Sebastian Hahner (31) ist kein typischer Content Creator – sondern Informatiker, Wissenschaftler und YouTuber mit einem besonderen Blick für Technik und Bildung aus Karlsruhe.
Promotion und Studienbegleiter
Unter dem Namen skate702 teilt er seit 2010 seine Leidenschaft für digitale Themen. Angefangen mit Gaming-Videos, später mit Videos rund um Informatik, Coding und Wissenschaft. Heute betreibt Hahner seine Kanäle nur noch als Hobby, doch seine Inhalte haben viele junge Menschen bei der Studienwahl beeinflusst – und ihn bis zur Promotion am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) begleitet.

Im Gespräch erzählt Sebastian von seinen Anfängen auf YouTube, dem Spagat zwischen Forschung und Content Creation und seiner Faszination für Technik, die den Alltag verbessert und natürlich über Karlsruhe.
Sebastian, du hast mit 16 angefangen, Let’s Plays auf YouTube hochzuladen – heute bist du promovierter Informatiker. Wie fühlt es sich an, wenn du auf diese Entwicklung zurückblickst?
Es war ein langer Weg. Als ich 2010 mit Let’s Plays begann, war die Szene noch jung, kaum bekannt in Deutschland, und es fehlte an guter Software. Ich fand die kreative Freiheit spannend und hatte nie das Ziel, damit erfolgreich zu werden – damals war mit Werbung ohnehin kaum Geld zu verdienen.
Die Szene wuchs schnell, mein Kanal auch, und einige Jahre konnte ich sogar davon leben. Trotzdem habe ich mein Informatikstudium nie aufgegeben und mich schließlich für eine Promotion entschieden. Rückblickend war das die richtige Wahl – Informatik begeistert mich heute mehr als Videoproduktion, und die Creator-Szene hat sich mit dem Influencer-Mainstream leider eher negativ verändert. Ich bin dankbar für die Erfahrungen der letzten 15 Jahre, aber froh, YouTube wieder nur als Hobby zu betreiben.
Dein Kanal hat sich über die Jahre stark gewandelt: Gaming trat in den Hintergrund, Technik und Wissenschaft in den Vordergrund. Was hat diesen Wandel ausgelöst – und wie hat deine Community darauf reagiert?
DER WANDEL HATTE ZWEI HAUPTGRÜNDE. ZUM EINEN HABEN SICH MEINE INTERESSEN VERÄNDERT – FRÜHER WAR ES MINECRAFT UND SKATEN, SPÄTER INFORMATIK UND SOFTWARE ENGINEERING. ZUM ANDEREN HABE ICH TAUSENDE GAMING-VIDEOS PRODUZIERT, WAS IRGENDWANN ERMÜDEND WURDE UND WENIG RAUM FÜR KREATIVE ENTWICKLUNG LIESS.
ÜBERRASCHEND POSITIV WAR DIE REAKTION MEINER COMMUNITY. OBWOHL SOLCHE THEMATISCHEN WECHSEL OFT RISKANT SIND, HAT ES FUNKTIONIERT – VERMUTLICH, WEIL MEINE ZUSCHAUER*INNEN ÄHNLICH TICKEN. SCHON FRÜHER WAREN MEINE GAMING-VIDEOS TECHNISCH GEPRÄGT, ETWA DURCH MODIFIZIERTE MINECRAFT-VERSIONEN ODER REDSTONE-SCHALTUNGEN.
VIELE SIND MIT MIR GEWACHSEN: Ein Zuschauer erzählte mir kürzlich, dass er wegen meiner Videos Informatik studiert und nun promoviert. Ich hatte nie einen Masterplan – ich habe einfach das gemacht, was mir Spaß macht, und der Rest ergab sich.

