnah umgestaltet werden, wo auch städtisches Eigentum vorliegt, wie Tobias Pfister im Gespräch mit ka-news.de erläutert. 

    undefined
    Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    "Inzwischen sind an der Alb nahezu alle Abschnitte, die in städtischen Grundstückseigentum sind, naturnah umgestaltet. Bei privatem Grund ist das nicht so einfach, beziehungsweise gar nicht möglich, denn die Umgestaltung wäre ein Eingriff in das Privateigentum."

    Neben der Alb wurde in der Vergangenheit auch die Pfinz naturnah umgestaltet. Doch auch hier sind inzwischen alle im städtischen Eigentum befindlichen Bereiche abgearbeitet.

    Flora und Fauna profitieren

    Daher versucht die Stadt nun einige private Grundstücke zu erwerben. Wenn wieder ein zusammenhängender Gewässerabschnitt von der Stadt erworben worden ist, sollen nach Pfisters Aussage durchaus weitere Umgestaltungsmaßnahmen ergriffen werden.

    Die Radwege entlang der Alb.
    Die Radwege entlang der Alb. Foto: Tim Carmele / TMC-Fotografie

    Denn die Revitalisierung zeigt bereits erste positive Effekte. So konnten laut Pfister im ersten Bauabschnitt Albkapelle und Eckener Straße positive Auswirkungen auf die Fauna festgestellt werden. Unter anderem habe sich der Bewuchs der Pflanzen gut entwickelt. Auch der sonst selten vertretene Eisvogel hat sich wieder angesiedelt.

    "Zudem sind im im Bereich der Alb einige FFH-Gebiete entstanden, also Fauna-Flora-Habitat-Gebiete. Die weitreichenderen Entwicklungen müssen natürlich noch über viele Jahre beobachtet werden, die bisherigen Fortschritte sind jedoch vielversprechend", so Pfister. Sobald die Stadt neue Grundstücke erworben hat, sollen sowohl an der Pfinz als auch an der Alb noch weitere naturnahe Umgestaltungen erfolgen. Einen konkreten Zeitplan gibt es hierfür aber noch nicht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden