Bei den Beratungen der Länderchefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag, soll es noch nicht um weitere Lockerungsmaßnahmen gehen. Vielmehr soll es um Beratungen und vorbereitende Beschlüsse gehen, heißt es am Montag vonseiten der Bundesregierung. Einer dieser Beschlüsse könnte der Drei-Stufen-Plan von drei Bundesländern für das weitere Vorgehen bei Gastronomie, Hotels und touristischen Outdoor-Angeboten sein - darunter würde auch der Karlsruher Zoo fallen.
Einnahmeverluste von zirka zwei Millionen Euro
Über weitere Öffnungen von Einrichtungen und Reduzierungen bei Kontaktbeschränkungen wird vermutlich erst beim kommenden Treffen in zwei Wochen entschieden. "Wir hoffen, dass wir bei der nächsten Runde mit dabei sind. Es wäre toll, wenn wir kurz danach wieder öffnen könnten", so Matthias Reinschmidt am Mittwoch im Gespräch mit ka-news.de.
Seit 17. März ist der rund 22 Hektar große Zoologische Stadtgarten im Herzen der Fächerstadt für Besucher geschlossen. "Das trifft uns finanziell natürlich sehr hart", so Reinschmidt, "uns fallen die Einnahmen in Gänze weg - auch aus den Pachtverhältnissen wie Gastronomie." Den Verlust beziffert der Zoochef auf zirka zwei Millionen Euro bis Juli - eingeschränkte Wiedereröffnung eingerechnet.
Erhöhte Spendenbereitschaft - Tiere sind versorgt
Eine erhöhte Spendenbereitschaft und Tierpatenschaften gibt es beim Verein der Zoofreunde Karlsruhe: "Wir sehen, dass uns die Bevölkerung unterstützen will, aber das kompensiert in keinster Weise unsere Ausfälle", sagt Reinschmidt. Die Gelder bleiben in erster Linie beim Verein und fließen in langfristige Projekte wie beispielsweise die neue Katta-Insel.

Über Futterkosten, den Unterhalt von Tieren oder das Gehalt der Mitarbeiter muss sich Reinschmidt keine Sorgen machen: "Wir werden von der Stadt finanziert. Darum sind wir sehr dankbar." Notschlachtungen von Tieren aus Futtermangel, wie vor einigen Wochen von einem Zoo in Neumünster als letzte Maßnahme angesprochen, sind in einem städtischen Zoo wie Karlsruhe undenkbar.
Keine neuen Elefanten
Bei neuen Investitionen und Projekten wird man beim Zoo zurückhaltend agieren müssen, was letztlich vom Masterplan umgesetzt wird, entscheidet der Gemeinderat. Dass neue Tiere kommen, ist vorstellbar - sie können auch zwischen Zoos getauscht werden. Derzeit ist beispielsweise Zebrabulle Wilhelm nach Kiel ausgeliehen.
Fest steht: Neue Elefanten will man vorerst nicht annehmen. In den vergangenen Jahren hat der Zoo in seiner "Altersresidenz für asiatische Elefanten" immer wieder Tiere aufgenommen. Derzeit befinden sich zwei Elefanten im Zoo - und dabei wird es auch erstmal bleiben: "Elefanten-Transporte sind derzeit nicht möglich - das sind riesige logistische Aufwände, an denen viele Menschen beteiligt sind. Vielleicht nächstes Jahr, wenn sich wieder Gelegenheiten bieten. Mal schauen."

Angefangene Projekte wie der Umbau der Luchsanlage oder der Afrika Savanne werden fortgeführt. "Die Baustellen haben auch während der Schließung Fortschritte gemacht." Während die Fertigstellung des neuen Geheges für Antilopen und Zebras noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird, will man die Luchsanlage im Laufe des Jahres eröffnen.
Auch die neue Katta-Insel soll 2021 in Angriff genommen werden: Sie ist ein extern finanziertes Projekt von den Zoofreunden Karlsruhe. Bei allen anderen neuen Projekten müsse man jetzt sehr vorsichtig sein, so Reinschmidt.
Neue Abläufe bei Tierpflegern
Alle Arbeitsverhältnisse werden auch während der Schließung aufrecht erhalten: Tierpfleger werden weiterhin benötigt. Die Ausnahme bilden einige Mitarbeiter, deren Tätigkeiten aufgrund der Schließung entfallen. Sie werden in anderen städtischen Ämtern eingesetzt, die während der Corona-Krise stärker belastet sind. "Aber in dem Moment, wenn wir Bedarf anmelden, sind diese alle wieder bei uns", so Reinschmidt.

