Zunehmender Leerstand hatte 2018 die Debatte über die Zukunft der Karlsruher Südstadt ausgelöst: sanieren und damit die Straßenzüge aufwerten oder nicht? Die Entscheidung haben schließlich die Bewohner des Stadtteils schnell für die Verantwortlichen gefällt: Die ersten Investoren klopften an und die Angst vor einer Welle der Luxussanierungen und damit vor dem Verlust des typischen Kiez-Charakters der Südstadt wuchs.
Die Anwohner und die Bürger-Gesellschaft der Südstadt verschafften sich Gehör: Ein sogenannter "Milieuschutz" für den Karlsruher Stadtteil soll her. Doch bisher lies der Beschluss auf sich warten - bis jetzt.
Stadt will ein Vorkaufsrecht
Denn in der kommenden Gemeinderatssitzung am Dienstag steht genau das auf der Tagesordnung: die faktische Schaffung einer Milieuschutzsatzung für die "alte Südstadt", begrenzt durch die Baumeisterstraße im Norden, die Ettlinger Straße im Westen, die Nebeniusstraße im Süden und die Scherrstraße im Osten.
"Der Aufstellungsbeschluss eröffnet die Möglichkeit, bereits während der Phase der Satzungsvorbereitung und Durchführung von Voruntersuchungen, von den Möglichkeiten der Regelungen zur Zurückstellung baugenehmigungspflichtiger Vorhaben und zur vorläufigen Untersagung nicht baugenehmigungspflichtiger Vorhaben Gebrauch machen zu können", erklärt die Stadt in ihrer Beschlussvorlage.
Mit anderen Worten: Stimmt der Gemeinderat am Dienstag der Aufstellung der Milieuschutzsatzung zu, kann die Stadt so ab sofort weitere Verkäufe an Investoren verhindern.
Zusätzlich soll der Stadt für bestimmte Bereiche der Südstadt ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden. Bedeutet: Der Milieuschutz ist damit zwar (noch) nicht verabschiedet, ihm steht aber auch nichts mehr im Wege.
"Die Investoren merken, dass der Spielraum enger wird"
Die Freude bei den Initiatoren ist groß: "Ich bin sehr froh über die Vorlage und man sieht, dass die Verwaltung hier viel Arbeit investiert hat", sagt Mathilde Göttel, Stadträtin der Die Linke-Fraktion und Befürworterin des Milieuschutzes, im Gespräch mit ka-news.de. "Der lange Atem der Bürger in der Südstadt wird nun belohnt. Wir haben nun die Möglichkeit, Investoren einen Riegel vorzuschieben."

Dafür sei es laut Göttel auch höchste Zeit gewesen, denn: In den vergangenen Wochen seien mehrere Bauanträge für Gebäude in der Südstadt eingegangen. "Die Investoren merken, dass der Spielraum enger wird und wenn wir am Dienstag auf unsere Knöpfe drücken, bewirken wir, dass Fakten, die gegen einen Milieuschutz sprechen, verhindert werden", so Göttel.
Die Linke-Stadträtin, weitere Befürworter im Karlsruher Gemeinderat und auch der Bürgerverein der Südstadt vertraten und vertreten die Ansicht, Verdrängungsdruck und -potenzial seien in der Südstadt enorm und die Bürger müssten vor diesem Druck geschützt werden.
Vor allem südliche Südstadt ist gefährdet
Nach Voruntersuchungen des Stadtplanungsamts im Sommer 2020 sieht die Verwaltung um Oberbürgermeister Mentrup dies nun ähnlich. Untersucht wurden dabei die 70 Stadtviertel in Karlsruhe mit 33 Indikatoren auf die Dimensionen Verdrängungspotenzial, Verdrängungsdruck und bauliches Aufwertungspotenzial.

Das Ergebnis: Vor allem der südliche Teil der Südstadt zwischen Nebenius- und Luisenstraße sei hier gefährdet und wird als "Verdachtsgebiet" eingestuft. Laut Stadtverwaltung sei der Verdrängungsdruck hier "im gesamtstädtischen Vergleich besonders hoch" und die bauliche Struktur biete "überdurchschnittliches Aufwertungspotenzial".
Ähnlich wird die Situation im Norden zwischen Luisen- und Baumeisterstraße bewertet. Beispielsweise seien sowohl im südlichen als auch im nördlichen Teil der Südstadt "mehrere tendenziell verdrängungsgefährdete Bevölkerungsgruppen" überdurchschnittlich vertreten.

"Allen voran liegt der Ausländeranteil im südlichen Teil (27,8 Prozent) und besonders im nördlichen Teil der Südstadt (30,4 Prozent) deutlich über dem Karlsruher Durchschnitt von 18,3 Prozent", meint die Stadt in ihrer Stellungnahme.
Bis zur Verabschiedung des Milieuschutzes dauert es noch
Damit ist die Rechtfertigung für das Durchringen der Milieuschutzsatzung und somit auch der Erhalt der Südstadt offiziell faktisch in trockenen Tüchern. Bis das allerdings den Bürgern der Südstadt schwarz auf weiß als Satzung vorgelegt werden kann, wird es noch eine Weile dauern.
"Jetzt stehen noch tiefergehende Untersuchungen an, es wird noch einmal das genaue Gebiet definiert und es kommt auch darauf an, wie schnell die Stadt die entsprechenden Stellen für die Umsetzung besetzt", meint Linke-Stadträtin Göttel im Gespräch mit ka-news.de. Sie rechne daher mit einer endgültigen Verabschiedung erst in ein bis zwei Jahren.

Dass die Beschlussvorlage für die Satzung am Dienstag die Mehrheit im städtischen Gremium auf sich vereinen kann, daran zweifelt Göttel nach eigenen Angaben nicht. "Ich denke, es wird eine breite Zustimmung im Gemeinderat geben."
Dienstag, 23. März
17:12 UhrGemeinderat stimmt Vorlage der Stadt zu
Der Aufstellungsbeschluss für einen Milieuschutz in der Karlsruher Südstadt kommt. Der Gemeinderat stimmt der Vorlage der Stadt mehrheitlich mit 38 zu acht Stimmen zu. Damit erhält die Stadt für bestimmte Gebiete in der Südstadt ein Vorkaufsrecht und kann Investoren den Kauf von Immobilien verbieten.
Im Gremium stößt die Vorlage der Stadt auf breite Zustimmung, jede Fraktion stimmt für die Umsetzung der Vorlage lediglich die CDU entscheidet sich nahezu geschlossen für ein "Nein." Stadtrat Tilmann Pfannkuch sagt: "Die Vorschriften für eine solche Satzung sehr streng und die Vorlage der Stadt ist ein rechtliches Risiko. Auch aus diesem Grund unterstützen wir das Projekt nicht, wünschen aber, das es gelingt."
Die Linke-Stadträtin Mathilde Göttel zeigt sich in der Diskussion glücklich und fordert die Verwaltung auch dazu auf, die "heute gewonnenen Werkzeuge auch zu nutzen." Außerdem lobte sie das Engagement der Bürger und des Bürgervereins in der Südstadt. "Ich möchte den Bürgern in der Südstadt ausdrücklich meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen. Sie werden heute für ihren langen Atem belohnt."
Jürgen Wenzel, Stadtrat der Freien Wähler und Für Karlsruhe resümiert: "Es, lebe die Südstadt, die Bürger dort verdienen die Unterstützung der Politik."
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