Irgendein schlauer Rockmusiker - es soll Pete Townshend von The Who gewesen sein - hat einmal gesagt: "90 Prozent deiner Karriere besteht aus Warten." Kutlu Yurtseven zitiert ihn gut und gerne. Und wer beim Warten auch noch gegen den Strom schwimmt, bekommt im Haifischbecken des Music-Biz meist überhaupt keine Gelegenheit, die Scheine aus dem Wasser zu fischen. Obgleich seine Kölner Mafia mit den Firma-Unternehmern Def Benski und Tatwaffe (ka-news berichtete) kollaboriert hat und von den Szene-Urvätern Anarchist Academy um Hannes Loh gefeatured wurde, stand "Die Farbe des Geldes" bei den Teilzeitmusikern nie im Vordergrund. Sondern Sound, so "Heiß wie die Hölle".
Der CD-Tipp von Patrick Wurster
Der Titel des neuen Albums ist italienisch, heißt übersetzt "Schwarzkopf" und steht für Menschen, die sagen, was sie glauben und denken. Das haben die Emcees Rossi, Kutlu und DJ Ra aka Önder als einer der ältesten HipHop-Acts des Landes seit jeher getan; Rap-Methusalem, gegründet 1989, Sprachrohr der Migrantenkinder, das Mic als Megaphon; im Sechssprachentakt aus (zu Anfang) Englisch, Italienisch, Türkisch, dann Deutsch und Kölsch, in steter Gegenwehr, auf Multikulti reduziert zu bleiben, trotzen die verbliebenen Drei Einfalt und Einfallslosigkeit des tumb-populären Sprechgesang-Genres.
Und die Schwarzköpfe knüpfen genau dort an, wo sie vor drei Jahren die Pause-Taste gedrückt haben, feuern den Album-Kracher gleich zu Beginn ab: Angereichert mit Filmzitaten aus Troy Duffys "Der blutige Pfad Gottes" verdankt die pumpende HipHop-Hymne "Immer noch" ihre Genialität und Eingängigkeit den tragenden Cyber Pipes.
Selbst aus dem in schier unüberschaubaren Variationen aufgelegten "Bella Ciao" (ka-news berichtete) kann die Mafia noch ungekannte Klasse herauskitzeln, das alte Partisanenlied verschmilzt mit ihren Rhymes zum aufbegehrlichen Schrei nach Freiheit. Und auch in Sachen Samples bleibt die Kölner Mafia einzigartig: Waren beim 2002er Release "Infernalia" noch tibetanische Bläser im Einsatz, tanzt man nun zu rumänischer Zirkusmusik und freilich finden sich auch auf "Testa Nera" wieder massig türkische und neapolitanische Einflüsse.
Es endet im Wechselbad der Gefühle: Kaum sind sie "Wieder da" folgt schon bedrohlich der "Abschied". Ein letzter Track als Dank ans treue Publikum und aufhören, wenn's am schönsten ist? Fällt der Vorhang nach "Testa Nera" gar für immer? Können wir bald nurmehr zurückblicken auf all die Taten der Paten? Auf "Denkmal", "Vendetta Continua", "Her mit dem schönen Leben", "Niemand kann uns stoppen" - und nicht zu vergessen den "Einheizfeier"-Soundtrack aus Höhner-Feder "Wann jeiht d'r Himmel widder op" (ka-news berichtete)?
Nichts ist schlimmer, als ungewiss zu sein. Und gleichermaßen nichts tröstender als die Hoffnung. Genährt durch die eine erhellende Textzeile "Jedes letzte Album sorgt dafür, dass es nicht das letzte ist." Weiterkämpfen Microphone Mafia - grade, wenn's am schönsten ist.