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Cold-Case seit 1943: Der mysteriöse Keller-Mord an Getrud Kirsner

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Ungelöster Mord in Karlsruhe: Das Rätsel um eine tote Politikertochter von 1943

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    Gertrud Kirsner in Krankenschwesternuniform.
    Gertrud Kirsner in Krankenschwesternuniform. Foto: Private Sammlung

    Möglicherweise handelt es sich um einen sogenannten Raubmord. Der Dieb stiehlt hauptsächlich Lebensmittel.

    Das Mordopfer stammt aus einer Politikerfamilie

    Gertrud Kirsner wird 1890 in Karlsruhe geboren. Ihr Vater ist Julius Kirsner, viele Jahre Hofapotheker in Donaueschingen, bevor er in die Weststadt von Karlsruhe umzieht. Zudem ist er früheres Mitglied der Zweiten badischen Kammer, wo er von 1901 bis 1905 als Mitglied einer nationalen Partei den 13. Wahlkreis vertritt. Später gehört er auch als Kreisvertreter der Ersten Kammer an.

    Vor 1918 war die Badische Standesversammlung, das Parlament des Großherzogs Baden, in zwei Kammern aufgeteilt. Die Erste Kammer ist das Oberhaus. Julius, der 1919 an den Folgen eines Herzschlags stirbt, ist damals Landtagsabgeordneter.

    Freundschaft zu Joseph Victor Scheffel

    Aber nicht nur Julius war Politiker. Auch Gertruds Großvater, Ludwig Kirsner, verbindet die Berufe des Apothekers und des Reichstagsabgeordneten in Donaueschingen. Auch er wird in die Zweite Badische Kammer gewählt. Am 5. Oktober 1879 wird ihm zu Ehren ein Denkmal in Donaueschingen enthüllt.

    Scheffel-Ehrendenkmal in Karlsruhe
    Scheffel-Ehrendenkmal in Karlsruhe Foto: Thomas Riedel

    Ludwig ist sogar mit dem Dichter und Schriftsteller Joseph Victor von Scheffel sehr gut befreundet und tauscht mit ihm zahlreiche Briefe aus, die Julius später der Stadt Karlsruhe für ihre historischen Sammlungen übergibt.

    In der Karlsruher-Weststadt ist der Scheffelplatz nach dem Dichter genannt – hier steht auch ein Denkmal von ihm. Der Scheffelplatz grenzt an die Jahnstraße, in der Gertrud Kirsner später ermordet wird. Die Scheffelstraße in der Weststadt trägt ebenfalls seinen Namen und ist auch nicht weit weg.

    Ein großzügiger Philanthrop

    Julius Kirsner, der sich als “Privatier“ bezeichnet, ist ein sehr generöser Philanthrop. Wenn es um Armut oder Katastrophen geht, spendet Julius immer großzügig. Beispielsweise im Juni 1911, als es durch Unwetter im Taubergrund größere Wasserschäden gab, schenkt er 40 Mark.

    Während des Ersten Weltkriegs spendet er auch mehrere Hundert Mark an das Rote Kreuz und für die Unterstützung von Familien zum Kriegsdienst einberufener Wehrpflichtiger.

    Julius unterstützt aber auch die Künste und Gebäude von öffentlichem Interesse. Für die „künstliche Ausschmückung“ des Tiergarten-Restaurants in Karlsruhe stiftet er der Stadtgemeinde 500 Mark.

    Eine ausgezeichnete Krankenschwester

    Als der Erste Weltkrieg ausbricht melden sich viele junge Frauen zu den Pflegediensten und arbeiten als Krankenschwestern und Pflegerinnen in Lazaretten hinter der Front. Offensichtlich gehört das Mordopfer Gertrud Kirsner dazu.

    Im Januar 1917 erhält sie das Kriegshilfekreuz – das Kreuz für freiwillige Kriegshilfe 1914-1916 mit Eichenkranz – vom Großherzog Friedich II von Baden für ihre Dienste als Krankenpflegerin.

