123 Millionen Euro - so viel sollte das Stadion kosten. Das geht aus einem Gemeinderatsbeschluss vom April 2018 hervor Doch Anfang März 2020 war klar: Der Kostenrahmen wird gesprengt und das neue Fußballstadion zwischen 15 und 30 Millionen Euro teurer als geplant.
Nun sind konkrete Zahlen bekannt: Im schlimmsten Falle - dem "Worst-Case"-Szenario - könnte sich die Summe auf 143 Millionen Euro erhöhen - und somit die ursprüngliche Finanzierung um 20 Millionen Euro übersteigen.

Im Karlsruher Gemeinderat stößt die Kostensteigerung auf Unmut. "Die Hälfte der Mehrkosten sind auf Planungsfehler der Stadt zurückzuführen", kritisiert Stadtrat Aljoscha Löffler von den Grünen. Mit einer knappen Mehrheit von 28 Zustimmungen hat der Gemeinderat dennoch der Kostenentwicklung zugestimmt.<
Doch was genau wird am neuen Stadion teurer, als die ursprüngliche Kalkulation es vorgesehen hatte? Von zusätzlichen Sitzkissen, einem zu engen Aufzug und fehlenden Stahlstreben - die einzelnen Punkte gliedern sich in vier Bereiche auf:
1. Mehrkosten aus verhandelten Nachträgen
Diese zusätzlichen Kosten sind bereits sicher, denn die Maßnahmen haben sich als notwendig herausgestellt. Die Preise wurden mit den Auftragnehmern abschließend verhandelt. Insgesamt sind belaufen sich die Kosten auf weitere 370.000 Euro.
Unter diese bereits verhandelten Punkte fällt beispielsweise die Vergrößerung des Aufzuges "Ost", der sich für den Transport von Verletzten als zu klein herausgestellt hat. Darüber hinaus schlagen zusätzliche Entlastungstore mit 135.000 Euro am stärksten zu Buche.
2. Mögliche Mehrkosten
Hierunter verbergen Nachträge, über deren Preise mit den Firmen noch nicht abschließend verhandelt wurde. Darüber hinaus sind hier weitere Maßnahmen aufgeführt, für die noch keine konkreten Angebote eingeholt wurden und Sonderwünsche des KSC selbst. Die Sonderwünsche belaufen sich insgesamt auf 75.000 Euro.
Unter anderem fallen Mehrkosten bei der Dachkonstruktion an. Denn der italienische Zulieferer kann die Stahl-Streben aufgrund der Corona-Pandemie nicht pünktlich liefern, sodass ein neuer Zwischenhändler gefunden werden muss. Darüber hinaus sollen während den Heimspielen mobile WC-Anlagen zum Einsatz kommen. Diese "möglichen Mehrkosten" teilen sich in vier Unterkategorien wie folgt auf:
-
Nicht verhandelte NachträgeMobile WC-Anlagen: Um den Stadionbesuchern während des Baubetriebs genügend sanitäre Anlagen an den Heimspieltagen vorhalten zu können, wurde ein Nachtragsangebot für das Bereitstellen von mobilen WC-Anlagen eingereicht. Die Anlagen soll an Heimspieltagen aufgebaut und anschließend wieder abgebaut werden.
Untersuchung Gesamtkonzept Klima: Im Rahmen von technischen Abstimmungen wurde in Auftrag gegeben, das bislang vorliegende Klimatisierungskonzept zu überdenken, um die Wünsche des späteren Nutzers (KSC) hinsichtlich der Klimatisierung umsetzen zu können.
Mehrkosten Spannstahl-Dachkonstruktion: Die für die Dachkonstruktion benötigten Spann-Stahlstäbe sollten über einen Zwischenhändler in Luxemburg bezogen werden. Bei dessen Zulieferungsbetrieb handelt es sich jedoch um ein italienisches Stahlwerk, das aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie geschlossen bleibt. Eine fristgerechte Produktion und Anlieferung kann daher nicht gewährleistet werden. Um den Fertigstellungstermin der Osttribüne halten zu können wird, müssen die benötigten Stäbe über einen alternativen Zwischenhändler bezogen werden. Hierdurch entstehen Mehrkosten für das Zuschneiden des Materials. -
Weitere absehbare MehrkostenRegenrückhaltebecken: Ein Regenrückhaltebecken mit einem Rückhaltevolumen von zirka 1.700 Kubikmeter ist erforderlich und wird derzeit hergestellt. Der
Auftragnehmer ist der Meinung, dass sich aus den Vertragsunterlagen lediglich die Verpflichtung zur Herstellung eines deutlich kleineren Beckens (Rückhaltevolumen zirka 300 Kubikmeter) ergebe und hat dementsprechend Mehrkosten angekündigt.
