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Karlsruhe: Karlsruher Kinderhilfswerk in Not: "Wir möchten anerkannt werden und brauchen Hilfe"

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Karlsruher Kinderhilfswerk in Not: "Wir möchten anerkannt werden und brauchen Hilfe"

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    Staatssekretärin Ute Leidig (Mitte) besucht das Uneson Lernfreundehaus in Karlsruhe.
    Staatssekretärin Ute Leidig (Mitte) besucht das Uneson Lernfreundehaus in Karlsruhe. Foto: Lars Notararigo

    Über ein Jahr dauert der Ukraine-Krieg nun an - und damit sei er zum großen Teil im Gewohnheitseffekt der deutschen Öffentlichkeit versackt. Dieser Meinung ist zumindest Jasmin Sahin, Gründerin und Leiterin des Karlsruher Kinderhilfswerks Uneson Lernfreunde. "Und darunter leidet die Hilfsbereitschaft", meint sie.

    Jasmin Sahin von Uneson
    Jasmin Sahin von Uneson Foto: Lars Notararigo

    "Wir haben nach wie vor keinen Mangel an internen Ehrenamtlichen, die im Lernfreundehaus selbst mit anpacken. Aber von außen ist die Unterstützung deutlich stagniert. Beispielsweise hatten wir zu Kriegsbeginn bestimmt 20 freiwillige Übersetzer für die ukrainischen Kinder. Momentan haben wir immer noch überwiegend Kinder aus der Ukraine, aber deutlich größere Schwierigkeiten, Übersetzer zu finden", sagt Sahin.

    Staatssekretärin Ute Leidig besucht Uneson

    Besonders bei Kommunikation und Zusammenarbeit mit Stadt und Land sehe Sahin noch unerschlossenes Potenzial. "Aus diesem Grund haben wir am Freitag verschiedene Repräsentanten aus der Stadtverwaltung und der Landesregierung eingeladen. Von der Stadt die Grünen Stadträtin Iris Sardarabady und vom Land die Staatssekretärin des Sozialministeriums, Ute Leidig", so Sahin.

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    Foto: Lars Notararigo

    Die Hoffnungen die das Uneson-Team in diese Zusammenkunft setze, erklärt Hans Ulrich Ulmer, ein weiteres Gründungsmitglied des Uneson Kinderhilfswerks. "Es geht uns nicht primär um neue finanzielle Förderungen", sagt er dazu.

    "Es geht uns nicht primär um finanzielle Förderung"

    "Natürlich gibt es auch beim Lernfreunde Haus, das zum größten Teil ehrenamtlich geführt wird, einige wichtige Projekte, die größerer finanzieller Unterstützung bedürfen. Etwa die Bezahlung unserer Ukrainischen Kinderpsychologin Yulia Marchenko oder den Einsatz eines Ehrenamtskoordinators für unser Projekt Kleiderkammer, die wir mangels genügend Unterstützung jetzt leider nur zweimal die Woche betreiben können", so Ulmer.

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    Foto: Lars Notararigo

    "Vor allem aber wollen wir als Ehrenamtliche direkter in den bürokratischen Prozess eingebunden werden, mit denen im Land Baden-Württemberg den Kindern Geflüchteter geholfen wird und mit dem ihnen auch in der Fremde Bildung und Betreuung ermöglicht werden soll", wie er erklärt.

    "Wir betreuen und beschulen Jugendliche..."

    Was genau das bedeutet erklärt Uneson-Leiterin Sahin im Gespräch mit Sardarabady und Leidig. "Zum Beispiel arbeiten wir sehr eng mit der LEA, der Landeserstaufnahmestelle für Geflüchtete hier in Baden-Württemberg zusammen. Dies ist auch offiziell vertraglich geregelt", sagt sie. 

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    Foto: Lars Notararigo

    "Die LEA vermittelt uns viele Kinder aus verschiedensten Herkunftsländern, momentan aber hauptsächlich aus der Ukraine. Diese Kinder werden bei uns ehrenamtlich betreut. Kindern aus der Ukraine bieten wir außerdem die Möglichkeit am Online-Unterricht teilzunehmen, den das ukrainische Bildungssystem derzeit anbietet", so Sahin.

    "Da die meisten, wenn auch nicht alle, geflüchteten Schüler nach sechs Monaten ins deutsche Schulsystem eingegliedert werden, findet diese Betreuung oft nachmittags statt", erklärt sie weiter.

