Für Menschen sind Straßenlaternen nützlich: Sie beleuchten Wege, Straßen und Plätze bei Nacht, sodass wir uns auch in der Dunkelheit orientieren können und sicher fühlen. Doch für die Umwelt hat die künstliche Beleuchtung große Auswirkungen. Die vielleicht größten Leidtragenden sind die Insekten - aus mehreren Gründen.
Wie eine neue chinesische Studie zeigt, wirkt sich Straßenbeleuchtung beispielsweise nicht nur direkt auf das Verhalten der Insekten aus, sondern macht es ihnen auch schwerer, an bestimmte Nahrung zu kommen. Denn Bäume nutzen demnach das Licht, um ihre Blätter für Insekten als Nahrung unbrauchbar zu machen. Mehr lesen Sie hier.
Insektensterben: Lichtverschmutzung als ein großer Faktor
Das Insektensterben gilt laut einer Meta-Analyse, die 2019 im Fachblatt Biological Conservation veröffentlicht wurde und zahlreiche Studien ausgewertet hat, als das größte Aussterben seit der Perm- und Kreidezeit. Gründe dafür sind unter anderem der Klimawandel, Pestizide und die intensive Landnutzung. Doch diese Faktoren allein können etwa laut Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) nicht den Rückgang von Insekten in Deutschland erklären.
Ein Team des Instituts hat zahlreiche aktuelle Studien ausgewertet und sieht künstliches Licht in der Nacht als großen Faktor für das Insektensterben. Schon lange ist bekannt, welche Auswirkungen Beleuchtung hat. Doch noch immer werden neue Folgen der Lichtverschmutzung entdeckt. Und sie werden größer, da der Nachthimmel kontinuierlich heller wird.
Insektensterben: Straßenlaternen verändern das Verhalten von Insekten
Insekten werden von Licht angezogen, das weiß jedes Kind, das einmal mit einer Taschenlampe durch die Nacht spaziert ist. Falter, Käfer, Fliegen und was sonst noch herumschwirrt, stürzen sich auf künstliche Lichtquellen, verglühen in heißem Scheinwerferlicht, sitzen an leuchtenden Reklameflächen oder kreisen um Straßenlaternen, bis sie vor Erschöpfung tot darunter liegen bleiben.
Warum das so ist, ist bislang nicht vollständig erklärt. Eine Erklärung ist der sogenannte Lichtrückenreflex, wie ein Forscherteam im Fachjournal nature communications beschreibt. Tiere haben demnach den Reflex, sich beim Fliegen so auszurichten, dass ihr Rücken in Richtung Licht zeigt. Weil in der Natur eigentlich der Nachthimmel die hellste Stelle der Umgebung darstellt, können die Insekten horizontal fliegen und sich so orientieren. Wird aber plötzlich eine Straßenlaterne zum hellsten Punkt, führt der Reflex zu einer ständigen Korrektur der Flugbahn - das typische Kreisen um die Lampe beginnt.
Das künstliche Licht der menschlichen Zivilisation verändert aber auch andere Verhaltensweisen der Insekten. So sammeln beispielsweise Nachtfalter weniger Pollen und die Fortpflanzungsaktivität der Weibchen nimmt in der Nähe der Lichtquellen ab, erklärt das IGB. Eine Forschungsgruppe von der University of Sussex konnte beispielsweise zeigen, dass Glühwürmchen-Männchen die paarungsbereiten Weibchen nicht mehr finden, wenn es zu hell ist - die Fortpflanzung der seltenen Art wird dadurch immer schwieriger. Zusätzlich werden die Insekten durch Lichtbarrieren in ihrer Ausbreitung gebremst und fehlen in Gebieten, wo sie ökologisch, etwa als Bestäuber, gebraucht werden.
Neue Studie zum Insektensterben: Straßenlaternen machen Baumblätter ungenießbar
Insekten schadet die nächtliche Beleuchtung aber auch indirekt: Denn auch die Pflanzenwelt reagiert auf Helligkeit bei Nacht. So können Straßenlaternen Auswirkungen auf Wachstum und Blütezeit von Pflanzen haben. Denn auch bei ihnen werden die täglichen oder jahreszeitlichen Rhythmen durch kontinuierliche Beleuchtung gestört. Die Insekten finden dadurch weniger Pollen, weil die Pflanze beispielsweise schon früher blüht als das Insekt dafür bereit ist.
Eine chinesische Studie zeigte nun auch noch, dass nächtliche Stadtbeleuchtung die Blätter einiger Arten von Straßenbäumen ungenießbar für bestimmte Insekten macht. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Frontiers in Plant Science veröffentlicht. Die Forscher beobachteten, dass mehrere Baumarten in Städten deutlich härtere Blätter ausbildeten, wenn sie nächtlichem Straßenlicht ausgesetzt waren. Die stärkeren Blätter hatten deshalb weniger Fraßspuren durch Insekten.
Eine genaue Erklärung, wie es dazu kommt, können die chinesischen Forscher wohl noch nicht geben. Es sei möglich, dass Bäume, die nachts künstlichem Licht ausgesetzt sind, ihre Photosynthesedauer verlängern. Außerdem könnten diese Blätter laut den Autoren der Studie einen größeren Anteil der Ressourcen für Fasern verwenden. Die Insekten könnten die stabileren Blätter dann nicht mehr richtig fressen. Pflanzenfressende Insekten hätten in beleuchteten Städten dadurch weniger Nahrung, womit man einen Teil des Insektensterbens erklären könnte, so die Forscher.
Übrigens: Neuartige Straßenlaternen sollen Insekten besser schützen. Aber auch in Bezug auf das Futter sollte sich zugunsten der Insekten etwas ändern: Viele Pflanzen, die in unseren Gärten wachsen, sind zwar schön, aber für Insekten völlig nutzlos. Während der Großteil der Insektenarten immer weniger wird, nehmen manche Arten massiv zu - bis eine Plage entsteht, wie etwa bei invasiven Arten wie dem Japankäfer oder bei tropischen Mückenarten.
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