Startseite
Icon Pfeil nach unten
Karlsruhe
Icon Pfeil nach unten

Karlsruhe: Jollystraße 41: Hier lebte Familie Billigheimer – und starb in Auschwitz

Karlsruhe

Jollystraße 41: Hier lebte Familie Billigheimer – und starb in Auschwitz

    • |
    • |
    Stolpersteine. (Symbolbild)
    Stolpersteine. (Symbolbild) Foto: Thomas Riedel

    Der Lernort Kislau lädt am 22. März zur Stolpersteine-Putzaktion in Karlsruhes Außenstadtteilen ein. Dabei werden die über 300 verlegten Gedenksteine gereinigt.

    • Treffpunkt: Samstag, 22. März 2025, 15 Uhr auf dem Gutenbergplatz
    • Veranstalter: Lernort Kislau

    Stolpersteine: Das größte Mahnmal der Welt

    Seit 1996 verlegt der Berliner Künstler Gunter Demnig Stolpersteine. Diese platziert er auf den Bürgersteigen vor den ehemaligen Wohnungen und Häusern von Menschen, die unter den Nationalsozialisten verfolgt und teilweise ermordet wurden.

    Gunter Demnig
    Gunter Demnig Foto: Katherine Qinlan-Flatter

    Inzwischen gibt es mehr als 75.000 Steine in deutschen Kommunen und in 24 europäischen Staaten – somit ist das Projekt das größte verteilte Mahnmal der Welt.

    Schicksal aus der Südweststadt: Die Familie Billigheimer

    Die Familie Billigheimer: Hannelore, Ingrid, Irma und Kurt, wohnten in der Jollystraße 41. 1942 wurden die drei Frauen in Ausschwitz ermordet (Kurt wird erst 1944 hier umgebracht).

    Kurt Billigheimer wurde 1897 in Karlsruhe geboren, wo sein Vater eine Firma in der Luisenstraße hatte. Im Ersten Weltkrieg diente er an der Westfront und wurde dreimal verwundet. 1927 heiratete er Irma und danach lebten die beiden in der Kaiserstraße. Ab 1933 zogen sie in die Jollystraße 41.

    Familie Billigheimer, Jollystraße 41
    Familie Billigheimer, Jollystraße 41 Foto: Katherine Qinlan-Flatter

    Kurt arbeitete als Handelsvertreter für die Ankerwerke in Bielefeld aber nach der Machtübernahme 1933 wurde sein Vertrag mit der Firma aufgelöst, weil er Jude war. Inzwischen waren seine Töchter Ingrid 1928 und Hannelore 1929 geboren.

    Die Familie beabsichtigte 1940 in die USA auszuwandern aber der Versuch ist gescheitert. Am 11. September 1942 wurden Irma und Ingrid mit ihrer Mutter Hannelore nach Ausschwitz transportiert. Wahrscheinlich sind sie unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet worden. Am 7. Dezember 1943 kam auch Kurt nach Ausschwitz, wo er 1944 gestorben ist.

    Die Verfolgung der Juden

    Die Nationalsozialisten verfolgten das Ziel, Europa "judenfrei" zu machen. Ab 1933 fingen sie an, die Rechte jüdischer Bürger einzuschränken, mit der Absicht, sie zum Verlassen des Landes zu zwingen. Der Auswanderungsprozess war jedoch für viele Juden schwer und die Auswanderung schritt nur langsam voran. Im Juli 1941 wurde Reinhard Heydrich beauftragt, "eine Gesamtlösung der Judenfrage" in Europa zu treffen.

    In der 90-Minuten Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 entschieden hochrangige NS-Funktionäre kaltblutig über das Schicksal der jüdischen Bevölkerung in Europa, was in der Welt als "Endlösung der Judenfrage" bekannt wurde.

    Auf der Konferenz wurde beschlossen, dass die jüdische Bevölkerung in den Osten deportiert wird, um zum geeigneten Arbeitseinsatz zu kommen. Das ultimative Ziel war die Vernichtung dieser Menschen, wobei dies auf der Konferenz nicht ausgesprochen wurde. In den Monaten nach der Konferenz wurden Millionen von Juden in Lager in Osteuropa deportiert, wo die meisten durch Giftgas ermordet wurden. 

    Adlerstraße 28: Hier wohnte Albert Glatt – Tapferkeit im Ersten Weltkrieg, getötet 1940

    Ab 1939 wurden Bewohner von Heilanstalten in einer Euthanasie-Aktion umgebracht. Albert Glatt, der in der Adlerstraße 28 wohnte, wurde 1940 in Schloss Grafeneck bei Reutlingen ermordet. In dieser Tötungsanstalt wurden im Rahmen der Aktion T4 10.654 Menschen, vor allem aus Bayern, Baden und Württemberg, ermordet.

