Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe (IHK) fehlen der regionalen Wirtschaft bis 2015 rund 3.000 Ingenieure. "Fachkräftemangel ist das Wachstumshemmnis Nummer eins für die Region Karlsruhe", sagt IHK-Präsident Bernd Bechtold. Der Fachkräftemangel betreffe alle Branchen und Berufszweige. In Karlsruhe seien zudem derzeit 144 Lehrstellen unbesetzt. Mit der gemeinsamen Initiative "Fachkräftesicherung als Wettbewerbsvorteil für den Wirtschaftsstandort Karlsruhe" wollen die Stadt, die IHK und die Arbeitsagentur Karlsruhe potentielle Fachkräfte für Karlsruhe gewinnen.
In einer Umfrage der Stadt Karlsruhe geben 56 Prozent der befragten 400 Karlsruher Unternehmen an, dass sie Probleme haben, offene Stellen zu besetzen. In fünf Jahren fürchten 63 Prozent der Unternehmen, keine geeigneten Bewerber zu finden. Hauptsächlich gesucht: Facharbeiter und Akademiker. Nach Auffassung der Unternehmen haben die Bewerber fachliche Defizite, bestechen durch Unreife und mangelnde Motivation. Die fehlende Qualifikation sei einer der Hauptgründe für den Mangel an Fachkräften, so der IHK-Präsident. Im vergangenen Jahr hätten 680 Schüler in Karlsruhe die Schule abgebrochen. Für diese Personenkreis zeichnet Ingo Zenkner, Chef der Arbeitsagentur Karlsruhe, eine düstere Zukunft: "Wer keine Ausbildung hat, wird arbeitslos."
Kitas gegen Fachkräftemangel
Die IHK will diesem Missstand entgegentreten. Mit der Initiative "Wirtschaft macht Schule" werden Schüler frühzeitig mit Unternehmen in Kontakt gebracht. Sie sollen sich mit möglichen Berufszielen auseinandersetzen und für Berufe begeistern. Zudem soll die Zahl der Studienabbrecher reduziert werden. Im vergangenen Jahr haben 450 Studenten in Karlsruhe ein Studium allein im Fachbereich Informatik abgebrochen. Mit dem Förderprogramm "Finish IT"vom Karlsruher CyberForum können Studienabbrecher, Quereinsteiger und Migranten in kurzer Zeit einen qualifizierten Berufsabschluss erreichen.
Um bessere Schulabschlüsse zu erzielen, müsse mit der Förderung bereits im Kindesalter begonnen werden, sagt Bürgermeisterin Margret Mergen. Ein Ansatz sieht Mergen im Ausbau von Ganztagsschulen und Kindertagesstätten. Einerseits würde so gewährleistet, dass Kinder bildungsferner Schichten einen geregelten Tagesablauf und Hausaufgabenbetreuung bekämen, andererseits könnte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Kitas könnten die Erziehung durch die Eltern zwar nicht ersetzen, aber immerhin ergänzen, so IHK-Präsident Bechtold.
IHK fordert verstärkte Zuwanderung
Doch es ist nicht allein der fehlende Schulabschluss und die mangelnde Qualifikation der Bewerber, die den Unternehmen zu schaffen macht. Der demografische Wandel droht, die Gesellschaft wird älter. 2030 soll in Karlsruhe die Zahl der unter 18-Jährige um 5.500 schrumpfen, zeitgleich steigt die Gruppe der über 65-Jährigen um 10.000. "Firmen werden sich zukünftig bei den Menschen bewerben und nicht umgekehrt", prognostiziert Bürgermeisterin Mergen. Die Firmen, die den Bewerbern die besten Arbeitsbedingungen böten, hätte die besten Chancen. Hierzu zählten angenehme Arbeitszeiten und familienfreundliche Arbeitsbedingungen.
Die IHK sieht durch Zuwanderung eine Möglichkeit, dem Defizit bei Fachkräften entgegenzuwirken. IHK-Präsident Bechtold fordert daher eine verstärkte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. "Wir müssen die Tür für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland weit aufstoßen", plädiert Bechtold. Im Kampf um die besten Köpfe müssten auch den Familien der Bewerber Perspektiven in Deutschland aufgezeigt werden. Nur so könnte ausländischen Fachkräften der Standort Karlsruhe schmackhaft gemacht werden.
Unternehmen müssen kompromissbereit sein
Laut Arbeitsagentur sollten auch älteren Bewerbern bessere Chancen eingeräumt werden. In Karlsruhe gibt es derzeit rund 5.000 Arbeitslose, die älter als 50 Jahre sind. Sind sie zu alt und zu wenig qualifiziert? Oder sind die Ansprüche der Unternehmen zu hoch? "Wenn ein Unternehmen vor der Entscheidung steht, einen 50-Jährigen oder einen 25-Jährigen einzustellen, die sich beide neu im Betrieb einarbeiten müssten, wird das Unternehmen eher den günstigeren und jüngeren Bewerber bevorzugen", mutmaßt Bechtold. Grundsätzlich sieht er aber keine Benachteiligung von älteren Bewerben durch die Unternehmen.
Agenturchef Zenkner sieht auch die Unternehmen in der Pflicht und fordert mehr Kompromissbereitschaft der Betriebe, wenn es um die Einstellung älterer Bewerber geht. In Karlsruhe sind derzeit 266 Ingenieure arbeitslos. Davon sind laut Arbeitsagentur 88 über 50 Jahre alt.
Fachkräftemangel in Karlsruhe: Kampf um die Köpfe