Wenn sich Jasmin Sahin, Gründerin des Hilfswerks Uneson Lernfreunde, an das gefährdete Projekt "Kleiderkammer" zurückerinnert, komme ihr nicht zuletzt seine wachsende Beliebtheit in den Sinn. "Seit wir das Projekt 2016 ins Leben gerufen haben, war der Zuspruch enorm. Und damals haben wir ausschließlich Asylbewerber der Landeserstaufnahmestelle versorgt."

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Jasmin Sahin vor dem Uneson Lernfreundehaus (Archivbild). | Bild: Lars Notararigo

Versorgung nämlich sei das Ziel dieser Initiative. Wie der Name schon sagt, gehe es dabei hauptsächlich um Kleidung. "Wir haben Kleider und Schuhe in fast jeder Größe, für Damen, Herren und Kinder jeden Alters - Jungs und Mädchen. Dann noch Schulranzen, Taschen, Kinderwagen, Handtücher, Bettbezüge und einiges mehr, alles davon wird gebraucht von Karlsruhern gespendet", so Sahin.

"Kleiderkammer" wächst immer weiter

Diese Textilien wurden von den rein ehrenamtlichen Mitarbeitern des Uneson Hilfswerks aufbereitet, gereinigt, gebügelt und kostenlos an Menschen herausgegeben, die Hilfe benötigten. "Nachdem sich der Zuspruch über zwei Jahre immer weiter vergrößert hat, haben wir die Kleiderkammer 2018 für jeden und nicht nur für Asylbewerber geöffnet", so Sahin.

Uneson Kleiderkammer
Eine Abteilung der Uneson-Kleiderkammer. | Bild: Uneson Lernfreundehaus Karlsruhe

Seitdem sei die Klientel für das Angebot an Kleiderspenden immer weiter angestiegen. "Seitdem sind es kaum noch Asylbewerber, die gerne neue Kleidung von uns möchte. 90 Prozent der Menschen, die für die Kleiderkammer zu uns kommen, sind Karlsruher. Momentan hauptsächlich Ukrainer, aber auch Deutsche - etwa Alleinerziehende oder Rentner, die leider unterhalb der Armutsgrenze leben."

Zu groß für Koordination?

Und die Nachfrage reiße nicht ab, wie Sahin weiter ausführt: "Die Kleiderkammer ist vier Tage die Woche geöffnet. Stellenweise stehen dabei insgesamt 250 Leute vor unseren Türen und möchten gerne Kleiderspenden haben. Natürlich hätten wir dabei auch gerne einen Nachweis, dass sie diese auch brauchen", sagt Sahin.

Uneson Kleiderkammer
Auch bei Schuhen sei "Willkommen" das Leitthema. | Bild: Uneson Lernfreundehaus Karlsruhe

Einen Mangel an Kleiderspenden habe es laut der Uneson-Leiterin aber niemals gegeben. "Im Gegenteil, in manchen Wochen haben wir sogar mehr Kleiderspenden, als wir vergeben könnten. Unser Problem liegt an ganz anderer Stelle." Das Projekt werde zu groß, um es zu koordinieren.

Projekt "Kleiderkammer" vor dem Kollaps?

"Sie müssen es sich folgendermaßen vorstellen", erklärt Sahin. "Fast alle unserer Helfer arbeiten ehrenamtlich bei uns - parallel zum eigenen Beruf. Das heißt nicht jeder kann den ganzen Tag und manche können auch nur für ein paar Stunden in der Woche übernehmen. Trotzdem müssen sie sich natürlich um alle anfallenden Aufgaben kümmern."

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Dazu gehöre nicht nur die Kleiderkammer, sondern auch das Lernfreundehaus als Kinderhilfswerk, die Lernbetreuung und vieles mehr. Das alles finde in verschiedenen Sprachen statt. "Natürlich können wir die Menschen, die um Kleidung bitten, nicht einfach auf den Hof lassen, wo die Kinder spielen, es sind letztlich Fremde", sagt Sahin.