Um die Ansteckungsgefahr unter den Mitarbeitern möglichst gering zu halten, wurden die Kontaktmöglichkeiten reduziert. Trafen sich die Tierpfleger früher alle um 8 Uhr, kleideten sich um und tauschten sich sich aus, arbeiten sie heute zeitversetzt. Insgesamt sind es sieben Teams für die sieben Reviere in der Anlage. Das erste Team beginnt um 7 Uhr, alle weiteren folgen im 15-Minuten-Takt.
Die Mittagspausen in der Betriebskantine sind ebenfalls aufgeteilt. "Wir stehen in ständigem Austausch mit dem Ordnungsamt, um Maßnahmen in unseren Arbeitsabläufen abzustimmen", so Reinschmidt, "noch haben wir keinen Corona-Fall bei uns - toi, toi, toi!" Für seine 115 Mitarbeiter hat der Zoo 1.000 Schutzmasken bestellt: "Fünf für jeden - mit Reserve."
Für Vögel ist besucherfreie Zeit "wunderbar"
Für die Tiere ist die besucherfreie Zeit eine Erholung: "Insbesondere für die Vögel ist es wunderbar", sagt der Zoochef, "sie können ungestört brüten." Der neuen Ruhe schreibt Reinschmidt auch den Nachwuchs-Erfolg bei den Zwergflamingos zu: "Normalerweise haben wir zwei Junge - jetzt sind es erstmals vier."

Für Elefantendame Nanda bedeutet der leere Zoo ausführliche Spaziergänge - auch mal mittags und nicht nur morgens, bevor der Zoo öffnete. Sie lebt seit etwa vier Jahren in Karlsruhe. Nanda ist blind und bewegt sie sich daher von sich aus sehr wenig. Mit den Spaziergängen wird ihre Muskulatur trainiert.
Einsam fühlt sich im Zoo kaum ein Lebewesen - musikalische Beschallung wie im oberfränkischen Tierpark Mehlmeisel hält Reinschmidt für überflüssig. "Das ist ein bisschen Promotion. Wenn die Tiere artgerecht in einer sozialen Gruppe und einem ausreichend großen Lebensraum gehalten werden, können sie sich untereinander beschäftigen. Tiere brauchen Menschen nicht, aber die Menschen wollen die Tiere sehen."
Schimpansen vermissen Menschen - als Unterhaltung
Einzig die Menschenaffen nehmen die Abstinenz der Besucher wahr: "Für sie waren die Menschen eine Beschäftigung. Sie erkennen Menschen individuell - reagieren auf vertraute Gesichter wie Stammbesucher oder Mitarbeiter. Da versucht man jetzt vonseiten der Mitarbeiter ein bisschen mehr Kontakt aufzunehmen, wenn man am Gehege ist."
Um die Tiere vor einer möglichen Infektion durch Corona zu schützen, tragen die Pfleger bei den Schimpansen und bei den Raubtieren Masken. "Man vermutet, dass aufgrund der genetischen Ähnlichkeit, das Virus auch auf Menschenaffen übertragbar ist", sagt Reinschmidt. Eine Wiedereröffnung würde die Tiere nicht gefährden: Plexiglasscheiben trennen Besucher und Affen.
Zoo nimmt Betrieb schrittweise auf
Sobald die Landesregierung grünes Licht geben, folgt der Zoo einem Fünf-Stufen-Plan. Der Plan basiert auf Theorie, die Stufen können im Abstand von wenigen Tagen oder mehreren Wochen gezündet werden.
- Zunächst werden nur Jahreskartenbesitzer eingelassen. Einen Einzelverkauf von Karten an Kassen wird es nicht geben. Maximal 2.000 Besucher werden sich zeitgleich auf dem Gelände befinden.
- Wenn alles funktioniert und die Auflagen es zulassen, will der Zoo die Besucherzahlen auf 3.000 erhöhen. Der Zutritt bleibt auf Dauerkarteninhaber beschränkt.
- Der Einzeleintritt soll ermöglicht werden.
- Die Tierhäuser sollen wieder öffnen: Der Zutritt wird limitiert und von Security-Personal kontrolliert.
- Kommentierte Fütterungen und Führungen werden wieder angeboten. Die Zugangsbeschränkungen zu den Tierhäusern wird aufgehoben.
Was umsetzbar sein wird, hängt von den Entscheidungen und Auflagen der Landesregierung ab. "Wir können das Ganze flexibel gestalten und auf neue Entwicklungen reagieren", so Reinschmidt. "das Ziel ist immer, klare Richtlinien festzulegen und sich Schritt für Schritt an den Normalbetrieb heranzutasten."
"Einbahnstraßen" bei Flußpferden
Normalbetrieb - das sind rund 10.000 Besucher an einem "schönen Sonntag mit blauen Himmel und strahlendem Sonnenschein im April oder Mai, wenn die Schwimmbäder noch nicht offen haben." Vor bald einem Jahr verzeichnete man Besucherrekord am 1. Mai - 19.000 Besucher kamen in den Zoologischen Stadtgarten. "Teils bei freiem Eintritt bis 12 Uhr. Solche Zahlen werden wir in diesem Jahre nicht mehr erreichen können", so Reinschmidt.