Du hast Ende 2024 deine Doktorprüfung bestanden – herzlichen Glückwunsch! Dein Thema: „Architecture-Based and Uncertainty-Aware Confidentiality Analysis“. Kannst du uns in einfachen Worten erklären, worum es dabei geht?
Danke dir! Unsere Welt ist stark vernetzt, und dabei fließen ständig persönliche Daten – die sollten natürlich gut geschützt sein. Um Sicherheitslücken früh zu erkennen, nutzen Informatiker*innen Analyseverfahren, die Programme auf Schwachstellen prüfen, oft schon vor der Fertigstellung. Dabei müssen sie viele Annahmen über die Umgebung treffen – etwa bei einem selbstfahrenden Auto, das Daten über Sensoren sammelt.
Dieses fehlende Wissen nennt man „Ungewissheit“. Meine Doktorarbeit entwickelt Methoden, um solche Ungewissheit gezielt zu berücksichtigen, wenn man die Vertraulichkeit von Daten analysiert. Der Titel beschreibt genau das. Eine frühzeitige, architekturbasierte Analyse, die auch ungewisse Faktoren mit einbezieht, um Datenschutzverletzungen aufzudecken.
Wie gelingt dir der Spagat zwischen wissenschaftlicher Arbeit und Content Creation – und gibt es Momente, in denen du beides miteinander verbindest?
Uh, superschwierig. Ich erinnere mich an eine Konferenz in Australien, wo mir ein Zuschauer prophezeit hat, dass ich YouTube und die Doktorarbeit nicht unter einen Hut bekomme – und er hatte recht. Der Job als Doktorand ist extrem zeitintensiv. Forschung, Lehre, Publikationen, Konferenzen – da bleibt kaum Luft für Content Creation.
Kein Wunder also, dass ich während der Promotion deutlich weniger Videos gemacht habe als im Studium. Trotzdem versuche ich, beides zu verbinden – etwa mit Videos über meine Promotion, Tipps fürs Studium oder aufgezeichneten Uni-Vorträgen. Viele Ideen stehen aber noch auf meiner TODO-Liste, weil einfach die Zeit gefehlt hat.
Du hast früh angefangen, dich mit Minecraft und Gaming zu beschäftigen. Würdest du sagen, dass dich diese Erfahrungen auch beruflich geprägt haben?
Ja, definitiv – aber weniger durch die Inhalte wie Minecraft, sondern durch die Erfahrung als selbstständiger Web-Video-Creator. Wer über 4.000 Videos produziert und auf Events wie der Gamescom auf der Bühne steht, lernt einiges über Präsentation. Das hat mir in der Wissenschaft enorm geholfen, wo Vorträge zum Alltag gehören. Ich habe viel positives Feedback bekommen, und meine Übungen zu einer Vorlesung wurden sogar mit einem Lehrpreis ausgezeichnet. Auch die Selbstständigkeit hat mich geprägt. Projektplanung, Organisation, Durchhaltevermögen und strukturiertes Arbeiten sind essenziell – und genau das braucht man für eine Doktorarbeit.

Technik, Coding und Informatik sind zentrale Themen auf deinem Kanal. Was war zuletzt ein Aha-Moment oder ein Projekt, das dich besonders fasziniert hat?
Die spannendsten Projekte sind für mich die, die Technik, Coding und Informatik verbinden und greifbar machen. Ein Beispiel ist mein „Live Coding“ auf Twitch. Ich entwickle Software gemeinsam mit der Community, oft mit viel Humor und Frust über KI-Vorschläge. Die Tools, die dabei entstehen, helfen Content-Creatorn – etwa beim Videoschnitt oder bei der Hardware-Nutzung.
Ein anderes Highlight war ein Projekt nach meiner Promotion. Ich habe ein physisches 3D-Modell gebaut, das Datenflüsse in Mobilitätsszenarien sichtbar macht – wie ein Brettspiel, damit auch Fachfremde meine Forschung verstehen. Dafür musste ich zwar 3D-Modellieren lernen, aber das Ergebnis kam super an. Beide Projekte zeigen, wie vielseitig und kreativ Informatik sein kann.
Du lebst in Karlsruhe und hast am KIT promoviert – was macht die Stadt für dich als Wissenschaftler und Creator besonders?
Was ich an Karlsruhe mag: Die Stadt ist nicht zu groß und nicht zu klein – sie hat Dorfcharme, aber trotzdem genug Infrastruktur, coole Läden und gute Anbindung. Man kommt schnell nach Stuttgart, Frankfurt, München oder sogar ins Ausland. Als Wissenschaftler schätze ich den starken Technikfokus: Das KIT ist riesig, und es gibt viele Unternehmen aus der Technologiesparte. Als ich 2012 aus dem Schwarzwald hergezogen bin, wusste ich gar nicht, wie renommiert das KIT ist – ich fand die Uni gut und die vielen Skateparks auch.
Deine Follower:innen kommen überwiegend aus Deutschland und Österreich. Welche Rückmeldungen oder Fragen bekommst du besonders häufig – und wie gehst du mit dem Austausch um?
Am häufigsten bekomme ich tatsächlich Dankbarkeit zu hören – vor allem für meine Videos rund ums Studium. Viele haben sich dadurch für ein Informatikstudium entschieden, einige sogar explizit fürs KIT. Ich werde auf dem Campus regelmäßig erkannt, was nach 15 Jahren YouTube immer noch surreal ist. Mir ist bewusst, wie viel Verantwortung damit einhergeht – die Studienwahl kann das ganze Leben prägen. Deshalb versuche ich, in meinen Videos immer ehrlich und transparent zu sein. Zum Glück fällt mir das leicht, denn meine Begeisterung für Informatik ist echt.
Was sind deine nächsten Ziele – beruflich wie auch auf YouTube? Gibt es Formate oder Themen, die du gerne noch ausprobieren würdest?
Für mich steht gerade ein großer Umbruch an. Nach der Promotion und einem Jahr als Postdoc wechsle ich ab September als Software-Engineer in die Industrie. Ich bin gespannt, wie sich das im Vergleich zur Wissenschaft anfühlt. YouTube möchte ich weiterführen, aber vor allem viel ausprobieren. Nach dem Abschied von Gaming fehlt mir noch eine neue Nische – was Spaß macht und gut funktioniert, findet man am besten durch Experimentieren. Vielleicht wird es etwas rund ums Software-Engineering, dann ließe sich Beruf und Content wieder gut verbinden.
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