1882 wird Jakob Kopilowitz in Litauen geboren und studiert mit 21 Jahren an der Technischen Hochschule Karlsruhe (heute das Karlsruher Institut für Technologie) Elektrotechnik – damals ein ganz modernes Fach. Seine spätere Ehefrau, Sophie Fitz, kommt in Deidesheim in der Pfalz zur Welt. Nach seinem Studium wird Kopilowitz Inhaber einer in der Gerwigstraße angesiedelten Fabrik für chemische Dentalprodukte.
Durch die Nazis zur Flucht gezwungen
Sein Sohn Kurt Theodor soll die Fabrik übernehmen, doch durch die Politik der Nationalsozialisten werden die Pläne zerstört. Im Jahr 1940 wird das Ehepaar Kopilowitz zunächst nach Gurs in Frankreich deportiert und zwei Jahre später von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Ausschwitz ermordet. Dem Sohn Kurt ist es gelungen, zuvor nach Palästina auszuwandern, wo er eine Familie gründet.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar", sagt Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) bei der Begrüßung der Gäste aus Israel im Haus Solms am Dienstag. "Dieser Satz ist die Antwort auf die Erfahrung der NS-Diktatur. Eine Gedenkkultur, wie wir sie in unserem Land und auch in unserer Stadt seit vielen Jahrzehnten pflegen, ist unverzichtbar."
Mentrup versichert den Gästen, dass ihre Vorfahren nicht vergessen seien – sie haben für Jakob und Sophie sowie für den Sohn Kurt die Gewissheit, dass ein kleines Denkmal am Ort ihres einstigen Lebens gesetzt ist. Allerdings sei es keine leichte Sache, die Verlegung der Steine zu organisieren.
Wer hat die Steine organisiert?
Der Förderverein, der früher die Stolpersteinverlegung organisiert und finanziert hat, ist nicht mehr dabei. Insgesamt hat die Familie vier Jahre lang versucht, die Steine legen zu lassen. Schließlich konnte die Angelegenheit über einen völlig anderen Weg gelöst werden.

Heidemarie Leins, frühere Stadträtin und heute Ortsrätin aus Bretten, hat über eine Freundin aus Israel erfahren, dass die Enkelkinder von Jakob Kopilowitz seit längerer Zeit vergebens versuchen, in Karlsruhe Stolpersteine legen zu lassen. Leins hat die Arbeit des ehemaligen Fördervereins übernommen und bereits viele Steine in Bretten gelegt – dabei hat sie auch mit dem Karlsruher Lehrer Dirk Lundberg zusammengearbeitet. Als sie von der Sache mit der Familie Kopilowitz erfuhr, hat sie ihn gebeten, mitzumachen.
"Es war äußert schwierig"
"Es war äußerst schwierig, die ganze Sache in Angriff zu nehmen", sagt Leins, die den Kontakt mit der Stadtverwaltung in Karlsruhe aufnahm. Insgesamt ging die Sache etwa zwei Jahre. Auch für die anderen acht am Montag gelegten Steine hat Heidemarie Leins die Organisation übernommen und mit den Nachfahren in aller Welt geschrieben. Derzeit arbeitet Leins an einem Ortsfamilienbuch über die jüdische Gemeinde in Bretten.

Dirk Lundberg nahm die Sache in Angriff und organisiert, zusammen mit Schülern des Kant-Gymnasiums die Verlegung der Stolpersteine. Die Schüler haben die Zeremonie organisiert, finanziert und umfassend dokumentiert. Auch für dieses Engagement bedankt sich OB Mentrup bei den Schülern, Lundberg und Leins.
"Es ist ein wunderbares Beispiel, wie man sich aktiv handelnd einbringen kann", so Mentrup. "Unser Wunsch war, dass die Schüler mit den Nachfahren in Kontakt kommen“, erklärt Lundberg. “Auch die Schüler wollten die Sache persönlich machen. Sie werden die Steine pflegen und dafür die Verantwortung übernehmen und das weiß die Familie auch. Solche Verbindungen sind für die nächste Generation sehr wichtig."
Mentrup: "Sehen uns verpflichtet an das Unrecht zu erinnern"
Das Ehepaar Asgad und David Alster fühlt sich in Karlsruhe sehr willkommen. Davids Familie lebte in der NS-Zeit in Köln, konnte aber bereits 1938 das Land verlassen. Für diese Zeremonie ist die ganze Familie gekommen, erklärt er, alle Kinder und Enkelkinder. Gustav Ziegler, der Architekt des Hauses Solms, in dem die Begrüßungsfeier stattfindet, habe auch die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Karlsruhe gebaut, erklärt Mentrup. Diese Synagoge wurde bei der Reichspogromnacht im November 1938 zerstört.

1971 wurde eine neue, moderne Synagoge errichtet. Aktuell gibt es im Stadtmuseum in Karlsruhe eine große Wanderausstellung "Gurs 1940 – die Deportation und Ermordung von südwestdeutschen Juden." "Die zwölf Jahre nationalsozialistische Herrschaft war ein ungeheurer Zivilisationsbruch, der nur möglich war, weil es so viele Mittäter und Mitläufer in Deutschland gegeben hat", sagt Mentrup.
"Wir sehen uns verpflichtet, an das im deutschen Namen begangene Unrecht zu erinnern und der Verjagten und Ermordeten zu gedenken". In diesem Sinne wird auch Dirk Lundberg weiterhin arbeiten. Seine Rolle in der Sache ist es, in Zukunft die Gedenkarbeit zu leisten. Das bedeutet: Mehr Steine legen, die Geschichten der Ermordeten zu recherchieren und nach den Nachfahren zu forschen.
Mentrup hofft, dass die Familie vielfältige positive Eindrücke von Karlsruhe mit nach Hause nimmt. "Sie haben uns ein Geschenk beschert, indem wir diese drei Menschen wieder in die Stadtgeschichte von Karlsruhe einbringen können", sagt Mentrup. "So können sie nicht mehr vergessen werden."
Hinweis: Kommentare geben nicht die Meinung von ka-news wieder. Der Kommentarbereich wird 7 Tage nach Publikationsdatum geschlossen. Bitte beachten Sie die Kommentarregeln und unsere Netiquette!