    Gertrud Kirsner in Krankenschwesternuniform. Gertrud Kirsner in Krankenschwesternuniform.
    Gertrud Kirsner in Krankenschwesternuniform. Gertrud Kirsner in Krankenschwesternuniform. Foto: Private Sammlung

    Brutal ermordet wegen Konservendosen

    Im Zweiten Weltkrieg gibt es elf Luftschutzbunker in Karlsruhe, die der Bevölkerung bei Luftangriffen Schutz bieten. Jedoch bauen manche Leute ihren Keller als sogenannten Luftschutzkeller aus, in denen sie sich beim Luftangriff zurückziehen und schlafen. Hier lagern sie auch Lebensmittel und Getränke, damit sie bei längeren Aufenthalten überleben können.

    Bei Gertrud Kirsners Haus in der Jahnstraße ist es offensichtlich auch so. Gertrud ist inzwischen 53 Jahre alt und ist zirka 1,62 Meter groß. Sie arbeitet als Sekretärin im Naturkundemuseum. Ihren Kohlenkeller hat sie in einen Luftschutzkeller gewandelt und bewahrt hier unter anderem mehrere Konservendosen und einen Schlafanzug auf.

    Blick entlang der Jahnstraße.
    Blick entlang der Jahnstraße. Foto: Thomas Riedel

    Am frühen Morgen des 10. Dezembers 1943, etwa zwischen 6 und 7 Uhr, bricht jemand in den Keller ein. Aus dem Bericht geht nicht hervor, ob Gertrud zu dieser Zeit im Keller schläft oder, ob sie den Einbrecher hört und in den Keller hinuntergeht.

    Der Täter ist wahrscheinlich nach Wegräumung der im Kellerfenster lose aufeinandergelegten Bauziegel in den Kohlenkeller eingedrungen und wird von Gertrud überrascht. Er erschlägt sie mit einem Schloßerhammer und Gertrud stirbt an Schädelverletzungen.

    Exotische Lebensmittel in Kirsners Keller

    Im Keller liegt ein dunkelbrauner Koffer aus Rindsleder mit zwei weißen Schlössern, den der Täter mit seiner Beute füllt und auch mitnimmt. Im Zweiten Weltkrieg sind Lebensmittel knapp und es wird rationiert. Aber Gertrud Kirsners Luftschutzkeller ist voll mit den teuersten und exotischsten Nahrungsmitteln.

    Kellerfenster im Haus der Ermordeten.
    Kellerfenster im Haus der Ermordeten. Foto: Private Sammlung

    Der Mörder nimmt etwa 30 Blechkonservendosen ausländischer Herkunft: vier Dosen Pieds Paquets Tripes Marseillaises, vier Dosen Boeuf en Gelée, vier Dosen Boeuf en Gelée “Qualité extra“, vier Dosen Fancy Crab, vier Dosen Saumon Extra (Importe du Japon), vier Dosen Pelican Brand Singapore Pine Apples und acht Dosen Champignons de Paris.

    Die Lebensmittel stammen somit unter anderem aus Frankreich, Japan und Singapur. Mit Sicherheit war es bekannt, dass die wohlhabende Gertrud Kirsner einen gut aufgestockten Keller hat. Außerdem wird Gertruds exquisiter Schlafanzug gestohlen.

    Familie bietet 5.000 Mark Belohnung an

    Die Kriminalpolizei in Karlsruhe bittet um Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen könnten, aber der Fall bleibt offensichtlich ungelöst. Auch die Familie setzt eine Belohnung in Höhe von 5.000 Mark für Hinweise aus, die zur Ergreifung des Täters führen.

    In dem Zeitungsbericht werden jedoch keine Hinweise auf Gertruds Herkunft bekanntgegeben, oder dass ihr Vater und Großvater bekannte Politiker waren. Möglicherweise liegt dies daran, dass sie Parteien angehörten, die in der NS-Zeit verboten sind.

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