(mda)

Frau Lisbach, die Grünen haben bei der Kommunalwahl einen Sitz verloren - die Grünen-Fraktion hat jetzt noch 9 Sitze. Hadern Sie noch mit dem Ergebnis?

Eigentlich waren wir am Wahlabend mit dem Ergebnis ziemlich zufrieden. Wir haben nur 0,2 Prozent verloren, was vernachlässigbar ist. Wir haben prozentual gesehen unser Ergebnis von der letzten Wahl gehalten, das war auch unser Ziel. Es ist aber bedauerlich, dass wir aufgrund des neuen Zählverfahrens einen Sitz verloren haben - nach dem alten Zählverfahren hätten wir zehn Sitze bekommen.

Aber um im Gemeinderat etwas durchzusetzen, braucht man auch Mehrheiten. Das ist für die politische Arbeit oft wichtiger, als einen Sitz mehr oder weniger zu haben. Ich glaube, dass wir bei den Themen, für die wir früher im Lager links der Mitte Mehrheiten bekommen haben, auch weiterhin gut zusammenarbeiten können. Und ich bin zuversichtlich, dass wir auch unsere Grünen-Schwerpunkte setzen können.

Was sind denn Ihre Schwerpunkte?

Ganz grob umrissen: Nachhaltige Stadtentwicklung! Sozialer Wohnungsbau ist uns ganz wichtig, und zwar so, dass die Lebensqualität nicht darunter leidet. Das heißt: Hochwertig bauen und verdichten, aber gleichzeitig auch entsiegeln und begrünen, damit die Wohnqualität in den Quartieren weiterhin hoch bleibt.

Ein wichtiges Thema ist zudem die nachhaltige Mobilität: Wir müssen stärker auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger setzen - wie zum Beispiel das Fahrrad. Aber auch für die Fußgänger muss noch viel getan werden, auch damit sich ältere Menschen bei uns in der Stadt sicher bewegen können und wohlfühlen.

Das dürfte sich bei der aktuellen Baustellen-Situation als schwierig erweisen...

Die Kombilösung, die wir uns nie gewünscht haben, muss so erträglich wie möglich für die Bevölkerung und die Einzelhändler umgesetzt werden. Große Sorgen machen wir uns auch über die mit dem Projekt verbundenen hohen finanziellen Belastungen mit jährlichen Folgekosten im zweistelligen Millionenbereich. Und damit bin ich bei einem weiteren wichtigen Schwerpunkt unserer Politik, einem verantwortungsvollen Umgang mit den städtischen Finanzen, damit wir auch weiterhin ausreichend Geld für Sozialprojekte haben und der Ausbau von Ganztags- und Gemeinschaftsschulen sowie der Kinderbetreuung weiter vorankommt. Auch für Neubau und Sanierung des Städtischen Klinikums brauchen wir in den nächsten Jahren viel Geld. Das ist auch der Grund, warum wir häufig bei anderen Großinvestitionen etwas kritisch sind und sagen, es gibt dringendere Dinge, in die wir investieren müssen.

Den Grünen wird immer wieder vorgeworfen, sie würden Infrastrukturprojekte blockieren und so dem Fortschritt im Weg stehen. Sie haben zum Beispiel kürzlich gegen die Südumfahrung in Hagsfeld gestimmt.

Bei dieser Südumfahrung Hagsfeld haben wir nicht gesagt, wir wollen gar keine Straße bauen. Wir sehen sehr wohl, dass Hagsfeld eine Entlastung braucht. Aber da gibt es eine kleinere und sehr viel kostengünstigere Lösung, die etwa 35 statt 65 Millionen Euro kosten würde und in der Finanzierung für uns eine realistische Größenordnung ergibt. Dadurch sind die Chancen auch deutlich besser, dass das Land dieses Projekt mitfinanziert.

Aber eben erst Jahre später.

