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Karlsruhe: Ein bisschen Zauber in Durlach: Stephan Blinn ist Deutschlands bester Puppenspieler

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Ein bisschen Zauber in Durlach: Stephan Blinn ist Deutschlands bester Puppenspieler

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    Stefan Blinn und seine Puppen.
    Stefan Blinn und seine Puppen. Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    Die Puppe beginnt, erklärt Stefan Blinn, mit der Idee. Das heißt, Blinn erschafft zuerst das Konzept für einen Charakter und konzipiert eine Geschichte für ihn. Er macht dann Zeichnungen, wie alles funktionieren soll, manchmal benutzt er auch eine Modelliermasse dafür. Danach beginnt die Kreation der Holzfigur – zuerst immer der Kopf, dann die Hände.

    Blinn baut erste Puppe mit zehn Jahren

    Je nach Charakter – beispielsweise eine Balletttänzerin – studiert der Puppenspieler Bilder und Modelle, um zu eruieren, wie die jeweiligen Hände tatsächlich aussehen. Die kleinen Kostüme näht Blinn selbst.

    Pierrot, Blinns erste Holzpuppe.
    Pierrot, Blinns erste Holzpuppe. Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    "Die erste Puppe habe ich sehr früh gebaut, da war ich vielleicht zehn Jahre alt", erinnert er sich. "Ich bin auf dem Land groß geworden und in der damaligen Zeit kamen Puppenspieler in die Schulen. Für mich war es wie eine andere Welt, wie sie mit ihren großen Wohnwagen dastanden – das hat mich fasziniert."

    Die Technik des Führungskreuzes und die Mechanik

    Ihn hat nicht die Präsentation der Puppen, sondern die Technik gereizt – das Austüfteln und die Bewegung und wie sie miteinander zusammenhängen. "Ich kann an der Mechanik einer Bewegung wochenlang arbeiten", sagt der Puppenspieler – er sei eben Perfektionist. Weil seine Puppen fast immer alleine auf der Bühne auftreten, muss jede Bewegung sitzen.

    Alle treten auf: das Puppenkabinett.
    Alle treten auf: das Puppenkabinett. Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    Die Figuren sind sehr schwer und Blinn bedient in der Regel jeweils nur eine Puppe. Eine seiner Geschichten – "Der Ball der einsamen Herzen" – handelt um ein älteres Ehepaar, das einzeln in ein Café eintritt, sich kennenlernt und anschließend Tango zusammen tanzt. Die Puppen werden dann gekoppelt.

    Bei anderen mehrfigürlichen Auftritten, beispielsweise dem Golden Gate Quartett, einer Vierpuppen-Sängergruppe, führt eine Figur quasi die anderen mit.

    Puppen aus Pappmaché

    Seine ersten Puppen hat Stefan Blinn aus Pappmaché gemacht – sein Pappmaché-Clown ist noch vorhanden. Danach benutzte er eine Knetmasse, die man im Backofen härten konnte.

    Clown aus Pappmasche.
    Clown aus Pappmasche. Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    Die erste Holzfigur – Pierrot – hat er vor etwa 55 Jahren gebaut. Zu jeder Puppe hat er jedoch eine Verbindung – und wenn er die Puppe wechselt, dann wechselt er auch schauspielerisch gesehen den Charakter. Aber was fasziniert ihn so an dem Ganzen?

    "Letztendlich ist eine Puppe tot. Sie hängt an Fäden", erklärt Stefan Blinn. “Und damit ein Leben darzustellen und einen Inhalt zu senden, eine Geschichte daraus zu machen, das hat mir Spaß gemacht." Wenn die Puppen nicht in Aktion sind, dann hängen sie nur. Aber wenn es los geht, dann erzählen sie Geschichte. "Das Puppenspiel ist eine Art des Schauspiels", sagt Blinn.

    Kopf und Hände einer Puppe.
    Kopf und Hände einer Puppe. Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    "Aber als Schauspieler hat man mehr Möglichkeiten wie die Figur, weil die Figur schon begrenzt ist, sie kann nicht alles. Aber was die Figur an Bewegungen machen kann ist so intensiv, da ist sie teilweise den Menschen voraus." Und so passiert ein Stück Zauber, wenn die Puppe lebendig wird.

    Wenn der Puppenspieler seine Figur fertiggeschnitzt hat, stellt er die Puppe auf und dann kommen die ersten Schritte – “das Spannendste, was es gibt“, erklärt Stefan Blinn. "Dann muss ich schauen, was die Figur mir anbietet. Manchmal bietet mir die Puppe Dinge an, die ich gar nicht wusste. Und dann ergibt sich diese Charaktere."

