Bei so vielen Einzelschicksalen wirkt das Erbprinzenschlösschen, auch Amalienschlösschen genannt, fast verzaubert wie das Dornröschenschloss. Nach dem Tod des zweiten Erbprinzen wächst die alte Eibenhecke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um das Schloss immer höher und der Garten wird mit einem Eisengeländer umschlossen.
Eine Weile lang schläft es als vergessenes Geheimnis hinter dem Sammlungsgebäude – dem heutigen Naturkundemuseum – bis der Großherzog Friedrich im Jahr 1873 zwei Zimmer an die Musikbildungsanstalt abgibt. Heute sieht man nur noch Reste des Schlösschens in der ruhigen Parkanlage, hier und dort kleine Andenken aus der Vergangenheit – verborgene Geheimnisse und vergessene Geschichte.
Die Anfänge: Der Erbprinzengarten
Der Erbprinzengarten wird Anfang des 18. Jahrhunderts für den Erbprinzen Friedrich angelegt und erstreckt sich vom Landgraben bis zur Kriegsstraße und von der Karl-Friedrich-Straße bis zur Ritterstraße. 1787 geht der Garten über an Erbprinz Carl Ludwig und es beginnt eine grundlegende Neugestaltung.
Carl Ludwig und seine Frau Amalie wohnen zunächst beim Markgrafen Carl Friedrich im Karlsruher Schloss, doch nach seiner zweiten Eheschließung mit der 19-jährigen Luise Caroline beschließt das Ehepaar umzuziehen und fangen mit dem Bau eines neuen Heims auf dem Gelände des Erbprinzengartens an. Baudirektor Friedrich Weinbrenner wird mit dem Bau beauftragt.

Nach dem Plan werden auch die beiden durch die Erbprinzenstraße getrennten Gartenparteien durch einen unterirdischen, gewölbten Gang miteinander verbunden. Der Garten wird mit künstlichen Gewässern, Taxus-Pyramiden, Buchsbäumen, Orangen, Granaten und Lorbeerrosen geschmückt.
Der tragische Tod des Erbprinzen
Doch kurz bevor das Gebäude fertig wird stirbt der Erbprinz Carl Ludwig auf einer Reise bei einem Kutschenunfall. Amalie zieht sich in den Garten zurück und verbringt die Tage in dem Schlösschen, das dann 1802 fertig wird. Markgraf Karl Friedrich überlässt der Markgräfin Amalie den Erbprinzengarten als Eigentum und übernimmt die Kosten für dessen Einrichtung.

Amalie errichtet im Garten ein Denkmal zum Andenken an ihren verstorbenen Mann – den Gotischen Turm, 1802 von Weinbrenner erbaut. Im Zuge der Verlängerung der Lammstraße muss der Turm 1866 abgebrochen werden und der Rest wird bei einem Brand 1871 zerstört.
Im Schloß stirbt ein zweiter Erbprinz
Erbprinz Leopold ist der älteste Sohn des Großherzogs Leopold und zieht in den 1840er Jahren in das Schlösschen ein. 1852 wird er aufgrund einer "nicht heilbaren Geisteskrankheit" für regierungsunfähig erklärt und sein Bruder Friedrich übernimmt die Regierung. Leopold erhält dennoch den Titel "Großherzog".
Aber der Erbprinz leidet wahrscheinlich an schweren Depressionen und führt ein trauriges Schattendasein, es heißt – er darf das Haus und die Umgebung nicht verlassen. In "geistiger Umnachtung", wie berichtet wird, stirbt er 1858 im Schlösschen im Alter von 33 Jahren.
Eine Kaiserin Russlands aus Karlsruhe
In der heutigen Anlage liegt ein Gedenkstein mit einer inzwischen fast unleserlichen Inschrift. Der Denkstein ist eine Schenkung der Kaiserin Elisabeth von Russland, einer badischen Prinzessin, zur Erinnerung an ihren Besuch – ihre erste Rückkehr – im Jahr 1814. Elisabeth ist die Tochter von Erbprinz Carl Ludwig und Amalie und hängt sehr an ihrer Heimat Karlsruhe.
Der Stein, mit einem Text von Christoph Wielands Gedicht "Oberon", wird erst 1884 wieder gefunden, nach Entfernung von Moos und Flechten. Auch Elisabeth stirbt jung, im Alter von 47 an Herzversagen.

