Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Alexander S., Jan K. und Tobias G. schwere Körperverletzung in elf Fällen vor.
Am 12. November 2022 feierte die Karlsruher Ultra-Gruppierung "Rhein Fire" ihr 20-jähriges Bestehen mit einer spektakulären Choreografie im BBBank Wildpark. Dabei wurde großflächig Pyrotechnik gezündet.

Die Angeklagten sollen als Mitglieder der Ultra-Gruppierung die Verletzungen der Geschädigten mitverantwortet haben.
Er sei einer der Köpfe der Gruppe
Tobias G. wird laut Staatsanwalt eine zentrale Rolle innerhalb der Gruppe zugeschrieben. Er könne einer der "Köpfe von Rhein Fire" sein. G. habe sich aktiv in Chatgruppen eingebracht und die Gestaltung der Choreografie geprägt.

Alexander S. und Jan K. hingegen seien lediglich Mitglieder der Gruppe - ohne führende Positionen. Trotzdem hätten alle drei Angeklagten durch ihr Handeln die Verletzungen von elf Personen billigend in Kauf genommen.
Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr auf Bewährung
Daher beantragte Staatsanwalt Hepworth am Dienstag, 3. Dezember, die Angeklagten S. und K. zu einem Jahr und den Angeklagten G. zu einem Jahr und drei Monaten zu verurteilen - auf Bewährung.
G. sei Kontaktperson zwischen KSC und Ultras gewesen
Der Fortsetzungstermin am 10. Dezember begann mit der Vernehmung der Polizeibeamtin Maria Z., Mitglied der Ermittlungsgruppe "Nebel". Sie sollte klären, welchen Beitrag der Angeklagte G. zur Choreografie geleistet hatte.

Die Zeugin bestätigte die Vermutung der Staatsanwaltschaft: G. sei eine führende Persönlichkeit der Ultra-Gruppierung "Rhein Fire". Er habe Videos produziert, Merchandise-Artikel beschafft und als Kontaktperson zwischen der Ultragruppierung und dem KSC agiert.
Nach dem exzessiven Einsatz von Pyrotechnik fand ein Treffen zwischen dem Verein und den Ultras statt. Bei diesem Treffen vertrat G. die vier Karlsruher Ultra-Gruppen. Laut Maria Z. hatten die Ultras die Möglichkeit, die Pressemitteilung des KSC mitzugestalten.
Polizistin stützt Aussage auf Vermutungen
Auch bei der Mitgliederversammlung "ist klar" über Pyrotechnik gesprochen worden, sagt Maria Z. Doch das sei lediglich eine Vermutung. Solche Wertungen seien einer Zeugin nicht erlaubt, stellt der Richter klar und ermahnt die Zeugin, sich auf objektive Wahrnehmungen zu beschränken.

"Wollen Sie sagen, ich lüge?"
Auch die zweite Zeugin, die Polizeibeamtin Grit G., argumentiere nicht sachlich. Ihre Aufgabe war es, den Beitrag des Angeklagten Alexander S. zur Choreografie zu untersuchen. Sie hatte Chatverläufe und Videoaufnahmen gesichtet und erklärt: "Herr S. muss von der Pyrotechnik gewusst haben."

Auf die Frage des Anwalts, wie sie zu dieser Einschätzung komme, antwortet sie: "Das kann man ihm unterstellen."
Verteidiger Philipp Adam wies sie darauf hin, dass sie keine Unterstellungen machen dürfe. Genervt entgegnete sie: "Wollen Sie sagen, ich lüge?" und "Ich darf mich ausdrücken, wie ich will." Diese eigenwillige Haltung sorgte für Kopfschütteln bei den Verteidigern.
Verteidigung fordert Freispruch
Nach Abschluss der Beweisaufnahme und dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft fordern die Verteidiger Freispruch für ihre Mandanten.

Verteidiger Philipp Adam sagt, dass S. nur wegen politischem und öffentlichem Druck angeklagt sei: "Hätte man die tatsächlichen Täter ermittelt, die Pyrotechnik gezündet haben, säßen wir heute nicht hier."
Anwältin Randi Weil beantragte ebenfalls Freispruch für K.: "Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Angeklagten von der Pyrotechnik wussten." Ihr Mandant habe sich kaum an den Chats beteiligt, weshalb eine Mittäterschaft nicht erkennbar sei.

Es gehe darum, ein Exempel zu statuieren, erklärt Anwalt Heiko Hofstätter. Er verteidigt G. Die Gleichsetzung einer Fangruppe mit einer kriminellen Organisation sei problematisch. Die "führende Rolle", die G. zugeschrieben werde, sei unbegründet: "Welcher führende Kopf nimmt an keinem Vorbereitungstreffen zur Jubiläums-Choreografie teil?"
Trotz Indizienprozess: Alle drei werden verurteilt
Richter Kirchner betonte in seiner Urteilsbegründung, dass es sich um einen Indizienprozess handele. Dennoch reichten die Indizien für eine Verurteilung aus. Die drei Angeklagten wurden wegen Körperverletzung in elf Fällen schuldig gesprochen.

- S. und K. erhielten jeweils zehn Monate auf Bewährung.
- G. wurde zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt.
Zusätzlich dürfen sie ein Jahr lang keine KSC-Spiele besuchen und müssen jeweils 3.000 Euro zahlen.
Choreografie sei ohne Mitwirken der Angeklagten unmöglich gewesen
Der Richter ließ die Argumente der Verteidigung nicht gelten. Die Choreografie sei zu groß und zu gut organisiert gewesen, um anzunehmen, dass die Angeklagten nichts davon gewusst hätten. "Jeder der Angeklagten hat seinen Teil zur Choreo beigetragen. Ohne sie hätte die Choreografie nicht stattfinden können", schloss Kirchner.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft können innerhalb einer Woche noch Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen.
Der Karlsruher "Pyro-Prozess" Am 12. November 2022 trafen der Karlsruher Sportclub (KSC) und der FC St. Pauli aufeinander.
Vor Anpfiff der Partie kam es zu einer nicht angemeldeten Pyro-Aktion der Ultra-Gruppierung "Rheinfire". Sie feierten mit der Aktion ihr 20-jähriges Jubiläum, zündeten pyrotechnische Gegenstände und Feuerwerksbatterien.
Die Partie musste mit 15 Minuten Verzögerung angepfiffen werden - der Rauch behinderte die Sicht im gesamten Stadion. Nach dem Spiel meldeten sich Stadionbesucher: Der Rauch verletzte elf Fans, einen davon schwer und nachhaltig.
Das Thema beschäftigt seitdem die Karlsruher Justiz: Im Mai 2024 starteten die Verhandlungen am Amtsgericht Karlsruhe. In insgesamt 28 Verfahren stehen 25 Ultra-Fans und drei Sozialarbeiter des Fanprojekts vor Gericht. Für 16 "Rheinfire"-Mitglieder wurde bereits ein Urteil gesprochen (Stand: 10. Dezember).