    Die Marquise vom Oberammergau.
    Die Marquise vom Oberammergau. Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    Blinn führt Tänzerin Josephine Baker, Gitarrenspieler Bill Haley und Fritz den vorsichtigen Schlittschuhläufer vor. Jede Puppe spielt ihre eigene Nummer. Die Marquise von O(berammergau) kann sogar zaubern. Hinter einem seidenen Tuch zieht sie ihren Kopf ab.

    Das Puppentheater

    Im Jahr 1980 hat Blinn sein Puppentheater im Kammertheater gegründet. Hier hatte er immer an einem festen Abend gespielt. Und dann fing er an, auf Tour zu gehen, manchmal für einen Abend, manchmal für zwei bis drei Monate in den Varietés.

    Puppenkabinett
    Puppenkabinett Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    Blinn hat in den großen Varietés gespielt und musste für ein kurzes Geschäft oft lange fahren. "Es war sehr gemischt", sagt Blinn. "Aber es hatte sich gelohnt, es hatte sich geschäftsmäßig ausgeglichen." Das Publikum, ausschließlich Erwachsene, bestand in der Regel aus 300 bis 400 Leuten.

    "Ich habe auch größere Häuser bespielt, aber da sind die Puppen eigentlich zu klein und man hat nicht den Kontakt zum Publikum“, erklärt der Puppenspieler. "In Deutschland gibt es diese Art von Kultur nicht wirklich", sagt er. "In Osteuropa ging man mit festlicher Kleidung ins Puppentheater. Mit Kindervorstellung hat das nichts zu tun – obwohl es wichtig ist, dass Kinderpuppenspieler Kinder damit richtig unterhalten, denn das ist mein Publikum für später."

    Wie eine Puppe gebaut wird

    Der Kopf und die Hände sind das Wichtigste bei der Puppe, erklärt Blinn, denn sie bringen den Typus raus. Dann kommt der Korpus, und dann überlegt er sich, wie er die jeweiligen Bewegungen in das sogenannte Führungskreuz realisiert. Mit der improvisierten Mechanik wird die Bewegung Schritt für Schritt an der Figur ausprobiert, damit man weiß, wie lang beispielsweise ein Hebel sein muss.

    Bill Haley
    Bill Haley Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    Danach wird das fertige Kreuz gebaut und erst wenn alles funktioniert, dann bekommt die Puppe Haare, Maske und Kleider. Die Technik, die  Blinn in dem Führungskreuz benutzt ist ein bekanntes System. "Das habe ich nicht erfunden", sagt er. "Aber es ist für Standardfiguren gedacht, und ich versuche immer auf diesem System aufzubauen. Man kann da immer austüfteln."

    Pandemiebedingt bricht das Geschäft ab

    Vor der Pandemie hat das Geschäft gut funktioniert – "ich hatte noch gut zu tun", sagt der Puppenspieler. Er hatte eine Tour in Planung – diese wurde aber pandemiebedingt kurzfristig abgesagt. Danach ist das Geschäft eingebrochen. "Auch das Zuschauerverhalten hat sich verändert", erklärt Blinn. "Die Leute gehen immer weniger zu öffentlichen Veranstaltungen, früher pandemiebedingt, heute aus Bequemlichkeit. Es hat sich viel geändert."

    Stefan Blinn mit Tänzerin.
    Stefan Blinn mit Tänzerin. Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    In gewisser Weise ist es aber auch eine Erleichterung, dass er nicht mehr so hart arbeiten muss wie früher. Oft mehrere Stunden zu einer Veranstaltung mit mindestens acht schweren Koffern gefahren, hat Blinn dann zwei Stunden alleine alles aufgebaut und noch zwei Stunden gespielt, dann fast zwei Stunden eingepackt und meistens wieder nach Hause gefahren.

    "Die Puppenstars" heißt die Casting-Show im RTL, die der Puppenspieler letztes Jahr im Herbst gewonnen hat. Das Ganze wurde von Thomas Gottschalk moderiert und kam an einem Samstagabend im Fernsehen. "Ich fand es immer wichtig, egal wo ich aufgetreten bin, die Menschen zu unterhalten", sagt Blinn, "dass sie ins Theater gehen und amüsiert sind. Das hatte ich als meine Aufgabe gesehen."

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    Alle treten auf: das Puppenkabinett.
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