Musikschule und Badischer Frauenverein ziehen in das Schlösschen ein
Nachdem der Großherzog 1873 der Musikbildungsanstalt zwei Zimmer im Schloss unentgeltlich überlässt, zieht 1884 auch der 1859 von Großherzogin Luise gegründete Badische Frauenverein, ein Vorläufer der Rotkreuz-Schwesternschaft, in das Gebäude ein. Die Großherzogin sorgt dafür, dass hier eine Volksküche mit Speisesaal entsteht, die massenweise Essen zu erschwinglichen Preisen produziert. Der schöne Nymphengruppe-Brunnen wird 1891 von Johann Heinrich Weltring auf der Anlage errichtet und ist heute noch intakt.
Im Ersten Weltkrieg wird das Schlösschen in einen Kindergarten umgewandelt
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs werden in Karlsruhe mehrere "Kinderbewahranstalten", auch "Kriegskinderheime" genannt, für die Kinder der im Feld dienenden Soldaten eröffnet – von Säuglingsgruppen bis zu Kinder von 8 Jahren. Die Kinder können ab 6.30 Uhr kommen und gegen eine geringe Gebühr den ganzen Tag bleiben.

In der Anstalt im Erbprinzenschlösschen, das von der Großherzoglichen Familie zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wird, können Kinder bis 8 Jahren aufgenommen werden. Unmittelbar nach Kriegsausbruch ist die Stadtverwaltung verpflichtet, für die Familien der ins Feld gezogenen Soldaten zu sorgen.
Beamten erhalten weiterhin ihr Geld, ebenso wie die Familien von Arbeitern, die nach der Lohntabelle bezahlt werden. Die bedürftigen Familien der übrigen Soldaten erhalten eine reichsgesetzliche Unterstützung, die öfters nicht ausreicht.

Für diese Familien hat der Stadtrat eine Geldsammlung eingeleitet, auch hat das Rote Kreuz Geld gesammelt. Die Arbeit des von Großherzogin Luise gegründeten Badischen Frauenvereins ist jetzt erweitert worden. So sind für die Frauen der eingezogenen Soldaten Arbeitsplätze eingerichtet worden, in denen sie beispielsweise für Nähbeschäftigung bezahlt werden.
Organisiert wird das Ganze unter anderem vom Badischen Frauenverein und dem Roten Kreuz. Tagsüber, wenn sie arbeiten, dürfen sie die Kinder in die "Kinderkriegsheime" bringen. In etwa 200 privaten Familien werden nun täglich über 300 Kinder mittags gepflegt. Viele Kinder der Kriegsteilnehmer nehmen an der städtischen Schülerspeisung teil.
Wohltätigkeitsarbeit im Schlösschen zwischen den Kriegen
Nach 1919 werden das Schlösschen und der Garten für Vorträge, Festabende, Sommerfeste und Lesungen benutzt. Sieben Frauenvereine ziehen in das Schloss ein, darunter der Hausfrauenverbund und der Malerinnenverein. Im Dezember 1920 veranstalten sie einen Weihnachtsverkauf – Handarbeiten für den Haushalt.

Der Erlös geht an Damen, die "unter den Zeitverhältnissen leiden". Im Jahr 1923 verkaufen die Vereine gebrauchte Kleidung als Kleiderhilfe. Außerdem wird eine Nähstube für Damen errichtet, die ihre Garderobe selbst herstellen wollen. 1926 sucht das Jugendamt Kinder aus bedürftigen Familien aus, um in den Räumen des Erbprinzenschlösschens Weihnachten zu feiern. Heiße Schokolade und Kuchen werden am leuchtenden Tannenbaum angeboten. Die Kinder werden mit Kleidern, Spielzeugen und Büchern beschenkt.
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
Bei einem Luftangriff am 26. September 1944 wird das Schlösschen völlig zerstört. Es bleibt heute nur noch eine kleine Treppe vor einem ehemaligen Eingang mit einer integrierten Infotafel übrig.