    "...werden aber selten als Bildungseinrichtung wahrgenommen"

    Anders verhalte es sich aber bei Einzelfällen. "Einige Schüler beschulen wir selbst. Und zwar morgens. Etwa einen syrischen Jungen von 15 Jahren, der unbegleitet nach Deutschland kam und nur schwer einen Schulplatz findet. Genauso zwei Grundschulkinder, die der Sonderpädagogik unterliegen und denen wir auch morgens Unterricht geben. Natürlich mit qualifiziertem Personal", sagt sie.

    Problematisch sei für all diese Anstrengungen das Folgende, wie Sahin fortfährt: "Obwohl wir sehr viel Arbeit auf die bestmögliche Betreuung der Kinder eingehen, werden wir selten als Bildungseinrichtung wahrgenommen. Was wir leisten gerät nur selten an die Öffentlichkeit und oft hören die Leute nur durch Mundpropaganda von uns, oder dass sie mit uns den Kindern helfen können."

    "Wir überlegen uns regelmäßig, ob wir Uneson auflösen sollen"

    Laut Sahin und Ulmer wünsche sich das Lernfreundehaus schon seit längerer Zeit, eine direkte Kooperation mit Land oder Stadt, auch um das Ehrenamt aufrecht zu erhalten.

    "Wir finanzieren uns durch Spenden und müssen dennoch monatliche Kosten von zirka 5.000 Euro stemmen, manchmal mehr. Wir haben uns schon mehrfach mit den Uneson-Mitgliedern zusammengesetzt und uns gefragt, ob wir das Lernfreundehaus schließen sollen. Ob Uneson überhaupt noch erwünscht ist", so Ulmer.

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    Foto: Lars Notararigo

    Viele der Ausführungen der beiden Ehrenamtlichen stoßen bei Staatssekretärin Leidig auf Sympathie. "Besonders die Anstellung einer Psychologin schätze ich sehr. Da ich selbst Psychologin bin, ist mir sehr wohl bewusst, dass viele Kinder aus der Ukraine traumatisiert sind und individuelle Zuwendung benötigen", sagt Leidig.

    Andere Strukturen seit 2015

    Im gleichen Atemzug betont sie den Wert des Ehrenamtes. "2015 als die Flüchtlingszahlen Rekordhöhe erreichten gab es nicht die offiziellen Strukturen, die es heute gibt. Natürlich nahm die LEA viele Menschen auf, aber der Staatsapparat war damals nicht in der Lage, sie anschließend in so großer Zahl in die Gesellschaft zu integrieren und so wurde die LEA über- und kaum entlastet."

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    Foto: Lars Notararigo

    Nur mithilfe ehrenamtlicher Vereinigungen konnten die Geflüchteten laut Leidig in dieser Form versorgt werden. "Vieles, was das Ehrenamt 2015 leistete wurde auch in offizielle Strukturen aufgenommen. Das Ehrenamt ist sehr schnell und effizient, hat aber leider den Nachteil, das es oft nicht die Verlässlichkeit einer offiziellen Struktur hat", sagt sie. "Dennoch darf man es nicht vernachlässigen, auch wenn die offiziellen Wege mittlerweile nachgebessert wurden."

    Fördertöpfe und Bürokratie

    Ob diese Wertschätzung für Uneson aber in konkrete Hilfe umschlagen werde, sei derzeit noch nicht abzusehen. "Leider ist es nicht ganz einfach, eine ehrenamtliche Organisation zu unterstützen. Zuerst muss festgestellt werden, über welchen genauen Fördertopf Uneson vom Land Hilfe erhalten kann", erklärt die Staatssekretärin.

    "Integration wird zum Beispiel über eine andere Hilfslinie gelöst als außerschulische Betreuung oder Versorgung mit Hilfsgütern. Da das Uneson verschiedene dieser Bereiche bedient, muss erst geklärt werden, welche Hilfen wofür erwartbar sind", sagt sie. "Die Stadt hat dahingehend einen größeren Vorteil, da sie die Summen vom Land freier und unbürokratischer Verteilen kann."

    "Der Doppelhaushalt steht schon fest"

    Aber auch Sardarabady könne als Mitglied des Gemeinderats könne keine Versprechen abgeben. "Der Gemeinderat kann leider keine festen Zusagen treffen. Wir unterstützen ehrenamtliche Vereinigungen schon in hohem Maße. Im derzeitigen Doppelhaushalt der Stadt haben wir leider keine ausreichenden Spielräume um dem Uneson weitere Mittel zukommen zu lassen", sagt sie.

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    Foto: Lars Notararigo

    Ohne jede Zusage verlässt Leidig das Lernfreundehaus aber auch nicht. "Der große Aufwand, den Uneson betreibt ist während meines Besuchs für mich deutlich geworden. Ich werde also auf jeden Fall überprüfen ob und für welche Hilfsleistungen des Landes das Lernfreundehaus geeignet ist."

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