Herr Gondorf, freuen Sie sich noch auf das Trainingslager? Auf den Trainingsstart insgesamt? Immerhin haben Sie das mehr als ein Dutzend Mal erlebt…
Absolut. Ein Trainingslager ist immer etwas Besonders, etwas Tolles. Darauf freue ich mich sehr. Das Team ist ziemlich abgeschottet, eng aufeinander. Man trainiert auf guten Rasenplätzen, man kann den Fokus auf die wichtigen Dinge im Fußball legen. Da der normale Alltag, der schon ein wenig ablenkt, nicht da ist, ist man etwas konzentrierter.

Und: Wenn es im Team Reibung gibt, wenn Emotionen hochkommen, dann muss und kann man das schnell aus der Welt schaffen. Das ist gut so und das stärkt den Teamgeist. Daher: Rundum Freude.
Der KSC ist punktetechnisch besser als in der vergangenen Saison zur gleichen Zeit, ist zudem spieltechnisch gereift. Die Neuzugänge erweisen sich in der Mehrzahl als Verstärkungen, anders als in den Jahren zuvor. Dennoch scheint die Kritik im Umfeld lauter als zuvor. Stimmt das? Wenn ja - haben Sie dafür eine Erklärung?
Es ist da ein Szenario eingetreten, mit dem vielleicht irgendwie zu rechnen war. Nach dem Aufwärtstrend der vergangenen Jahre wurde der Anspruch - von außen mehr als von innen – schnell noch besser zu werden, schnell noch weiter nach oben zu kommen, immer grösser. Es wurde noch mehr nach oben geschielt… Dazu die Rückkehr von Lars Stindl, dazu das neue Stadion..

Die positive Entwicklung, mit allem was wir in den letzten dreieinhalb Jahren positiv in Karlsruhe bewirkt haben, trug dazu bei, dass der Name KSC in Deutschland wieder einen guten Klang hat, zum Beispiel auch wegen des Pokalsiegs in Leverkusen. All das sind kleine Puzzleteile, die die Erwartungshaltung schürten.

Für mich - nachvollziehbar. Wenn man unter diesen Voraussetzungen es nicht schafft, in einen Flow zu kommen - dann gibt es Auf und abs. Und - kritische Stimmen.
Sie sprachen von Auf und abs. Woran liegen die?
Vorwiegend an individuellen Fehlern. Leider ist es so, dass bei uns individuelle Fehler oft zu einem Gegentreffer führten. Man denke an Spiele gegen den HSV oder in Düsseldorf. Wir wissen, was wir uns ankreiden müssen, wir sind mitten in einer intensiven Analyse. Wir haben es immer geschafft zurückzukommen, wir wissen, dass wir es besser machen können. Ziel für die Rückrunde: Konstanz.
Könnte man das alles so zusammenfassen: Besserer Fußball beim KSC, dazu Topneuzugang Lars Stindl, dazu ein neues Stadion. Die logische Folge: Eine erhöhte Erwartungshaltung, größere Ansprüche. Aber: Dass viele namhafte Abgänge kompensiert werden mussten - ging unter.
Ja.
Ein Sprichwort sagt: Gefahr erkannt - Gefahr gebannt! Auf den KSC trifft das nicht komplett zu. Die Gefahr sind die vielen Gegentore. Das ist offensichtlich, das ist erkannt - aber gebannt wurden sie bisher nicht. Warum?
Das lag an der hohen Zahl von individuellen Fehlern, die wurden von den Gegnern knallhart und gnadenlos ausgenutzt. Was das teamtaktische Verhalten angeht, sehe ich uns auf einem guten Weg. Die individuellen Fehler führten dazu, dass wir sechs, sieben Punkte weniger - zu wenig - auf dem Konto haben. Das ließ alles etwas unrund erscheinen.

Was ist zu tun? Wäre die Lösung: Jeder muss an sich arbeiten dann geht es mit dem Team weiter nach vorne?
Ja. Vielleicht ist es auch ein Grund, dass wir, eben weil wir uns fußballerisch in den letzten zwei, drei Jahren so sehr verbessert haben, dass wir uns daher zu schade sind, den Ball einfach mal auf die Tribüne zu hauen, dass man - eben basierend auf der positiven Entwicklung - zu viele Situationen fußballerische lösen will. Kurzes Zwischenfazit: Wir haben uns mehr erhofft, aber mit 21 Punkten auf dem Konto ist die Welt einigermaßen in Ordnung.

Und was soll die Rückrunde bringen?
Das Gleiche wie in der vergangenen Saison: Da haben wir eine richtig gute Rückrunde gespielt, das wollen wir wieder. Weiterhin Erfolge, weiterhin Punkte, weiterhin eine positive Entwicklung. Die Basis dazu ist: Individuelle Fehler abstellen, denn teamtaktisch passt es bei uns. Jeder weiß was er zu tun hat. In wichtigen Momenten sollten wir etwas effizienter werden, um uns weiter positiv zu entwickeln.

Ein Beispiel für eine tolle Entwicklung ist Igor Matanovic, der sich prächtig entfaltete, seine Klasse zeigt. Das ist top, denn dafür, für solche Entwicklungen, steht der Verein. Auch ein Verdienst der Mannschaft und vor allem unseres Trainerteams, das das maßgeblich beeinflusst. All das ist ein erarbeiteter, erhoffter Erfolg für den Verein, wenn sich junge Spieler so gut entwickeln.
Sportchef Sebastian Freis will einen zusätzlichen Sechser. Sehen Sie das auch so? Haben Sie Verständnis für diese Entscheidung?
Ja, es ist ein offener Austausch. Ich bin Kapitän der Mannschaft und werde daher natürlich über manche Dinge etwas eher informiert. Wenn man unseren Kader anschaut, dann ist der etwas dünn.

Falls ich ausfalle, gibt es Leon Jensen und Eren Öztürk. Eren (fällt verletzt aus; Anm. d. Red.) ist talentiert , aber er braucht noch etwas Zeit. Zudem würde unserem Kader Größe guttun. Ich kann alles nachvollziehen und habe damit keinerlei Probleme.
Wäre ein Neuzugang eine Gefahr für Ihren Stammplatz?
Die größte Gefahr nicht in der Startelf zu stehen: Ist man immer selbst. Ich weiß aus meiner langen Karriere: Ich muss meine Leistung bringen, dann spiele ich, das habe ich bisher bestätigt. Jeder kennt meinen Weg, jeder weiß, von wo ich mich nach oben gearbeitet habe.

Um meinen Stammplatz mache ich mir keine Gedanken. Ich muss gute Leistungen liefern, gelingt mir das - dann habe ich meinen Stammplatz, dann kann ich der Mannschaft helfen und darum geht es - um nichts anderes.
Zum Rückrundenauftakt geht es gegen Osnabrück: Ein Sieg und der KSC kann eine Aufholjagd in Richtung Mittelfeld oder sogar nach weiter vorne beginnen.
Das sehe ich ebenso. Es ist unser Ziel, mit einem Heimsieg in die Rückrunde zu starten. Dann geht’s nach Hamburg – da haben wir immer gut gespielt. Wir wollen in einen Flow kommen, schaffen wir das, sind wir schnell in den Zonen wo wir hinwollen.
Ihr Vertrag läuft am Ende der Saison aus. Denken Sie schon über die laufenden Spielrunde hinaus?
Ab und zu….

Und? Gibt es, basierend auf diesen Überlegungen, etwas zu vermelden?
Es gab Gespräche mit dem KSC. Sportchef Sebastian Freis hält es für wichtig mit mir und Lars Stindl zu reden. Das hat er auch öffentlich erklärt und natürlich gemacht. Basierend aus unseren Entscheidungen will er Puzzle-Teile im zukünftigen Kader ausrichten.
Gibt es eine Tendenz? Gar eine Deadline bis wann eine Entscheidung zu fällen ist?
Nein, gar nichts in diese Richtung. Es war alles locker, offen - angenehm.
Könnte es sein, dass Sie nochmals wechseln?
Da müsste etwas absolut Extremes passieren. Ich habe es schon erklärt, ich will nicht mehr wo anderes als beim KSC spielen. Das schwächt zwar meine Verhandlungsposition - aber egal. Ich will nicht mehr weg. Es heißt: Noch ein Jahr KSC - oder eben nicht. Die Gespräche bisher waren sehr angenehm.

Es gibt Unruhe in der Führungsetage - beeinflusst Sie das? Und das Team?
Das hat uns gar nicht belastet, dazu sind wir zu sehr Profis. Wir wissen auf was wir uns zu konzentrieren haben.
Sind Sie als Kapitän zusätzlich gefordert?
Das schon.
Konkret heißt das? Sind sie Puffer zwischen den Fronten im KSC Präsidium?
Puffer bin ich nicht. Das alles hat mit meiner Arbeit für den Verein nichts zu tun. Aber es ist klar, dass ich als Kapitän und als Ur-Karlsruher, der ich bin, öfters damit konfrontiert werde.

Auch in der Kabine werde ich gefragt: Jego - was ist da los? Da versuche ich die Jungs zu sensibilisieren, aber auch zu sagen: Hey - macht dieses Thema nicht zu groß. Ich ergreife dann das Wort, wenn Unruhe aufkommt, dann versuche ich zu beruhigen, vieles wegzuhalten und dennoch aufzuklären.
Wurden Sie von den gegnerischen Parteien angesprochen? Hat man versucht Sie zu beeinflussen, zu instrumentalisieren? Kamen Sie zwischen den Fronten?
Nein, so etwas habe ich nicht wahrgenommen.
Was war ihr Wunsch für das Jahr 2024?
Gesundheit.