    Da Albert 1890 geboren wurde, ist davon auszugehen, dass er im Ersten Weltkrieg gedient hat. Die Zeitungen berichtet von einem Kanonier Albert Glatt aus Karlsruhe, dem der Großherzog während des Ersten Weltkrieges Medaillen für Tapferkeit verliehen hat.

    Während und nach dem Ersten Weltkrieg haben sehr viele Soldaten an posttraumatische Belastungsstörung (PTB) gelitten, eine ernsthafte psychische Erkrankung, die nach einem traumatischen Ereignis auftritt. Heute wird die Krankheit erkannt und behandelt aber vor 100 Jahren war dies nicht der Fall und betroffene Personen wurden im besten Fall in Heilanstalten untergebracht.

    Albert wurde direkt am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 in die Heilanstalt Wiesloch "verlegt". Am 15. Juli 1940 wurde er im Rahmen der Aktion T4 umgebracht.

    Aktion T4 – die Euthanasie

    Unter den Nationalsozialisten wurden verschiedene Menschengruppen verfolgt und ermordet – darunter Juden, Homosexuelle und Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen. Diese letzte Menschengruppe fiel der sogenannten "Aktion T4" zum Opfer, die Bezeichnung für das Massenmord an mehr als 70.000 Menschen mit Behinderungen unter der Leitung der Zentraldienststelle in der Tiergartenstraße 4 (T4) in Berlin.

    Die Nationalsozialisten wollten die Fortpflanzung von Menschen mit einer Erbkrankheit verhindern und ihr Mittel dazu war die Vernichtung von "lebensunwertem Leben". So wurde beispielsweise ab 1933 die Sterilisation von Menschen mit erblichen Krankheiten eingeführt und der Schwangerschaftsabbruch bei diagnostizierter Erbkrankheit legalisiert.

    Max Billmann, Viktoriastraße 7
    Max Billmann, Viktoriastraße 7 Foto: Katherine Qinlan-Flatter

    Viktoriastraße 7: Hier wohnte Max Billmann - getötet, weil homosexuell

    1936 wurde der 28-jährige Max Billmann aus Karlsruhe, Viktoriastraße 7, vor dem Landgericht Karlsruhe wegen Homosexualität angeklagt und verurteilt. Aufgrund eines gefundenen Liebesbrief musste er für fünf Monate ins Gefängnis. Sein 29-jährige Bruder Valentin, auch Homosexueller, wohnte in der Kaiserstraße 163 und stand unter Polizeiüberwachung.

    Valentin Billmann, Kaiserstraße 163
    Valentin Billmann, Kaiserstraße 163 Foto: Katherine Qinlan-Flatter

    In den Karlsruher Zeitungen erschien die Nachricht, dass Max als "Sittlichkeitsverbrecher" wegen "Verfehlungen im Sinne des § 175" vom Schöffengericht zu einer Strafe von fünf Monaten Gefängnis verurteilt wurde.

    Auszug aus Badische Presse, 11.12.1936 über Valentin Billmann
    Auszug aus Badische Presse, 11.12.1936 über Valentin Billmann Foto: Katherine Qinlan-Flatter

    Während Max im Gefängnis war brachte sich Valentin um. Nachdem seine Entlassung erfuhr er, dass sein Onkel, der ebenfalls Homosexueller war, ins Konzentrationslager Mauthausen deportiert wurde, wo er dann starb. Max beging 1937 auch Selbstmord.

    Die Homosexuellenverfolgung – wegen Homosexualität inhaftiert

    Die NSDAP war der Ansicht, Homosexualität sei nicht kompatibel mit der Parteiideologie der Nationalsozialisten. Ein Sonderdezernat in Berlin war mit der Bekämpfung der Homosexualität beschäftigt und verfolgte homosexuelle Männer. Ab 1934 wurden mehrere tausend homosexuelle Männer verhaftet und in die Konzentrationslager Columbiahaus und Lichtenburg deportiert.

    Politische Gegner: 11 Landtagsmitglieder wurden ermordet

    Auch politische Gegner der Nationalsozialisten wurden verfolgt. In Karlsruhe stehen auch vor dem Ständehaus 11 Stolpersteine für verfolgte Mitglieder des damaligen Badischen Landtags. Manche von ihnen sind im Konzentrationslager ermordet worden.

    Wie wird ein Stolperstein genehmigt und wer übernimmt die Kosten?

    Wenn man einen Stolperstein verlegen möchte muss man bei dem/der Bürgermeister/in beziehungsweise dem Rat der Stadt/Gemeinde eine "Genehmigung für das Verlegen von Stolpersteinen im öffentlichen Raum" beantragen. Die Kosten der Stolpersteine und deren Pflege werden durch bürgerschaftlichen Einsatz getragen.

    undefined
    Foto: Thomas Riedel
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden