Er kennt die Sorgen und Nöte der Radfahrer in der Fächerstadt genau: Michael Reichert, Vorstand des Karlsruher ADFC. Eines dieser Sorgenkinder ist der berüchtigte „Oststadtkreisel“. Die mehrspurige runde Kreuzung sorgt seit Jahren immer wieder durch Unfälle zwischen den dort verkehrenden Autos, Bahnen und nicht zuletzt Radfahrern für Schlagzeilen.
Der Fokus liegt auf den Autofahrern
So krachte es laut der Karlsruher Polizei allein im Bereich der Zufahrt an der Stuttgarter Straße innerhalb von 14 Monaten seit dem vergangenen Jahr fünf Mal - dabei wurden unter anderem auch drei Fahrradfahrer verletzt.

Dagegen sollten seit Juni 2024 zwei Verkehrsversuche an den beiden größten Unfallschwerpunkten, den Einmündungen Stuttgarter Straße und Wolfartsweierer Straße, helfen. Hier wurden Fahrstreifen reduziert und Abbiegespuren geändert, um mehr Übersicht in den Kreisel und damit mehr Sicherheit zu schaffen.
Zwar haben beide Versuche indirekt positive Auswirkungen auf den Radverkehr - so wurde an der Stuttgarter Straße der rechte Fahrstreifen gesperrt und als „Nebeneffekt“ in eine Radspur umgewandelt, um die gesperrte Fläche sinnvoll zu nutzen - der Fokus der Maßnahmen liegt allerdings primär auf den Autofahrern.
„Die Verkehrsführung an der Stuttgarter Straße sollte verstetigt werden“
Das kritisiert Michael Reichert. „Die Unfallproblematik für Autofahrer mag man damit in den Griff bekommen haben, doch für den Radverkehr muss noch mehr getan werden“, sagt er im Gespräch mit ka-news. Das heiße jedoch nicht, dass der Verkehrsversuch aus Sicht der Fahrradfahrer keine Verbesserung gebracht hat. „Die geänderte Verkehrsführung an der Stuttgarter Straße sehen wir durchaus positiv und möchten, dass sie verstetigt wird“, erklärt der ADFC-Experte.

Dass bei der Karlsruher Polizei diesbezüglich Beschwerden aus der Bevölkerung über die „wahrgenommen ungerechte Bevorzugung des Radverkehrs“ eingegangen sind, kann Reichert nicht nachvollziehen - im Gegenteil: „Es ist gut, dass die Sperrfläche für Radfahrer umgebaut wurde. Dieser linksseitige Radweg schließt die Lücke für den von Osten kommenden Radverkehr mit dem Ziel Stuttgarter Straße.“
Der Vorteil aus Sicht des Experten: Das von einigen Fahrradfahrern bisher praktizierte „Geisterradeln“ in die Stuttgarter Straße hinein könnte so unterbunden werden. Dem stimmt auch Matthias Zimmermann zu. Er ist Landesvorsitzender des ADFC und betreut darüber hinaus als jahrelanger Fachmann für den Oststadtkreisel am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die beiden Verkehrsversuche mit.

Radquerungen bleiben Problempunkte
Die Kritik an Experiment eins kann auch er nicht verstehen. Für ihn ist die Sachlage an der Stuttgarter Straße klar: „Es mag zwar nicht die ideale Lösung sein, dennoch ist es für diesen Unfallschwerpunkt vorerst eine Lösung“, sagt er im Gespräch mit ka-news.

Die beiden Verkehrsversuche sind sowohl für Zimmermann als auch für Reichert aber nur die Spitze des Eisbergs. Aus Sicht der ADFC-Experten gibt es für Radfahrer noch weitere Problemstellen an Karlsruhes runder Kreuzung - genauer gesagt an den Radwegen und -querungen.
Das muss sich für Radfahrer verbessern
Während Matthias Zimmermann im Interview mit ka-news im April die allgemeine Entfernung der Querungen zu den Abbiegepunkten für Autofahrer und die damit verbundene Unübersichtlichkeit beim Abbiegen kritisierte, hat Michael Reichert zwei konkrete Knackpunkte ins Auge gefasst.
Zum einen betreffe das die Radquerung der Wolfartsweierer Straße, entlang der im März dieses Jahres auch der zweite Verkehrsversuch angesetzt wurde. Hier wünscht sich der Experte die bauliche Erhöhung der Querung zu einer Bremsschwelle. Das Ziel: Autofahrer sollen so an den Überwegen zum Langsamfahren gezwungen werden, was wiederum der Verkehrssicherheit zugutekommen könnte, wie er gegenüber ka-news erläutert.

Zum anderen seien die beiden Überquerungen der B10 an der Ludwig-Erhard-Allee, genauer gesagt die dort befindlichen Fußgängerampeln, den Radfahrern ein kollektiver Dorn im Auge - allerdings nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit: „Hier entstehen oftmals lange Wartezeiten. Gerade spätabends wartet man nicht selten über eine Minute, bis es grün wird“, sagt Reichert und ergänzt: „Ich verstehe nicht, wieso man die Ampelschaltung außerhalb der Schwachverkehrszeit nicht anpasst.“
Stadtverwaltung sieht „keinen akuten Handlungsbedarf“
Aus Sicht der Karlsruher Fahrradfahrer gibt es - wie auch für den Pkw-Verkehr - an der runden Kreuzung also noch einiges zu verbessern. „Für Radfahrer ist der Oststadtkreisel nach wie vor eine Gefahrenstelle und führt schnell zu Überforderung“, meint ADFC-Experte Michael Reichert. Auf Seiten der Stadtverwaltung stößt er mit dieser Meinung allerdings auf wenig Verständnis.

Auf Nachfrage der Redaktion stellt man klar: Die Verbesserung des Kreisels für den Radverkehr bleibt erst einmal zweitrangig. „Nach Abschluss der Verkehrsversuche und der entsprechenden Evaluation wird ausgewertet, ob und inwiefern weiteres Konfliktpotential auch in Bezug auf den Radverkehr besteht. Derzeit besteht kein akuter Handlungsbedarf.“
„Alles nur Flickschusterei“
Für Reichert ist und bleibt der Oststadtkreisel aber genau deshalb ein emotionales Thema. Seiner Ansicht nach seien die Verantwortlichen hier zu lange untätig gewesen: „20 Jahre lang wurde trotz zahlreicher Unfälle nur zugeschaut“, sagt er.
Die Verkehrsversuche seien ein Anfang, dennoch bleibe noch viel Luft nach oben. „Denn“, so erklärt er abschließend, „wenn eine solche Kreuzung grundsätzlich schlecht gebaut wurde, dann ist alles, was danach passiert, nur Flickschusterei.“
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