Abweichungsanträge BAM in Abhängigkeit der Genehmigung durch BOA: Die Planung weicht in gewissen Punkten von bauordnungsrechtlichen Vorgaben (wie zum Beispiel denen der Versammlungsstättenverordnung) ab. Dabei ist vertraglich auch die Möglichkeit berücksichtigt, dass diese beabsichtigten Abweichungen von den zuständigen Behörden nicht genehmigt werden. In solchen Fällen ist denkbar, dass sich Mehrkosten ergeben.
Ab- / Umbau Provisorien: Es wird erforderlich, die provisorischen Container des DRK oder auch die Aufbewahrungscontainer des Ordnungsdienstes zu versetzen. Durch die Verlegung des Gästeparkplatzes muss der provisorische Fan-Shop ebenfalls versetzt werden
Brandschutz & Entfluchtung Business Club: Für den Business-Club sind aufgrund des Brandschutzes zusätzliche Maßnahmen notwendig. Darunter fallen Deckenaussparung und Zwischenwände.
VIP-Provisorium (doppelstöckig): Das provisorische VIP-Zelt ist wegen der ansonsten notwendigen Baumrodung umgeplant worden auf ein doppelstöckiges Zelt. Der Auftragnehmer ist der Meinung, dass ihm wegen dieser Änderung eine Mehrvergütung zusteht.
Lüftung Pantries Hauptgebäude: Der Auftragnehmer ist der Meinung, dass er gemäß Bausoll in den sogenannten Pantries keine Fettluftabführung schuldet, diese jedoch erforderlich ist. Der Auftragnehmer macht in diesem Zusammenhang Kosten für Planungsänderung und gestörten Planungsablauf sowie für
Bauleistungsmehrkosten geltend.
Lageverschiebung Ablufthauben Kioske: Die Anforderung der Genehmigungsbehörde ist in bauvertraglicher Klärung.
Zusätzliche Sitzpolsterungen Osttribüne: Aus der Zusatzvereinbarung zum (alten) Mietvertrag zwischen der Stadt Karlsruhe und dem KSC ergibt sich eine Verpflichtung der Stadt, auf der Gegentribüne durch Anbringen von Polsterungen die Business-Seats "nachzurüsten", die während der Baumaßnahme auf der Haupttribüne wegfallen. -
Gegenseitige Vertragspflichten/ProjektrisikenBaupreisindex: Der TU-Vertrag enthält eine Preisgleitklausel, die dem Auftragnehmer eine einmalige Anpassung der Vertragspreise an ein eventuell gestiegenes Preisniveau - gemessen am Baupreisindex - erlaubt. Hieraus kann der Auftragnehmer infolge einer Veränderung der Indexreihe eine Anpassung des Preises verlangen. Voraussichtlich wird sich der in Bezug genommene Index erhöhen.
Kommunikationsinfrastruktur: Die Ausstattung für die Kommunikationsinfrastruktur in Bezug auf die Leitstellen der Feuerwehr, der Polizei sowie des DRK und die Mobilfunkausstattung sind nicht Vertragsbestandteil und somit kein Bausoll. Hier fallen aus diesem Grund Mehrkosten an.
Baugrundrisiko: Die Baugrundthematik bleibt im Rahmen der Abwicklung weiter offen. Dies betrifft den Umgang mit den derzeit noch bestehenden Bestandswällen links und rechts der Haupttribüne sowie der Gründungssituation der Haupttribüne. Weiter können ein erschwerter Aushub für die Gründung im Bereich der Nordtribüne aufgrund der Verbesserung des Wallmaterials sowie notwendige Entsorgungskosten von überschüssigem Wallmaterial zu Mehrkosten führen.
Geltendmachung von Ansprüchen aus gestörtem Bauablauf: Der Auftragnehmer hat schon mehrfach Ansprüche aus Bauzeitverlängerungen angekündigt. "Mit
Nachtragsforderungen aus "gestörtem Bauablauf" sind erfahrungsgemäß bei jeder größeren Baumaßnahme üblich. Wie stichhaltig diese sind, lässt sich im Vorhinein schlecht abschätzen", geht aus dem Kostenentwicklungsplan hervor.
Bauen im Bestand: Grundsätzlich ergeben sich bei jedem Bau "im Bestand" Risiken, die sich im Vorhinein nicht abschätzen lassen, weil der Altbestand und dessen Zustand nicht zu 100 Prozent bekannt sein können. Daher sind Mittel für eventuelle unvorhersehbare Leistungen vorsorglich einzuplanen.
Bauen unter Spielbetrieb: Für das vorgesehene Bauen im laufenden Spielbetrieb sieht der Vertrag umfangreiche Regelungen vor. Dennoch verbleibt ein gewisses Restrisiko, dass eventuelle Änderungen oder Besonderheiten des Spielbetriebs zu vertraglich nicht vorgesehenen Störungen führen könnten.
Einfluss der Corona-Pandemie Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind rechtlich noch nicht abzusehen. Denkbar sind Terminanpassungen, die gegebenenfalls mit einem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten nach Unterbrechung und etwaiger Verschiebung der Arbeiten in eine ungünstigere Jahreszeit verbunden sind.
Änderungen bei sicherheitsrelevanten Themen: Die zwingenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften sowie die verbindlichen Vorgaben der Fußballliegen und -verbände sind vordringlich einzuhalten, damit das Stadion seinen Zweck erfüllen kann. Das ist vertraglich geregelt. Bei der voraussichtlichen Dauer des Bauvorhabens ist jedoch durchaus möglich, dass sich diese Regelungen ändern und dabei bauliche Änderungen nach sich ziehen. -
Verhandelte Nachträge aus Sonderwünschen des KSCErweiterung sanitäre Anlagen Heimkabine: Eine zusätzliche Anforderung des KSC ist die Erweiterung der sanitären Anlagen der Heimkabine. Diese Anforderungen weichen vom vertraglich vereinbarten Bausoll, in Form der zugrunde liegenden Pläne von 2008, ab. Die Kosten würden sich auf 24.800 Euro belaufen.
Raumanordnung der Gastronomie: In einem gemeinsamen Termin zwischen dem KSC und der Firma BAM Sports GmbH wurde die Raumanordnung des Gastronomiebereichs im Erdgeschoss besprochen. Durch die gewünschte Raumanordnung des KSC musste der Auftragnehmer umplanen und bauliche Veränderungen einarbeiten. Die Kosten belaufen sich auf 5.000 Euro.
Übernahme der Kioskplanung KSC: Die Kioskplanung des KSC sieht bauliche Änderungen gegenüber der bis dato erstellten Ausführungsplanung im Bereich der Kioske vor. Darunter zählen beispielsweise der Entfall von Trennwänden, Verschiebungen und Entfall von Türöffnungen und zusätzliche Bodenabläufe. Die Ausführungsplanung musste daher hinsichtlich der neuen Vorgaben abgeändert werden.
Anpassung Verhandlungsumgriff VIP-Parkplatz: Der TU-Vertrag sieht einen vertraglich geregelten Verhandlungsumgriff vor, der diagonal durch den
Bereich des VIP-Parkplatzes verläuft. Zwischen dem Auftraggeber und der BAM Sports GmbH (Auftragnehmer) wurde ein angepasster
Verlauf des Verhandlungsumgriffs im Bereich des VIP-Parkplatzes kommuniziert, da der vertraglich geregelte diagonale Verlauf eine Neugestaltung des Bereichs aus technischen Gründen unmöglich macht.
3. Mehrkosten öffentliche Infrastruktur
Zuletzt stehen mögliche Mehrkosten bei der öffentlichen Infrastruktur im Raum. "Statt der geplanten Kosten von 3,6 Millionen Euro könnte der Umbau des Areals zwischen 5,5 bis 6 Millionen Euro kosten", gibt der KSC in einer Pressemeldung bekannt. Hier sind die Planungen für den Umbau noch nicht endgültig und werden noch grundsätzlich hinterfragt.
Stadion-Webcams
Stadion-Webcams
Dieser Artikel wurde nachträglich aktualisiert.
Die Planungen zu einem neuen Fußballstadion in Karlsruhe gibt es seit 2000, wurde jedoch erstmals in den Jahren 2005 und 2006 konkret. Im Jahr 2014 liegen erste Bebauungspläne vor und im Oktober entscheidet sich der Gemeinderat für einen Neubau im Wildpark für etwas mehr als 88 Millionen Euro.
Im Juli 2016 stimmt der Karlsruher Gemeinderat für ein neues KSC-Stadion, wenige Monate später auch die Mitglieder des Karlsruher SC. Die Kosten für das Stadion liegen mittlerweile bei etwa 113 Millionen Euro, erhöhen sich in den Folgejahren jedoch auf 123 Millionen Euro. Der KSC erklärt sich dafür bereit, die Finanzierung des Parkhauses zu übernehmen, die Stadt stimmt den Mehrkosten zu.
Im März 2020 entstehen im Norden und Süden des Stadions die beiden provisorischen Tribünen. Im Osten, auf dem Platz der alten Gegengerade, entsteht der erste Neubau. Es zeichnet sich ab, dass das Stadion nochmals zwischen 15 und 30 Millionen Euro teurer wird, als ursprünglich geplant.
Hinweis: Kommentare geben nicht die Meinung von ka-news wieder. Der Kommentarbereich wird 7 Tage nach Publikationsdatum geschlossen. Bitte beachten Sie die Kommentarregeln und unsere Netiquette!