Um Besucheransammlungen an beliebten Plätzen im Zoo zu vermeiden, hat der Zoo verschiedene Maßnahmen vorbereitet: Bei Elefanten und Flusspferden ist eine "Einbahnstraße" eingerichtet - Besucher können nur in eine Richtung am Gehege vorbeigehen. Hier rechnet der Zoo mit starkem Interesse am Flusspferdbaby "Halloween".
Besucherzählung bei Erdmännchen
Bei den Erdmännchen wird es eine Aufsichtsperson geben, welche den Zutritt am Gehege steuern wird. Erfahrungsgemäß verweilen die Besucher gerne bei den Tieren - vor allem wenn wie jetzt Nachwuchs vorhanden ist. Auf kommentierte Fütterungen wird ebenfalls verzichtet, um keinen Besucherandrang zu provozieren.

Mögliche Warteschlangen werden an den Nord- und Südeingängen mit Bändern, Absperrungen und Markierungen in entsprechende Bahnen geleitet. "Das ist nicht problematisch, da haben wir Platz. Aber wie es letzten Endes laufen wird, werden wir am ersten Tag sehen." Unterstützt wird der Zoo bei der Planung von der städtischen Schwester Karlsruhe Marketing Event (KME).
Kommt die Maskenpflicht auch im Zoo?
In einigen Bundesländern wie dem benachbarten Rheinland-Pfalz sind die Zoos schon wieder geöffnet. Empfindet das der Zoochef als ungerecht? "Nein, ich habe Verständnis für die Maßnahmen", sagt Reinschmidt, "Baden-Württemberg hat höhere Infektionszahlen als andere Länder wie beispielsweise Rheinland-Pfalz. Ich stehe mit anderen Zoos wie Landau in engem Kontakt und Erfahrungsaustausch. Unsere Zahlen sind im Stadtkreis Karlsruhe recht gut, was mich bestärkt, dass wir bald wieder öffnen dürfen."

Durch die Einschränkung auf die Dauerkartenbesitzer rechnet Reinschmidt nicht mit einem Tourismus. Der Großteil der rund 38.000 Jahreskarteninhaber komme aus dem Stadtgebiet. Ob Besucher einen Mund-Nase-Schutz, wie derzeit beim Einkaufen und Nutzen des ÖPNV tragen müssen, ist noch offen. "Wir empfehlen jedem, eine Maske mitzubringen und auch zu tragen. Ob wir es zur Pflicht machen, darüber sind wir uns noch uneinig."
Hintergrund
Am Donnerstag treffen sich Bund und Länder zum Austausch in Bezug auf das Vorgehen gegen die COVID-19-Pandemie. Auf der Tagesordnung soll das weitere Vorgehen bei Schulen stehen. Auch Amateursport, Spielplätze und Gottesdienste sollen ein Thema sein. Bund und Länder treffen sich alle zwei Wochen, um zur Corona-Lage zu beraten. Beim vergangenen Treffen Mitte April wurden die Maßnahmen wieder gelockert - kleinere Geschäfte durften wieder öffnen. Beim kommenden Treffen soll es vorerst nicht um weitere Lockerungen gehen: Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Montag in der Bundespressekonferenz: "An diesem 30. April wird es wichtige vorbereitende Beratungen und sehr begrenzte Beschlüsse geben." Der Zeitpunkt sei noch zu früh - man möchte valide Daten aus den beschlossenen Öffnungen abwarten.