Das wird zwar behauptet, doch wir haben schon lange Zeit einen Stillstand, weil es bisher keine mehrheitsfähige Variante gibt, die bezahlbar ist. Das ist auch bei der Variante 1b das Problem, die aktuell auf dem Tisch liegt. Im Wahlkampf wollte zwar eine große Gemeinderatsmehrheit die Südumfahrung, aber keiner hat gesagt, wie sie finanziert werden soll. Diese Spielchen treibt man jetzt schon seit über zehn Jahren. Aus meiner Sicht wäre die kleine Umgehungsstraße die schnellere, weil realistische und finanzierbare Lösung. Außerdem hat eine kleine Straße mit einer Fahrbahn in jede Richtung den großen Vorteil, dass sie nicht zusätzlichen Verkehr anzieht.

Ein anderes Großprojekt, das Sie kritisch sehen ist der Bau eines neuen KSC-Stadions. Im Dezember 2013 sind die Grünen mit einen Antrag für einen Bürgerentscheid in der Stadionfrage im Gemeinderat gescheitert. Den Zeitpunkt sahen einige als Störmanöver. Steht die Grünen-Fraktion hinter einem KSC-Stadionneubau?

An unserer Einstellung hat sich nichts geändert. Wir haben beantragt, dass ein Umbau geprüft und geplant wird. Da liegen jetzt erste Zahlen vor, zu denen wir noch einige Fragen und Prüfaufträge an die Stadtverwaltung formulieren wollen. Wir sind weiterhin der Meinung, dass es nicht städtische Aufgabe ist, ein neues Stadion aus Steuergeldern zu finanzieren. Wir haben ja nichts gegen ein neues Stadion, sondern wir sagen, unsere Stadt hat jetzt dringendere Aufgaben. Natürlich ist uns auch klar, dass sich viele Bürger ein neues Stadion wünschen und das Geld, das für Umbau und Sanierung ohnehin ausgegeben werden muss, könnte auch in einen Stadionneubau fließen. Aber ein Großteil des Geldes für einen Neubau muss dann vom KSC und von Sponsoren kommen.

Die Grünen haben im OB-Wahlkampf Frank Mentrup als ihren offiziellen Kandidaten unterstützt. Fühlen Sie sich aktuell von OB Mentrup ausreichend repräsentiert als Grünen-Fraktion?

Wir finden, dass vieles sehr viel besser läuft als früher. Die Kommunikationskultur ist eine viel bessere geworden, wir werden auch mehr in Entscheidungsprozesse einbezogen und vieles ist transparenter geworden. Etliche unsere Initiativen sind positiv beantwortet worden, zum Beispiel ist in den Bereichen Umweltschutz und Klimaschutz eine größere Offenheit da. Aber es gibt natürlich auch Bereiche, in denen wir nicht einer Meinung mit Frank Mentrup sind. Wir sehen es auch nicht als unsere Aufgabe, alles, was der OB sagt und will, zu unterstützen. Wir haben unsere eigenen Positionen, die wir auch vertreten. Da unterscheiden wir uns sicher von manchen in der SPD, die ja auch gerne mal mit "ihrem" Oberbürgermeister Wahlkampf machen und dabei gelegentlich vergessen, dass Mentrup unser gemeinsamer rot-grüner OB-Kandidat war.

Sie haben auch einige sehr junge Menschen in Ihren Reihen. So ist Zoe Mayer die jüngste Stadträtin aller Zeiten in Karlsruhe. Wurde bei den Karlsruher Grünen ein Generationenwechsel eingeleitet?

Uns war schon immer wichtig, dass neue Mitglieder und auch junge Menschen dazukommen. Es ist auch nicht gut, wenn nur eine Generation im Gemeinderat vertreten ist. Bei den Grünen ist es immer schon so gewesen, dass es einen regen Wechsel gibt. Auf diese Weise haben wir auch diesmal wieder eine gute Mischung zwischen erfahrenen und neuen Stadträten in unserer Fraktion, darunter auch junge Menschen, die frischen Wind reinbringen.