Uneson Kleiderkammer
Anwärter auf kostenlose Kleidung werden einzeln hineingelassen. Über kleine Empfänger werden sie gerufen - die Wartezeit könne 20 Minuten betragen. | Bild: Uneson Lernfreundehaus Karlsruhe

"Also müssen wir sie vor den Toren stehen lassen, bis unsere Mitarbeiter sie parallel zu ihren anderen Aufgaben versorgen können. Und das können wir im Winter natürlich nicht verantworten. Leider haben wir auch nicht die Zeit, unsere Ehrenamtlichen neben der anfallenden Arbeit noch vernünftig einzuweisen und die Aufgaben so über die Woche zu verteilen, dass alle Projekte abgedeckt sind. Und wenn das so bleibt, steht die Kleiderkammer vor dem Kollaps."

Ein Koordinator von der Stadt?

Um die "Kleiderkammer" zu retten, brauche das Uneson Kinderhilfswerk also eine Koordinationsstelle - genau gesagt einen professionellen Koordinator, wie Sahin fortfährt: "Ehrenamtskoordinatoren sind ein wichtiger Baustein, wenn man den Leuten kostenlos helfen will. Wir haben auch jemanden im Auge, den wir entweder fest oder zu Dreivierteln einstellen wollen. Leider fehlt uns das Geld."

Uneson Kleiderkammer
Kleider gebe es genug, es fehle nur jemand, der sie koordiniert. | Bild: Uneson Lernfreundehaus Karlsruhe

Mit einem Jahresgehalt von zirka 30.000 Euro brutto solle der Koordinator die Geschicke des Hilfswerks lenken und damit den Hilfsbedürftigen effizient Hilfe zuweisen. "Er soll die Kleider, die Hilfesuchenden und die Mitarbeiter verwalten. Und um ihn bezahlen zu können, haben wir uns an die Stadt gewandt. Leider hieß es von der Verwaltung, dass sie nicht das Geld habe, uns eine solche Stelle zur Verfügung zu stellen", sagt Sahin.

"Die Stadt hat mehr Ausgaben als Einnahmen"

Um diese Aussage zu verifizieren, fragt ka-news.de beim Dezernat 3 für Jugend und Soziales der Stadt Karlsruhe an. "Ja, Frau Sahins Aussagen sind korrekt. Da die Stadt derzeit mehr Ausgaben als Einnahmen hat, können wir die Kosten eines Ehrenamtskoordinators leider nicht tragen", sagt ein Sprecher des Dezernats.

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Das bedeute aber keinesfalls, dass die Stadtverwaltung Uneson gegenüber nicht wohlwollend eingestellt ist, wie der Sprecher betont: "Immerhin bezuschusst die Stadt das Lernfreundehaus auch sehr gerne und sofern das Hilfswerk noch andere Spendenquellen bezieht, ist die Stadt auch gerne bereit, uns zu beteiligen und auch finanzielle Lücken in kleineren Dimensionen zu füllen. Allerdings hat Frau Sahin auch noch keinen offiziellen Antrag eingereicht."

"Das Ende der Kleiderkammer wäre für viele eine Katastrophe"

Jene Aussagen werden wiederum von Sahin bejaht: "Wir sind der Stadt auch sehr dankbar um ihre bisherigen Zuschüsse und ja, einen Antrag haben wir bisher noch nicht gestellt. Aber ein Antrag benötigt Zeit und Aufwand, die wir schon für die Koordination nicht aufbringen können", sagt Sahin. "Allerdings hat die Stadt recht damit, dass wir anderweitige Spenden benötigen."

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Aus diesem Grund plane das Lernfreundehaus schon seit mehreren Wochen, eine Spendenaktion unter Karlsruher Bürger zu bringen, die nun auch auf ihrer Website zu finden sei. "Kleiderspenden haben wir nach wie vor genug, aber wir bräuchten sehr schnell Geldspenden, um einen Koordinator anzustellen", erklärt die Inhaberin.

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Auch das Unison Lernfreundehaus verwalte sich nicht von selbst. | Bild: Lars Notararigo

Denn: "Ehrenamtlich können wir die Koordination des Hilfswerks und der Kleiderkammer nicht stemmen, wodurch wir die Kleiderkammer schließen müssten, um die Kinder weiter betreuen zu können", sagt Sahin. "Und das wäre für viele weniger privilegierte Karlsruher eine Katastrophe."