Die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland ist nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im langfristigen Vergleich gestiegen. Demnach seien rund eine Million Menschen im ersten Halbjahr des Jahres 2016 "sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig als Leiharbeitnehmer beschäftigt" gewesen.
Im Stadt- und Landkreis Karlsruhe beziehen insgesamt 145.000 Menschen ihr alleiniges Einkommen aus Teilzeit, Leiharbeit oder Minijobs. Auch bei der Stadt Karlsruhe sind Menschen nur zeitweise beschäftigt. So wurden beispielsweise beim Amt für Abfallwirtschaft (AfA) in den Jahren 2013, 2014 und 2015 zirka 27.360 Arbeitsstunden pro Jahr durch Zeitarbeitskräfte abgedeckt. Für diese Arbeitnehmer wollen sich die Karlsruher Grünen nun mit einem Antrag einsetzen. Sie fordern: Leiharbeiter müssen die gleiche Bezahlung erhalten wie ihre festangestellten Kollegen.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei der Stadt
Konkret fordert die Grüne-Gemeinderatsfraktion in ihrem Antrag, der am heutigen Dienstag im Gemeinderat auf der Tagesordnung steht, dass die Stadtverwaltung und ihre Gesellschaften sicherstellen, dass "bei ihnen eingesetzte Leiharbeitnehmer von Beginn ihrer Tätigkeit an mindestens einen Lohn in der Höhe erhalten, wie er für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten an Stammbeschäftigte gezahlt wird."
"Auch wenn Leiharbeit - in bestimmten Situationen - für die Stadt wie für andere Betriebe von Vorteil oder sogar notwendig sein kann, so ist die Minderung der Arbeitsentgelte kritisch zu hinterfragen", finden sie. Nach Meinung der Grünen sollte ein Arbeitgeber wie die Stadt Karlsruhe mit all ihren Gesellschaften eine Vorbildfunktion für die lokale Wirtschaft einnehmen und in Sachen Lohnverteilung keine Unterschiede zulassen.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Thema Leiharbeit bei der Stadt im Karlsruher Gemeinderat kritisch diskutiert wird. Der Einsatz von Leiharbeitern beim AfA sorgte bereits vor rund einem Jahr für Gesprächsstoff. Sowohl die SPD als auch die Grünen, die Kult-Fraktion sowie die FDP, AfD und GfK zeigten sich vom Leiharbeitsmodell wenig begeistert. Trotz kritischer Stimmen gab es am Ende grünes Licht für die Pläne der Stadt, 2017 und 2018 auf Leiharbeiter zurückzugreifen.
Leiharbeit als letzte Maßnahme bei der Stadt
In ihrer Stellungnahme empfiehlt die Stadtverwaltung den Stadträten nun, den Grünen-Antrag abzulehnen und erklärt: "Personalpolitisches Ziel der Stadtverwaltung und ihrer Gesellschaften ist es, den Einsatz von Leiharbeitskräften auf ein notwendiges Mindestmaß zu beschränken."
Konkret bedeutet das: Leiharbeiter würden in der Stadtverwaltung nur dann eingesetzt werden, wenn eine Notsituation bestehe - also eine Aufgabe als "dringlich und unverzichtbar" eingestuft werde, solch eine Aufgabe also weder durch Aufgabenverschiebung, Mehrarbeit oder auch Überstundenaufbau erledigt werden könne, erklärt die Stadt in ihrer Stellungnahme.
Tritt solch ein Fall ein und ein Zeitarbeiter wird beauftragt, schließen die Stadtverwaltung und ihre Gesellschaften laut Stellungnahme sogenannte "Arbeitnehmerüberlassungsverträge" mit den Leihfirmen ab. Darin seien Stundensätze ausgewiesen, die sowohl die Bezahlung der Leiharbeitskraft als auch die Vermittlungsgebühr beinhalten.
Grundsätzlich würden Leiharbeitsfirmen allerdings den für Leiharbeitsverhältnisse geltenden Branchentarifvertrag für bestehende Arbeitsverhältnisse anwenden - das schließt die Stadtverwaltung aus ihrer bisherigen Erfahrung. Leiharbeiter erhalten, so die Einschätzung der Stadt, nach neun Monaten Beschäftigungszeit beim selben Arbeitgeber das gleiche Arbeitsentgelt wie fest angestellte Arbeitnehmer.
"Eingekaufte Leistungen werden teurer"
Doch was genau fällt unter dieses Arbeitsentgelt? "Nach der Definition des "Equal Pay" ist unter gleichem Arbeitsentgelt im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetztes (AÜG) das Entgelt zu verstehen, das eine Leiharbeitskraft erhalten hätte, wenn sie für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre," erklärt die Stadt in ihrer Stellungnahme. Darunter fallen ebenfalls Urlaubsentgelt, Sonderzahlungen, Zulagen und Zuschläge wie beispielsweise mögliche Zuschüsse für den ÖPNV. "Im Hinblick darauf, dass sich Leiharbeit - trotz bestehender Regelungen - nicht in allen Fällen vermeiden lässt, müssen auch hier die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beachtet werden", so die Stadt weiter.
Abschließend gibt sie zu bedenken: Würden die Stadtverwaltung und ihre Gesellschaften nun einer Anpassung der Löhne zustimmen, könnten "eingekauften Leistungen letztendlich einerseits teurer werden". Andererseits hätte die Stadt nach eigener Aussage als Auftraggeber keinen direkten Einfluss auf die im Innenverhältnis zwischen Leiharbeitsfirma und Mitarbeiter vereinbarten Konditionen.
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