Sie arbeiten als ÖPNV-Ingenieurin. Kürzlich hat die neue VBK-Doppelspitze ihre Arbeit aufgenommen. Was würden Sie Alexander Pischon und Ascan Egerer für ihre Arbeit mit auf den Weg geben?

Im Augenblick haben wir für den ÖPNV schwere Zeiten mit dem Bau der Kombilösung. Aktuell geht es darum, gute Informationspolitik zu machen und die Beeinträchtigungen der Fahrgäste so gering wie möglich zu halten, damit sie den Verkehrsbetrieben treu bleiben. Außerdem ist es wichtig, eine Preispolitik zu machen, die auch für die Fahrgäste nachvollziehbar ist. Große Preiserhöhungen, aber nicht den Service bieten können, der notwendig ist, dass passt einfach nicht zusammen. Auch eine gute Kommunikationspolitik in die Verkehrsbetriebe hinein ist wichtig. Bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat sich in den letzten Jahren eine große Unzufriedenheit angestaut - von ihnen wird immer mehr erwartet, aber viele vermissen Anerkennung und Wertschätzung. Auch hier muss einiges verbessert werden.

Ein Thema, auf das die Karlsruher Grünen immer wieder hinwiesen, ist die Integration von Flüchtlingen. Sie üben auch immer wieder Kritik an der "menschenunwürdigen Unterbringung" in Karlsruhe. Was muss sich aus Ihrer Sicht an der Flüchtlingspolitik ändern?

Da muss noch ganz viel getan werden, weil die Flüchtlingszahlen weiter steigen und es für uns es kein Weg ist, zu sagen: Wir machen jetzt einfach dicht. Wir müssen innerhalb Europas, aber auch innerhalb Deutschlands die Verantwortung verteilen. Insofern ist für uns klar, dass auch unsere Stadt und unsere Region mehr Flüchtlinge aufnehmen muss als bisher. Dafür ist in erster Linie das Land zuständig, aber auch wir als Stadt müssen menschenwürdige Unterkünfte und eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Unterkünfte in den Stadtteilen akzeptiert werden und dort keine allzu großen Konflikte entstehen. Dafür ist eine gute Begleitung vor Ort notwendig, damit, wenn es zu Konflikten kommt, dort jemand moderiert.

Außerdem muss es für die Kinder eine gute Betreuung und Sprachkurse geben. Wir haben uns in einem Gemeinderatsantrag erfolgreich für den kostenlosen oder kostengünstigen ÖPNV für Asylbewerber eingesetzt. Das hat zu einigem Wirbel geführt, ist aber eine vernünftige Sache. Denn es kommt bei Asylbewerbern zu vielen Schwarzfahrten, die oft aus der Not heraus oder auch aus reiner Unwissenheit passieren. Das ist alles sehr aufwendig, kostet viel Zeit und Geld. Daher brauchen wir ein vernünftiges Konzept, damit Flüchtlinge zum Arzt, zu Behörden oder zu ihren Sprachkursen kommen. Auch das ist für uns Teil einer Willkommenskultur.

Kritische Stimmen sagen, HartzIV-Empfänger werden auch sozial benachteiligt. Wo zieht man hier also die Grenze?

Wir sind auch für soziale Preise im ÖPNV - und mit dem Karlsruher Pass gibt es bereits Ermäßigungen. Die Flüchtlinge sind ja meist nur ein paar Wochen in Karlsruhe. Es geht also nur um eine begrenzte Zeitspanne und eine begrenzte Anzahl von Fahrten. Angemessen Fahrpreise besonders für einkommensschwache Familien sind uns natürlich auch ein wichtiges Anliegen, deshalb haben wir in den letzten Jahren auch viele Fahrpreiserhöhungen des KVV nicht mitgetragen.

Das Gespräch führte Moritz Damm

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