Frau Mergen, Sie sind eine Verfechterin kommunaler Beteiligungsgesellschaften und weisen Kritik an diesem Unternehmensmodell zurück. Auch auf den ka-news-Artikel "Konzern Stadt: Die geheimen Gehälter der städtischen GmbH-Chefs" gab es viele und zum Teil ablehnende Reaktionen. Fühlen Sie sich falsch verstanden?
Ich bin für Kritik durchaus offen, diese sollte aber konstruktiv sein. Der Bericht in ka-news ist sehr "unglücklich" formuliert. Auch die getroffenen Schlussfolgerungen greifen zu kurz. Denn gerade die Stadt Karlsruhe wird in Fachkreisen immer wieder als gutes Beispiel angeführt, da sie wesentliche Betriebsteile noch in ihrem städtischen Haushalt führt, die in anderen Großstädten vergleichbarer Größenordnung längst ausgegründet wurden. So sind beispielsweise die Stadtentwässerung, die Abfallwirtschaftsbetriebe, die Marktbetriebe oder die Bäderbetriebe (mit allen städtischen Bädern außer dem Europabad) Teil des städtischen Haushalts. In anderen Städten sind diese Einheiten längst aus unterschiedlichen Gründen weitestgehend in GmbHs organisiert. Dies ist keine Zufälligkeit, sondern entspricht der soliden Karlsruher Finanzpolitik.
Die Stadt Karlsruhe war noch nie an so vielen kommunalen Unternehmen beteiligt wie heute. Der Konzern Karlsruhe boomt. Was ist so attraktiv an städtischen GmbHs - also an Unternehmen mit privater Rechtsform, die gleichzeitig in öffentlichem Besitz sind?
Je nach Fragestellung prüft die Stadt, welche Aufgabe in Form einer Gesellschaft besser erbracht werden kann als in der klassischen Verwaltung. Dieses hat sich teilweise über Jahrzehnte entwickelt wie zum Beispiel die Wohnungsbaugesellschaft Volkswohnung GmbH oder die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH. Gesellschaften bieten sich in Aufgabenfeldern an, bei denen nicht nur die Stadt Leistungen für ihre Bürger anbietet wie beim Wohnungsbau, Gesundheitswesen, Versorgung und beim öffentlichen Nahverkehr.
Ich möchte auf unsere Strategie aufmerksam machen, städtische Gesellschaften stärker an die Stadt zu binden: So wurde zum Beispiel der zehnprozentige Anteil der E.ON Ruhrgas International GmbH an der Stadtwerke Karlsruhe GmbH (von der 100-Prozent-Tochter KVVH GmbH) zum 1. Januar 2010 zurück erworben. Auch wurden in 2011 die privaten Anteile (rund 40 Prozent) an der Stadtmarketing Karlsruhe GmbH von der Gesellschaft zurückgekauft, so dass sie jetzt zu 100 Prozent in städtischer Verantwortung liegt. Die Stadt hat vor wenigen Jahren (über ihre 100-Prozent-Tochter KVVH GmbH) das Fächerbad zu 60 Prozent übernommen, das nicht mehr länger von den bisherigen Gesellschaftern allein getragen werden konnte. Die Stadt hat das Fest retten können, indem sie es aus dem Verein des Stadtjugendausschuss in eine maßgeblich von der Stadt finanziell geförderte Gesellschaft übernommen hat. Schließlich hat die Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken die Aufgaben des Klima- und Energieschutzes in einer neuen Agentur (KEK - Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur gGmbH) aufgebaut, die vom Land begrüßt und gefördert wird. Die Stadt geht damit konsequent den Weg, wichtige Aufgaben in der möglichst besten Weise anzugehen.
Ganz konkret: Was gewinnt die Stadt Karlsruhe durch die städtischen Beteiligungsgesellschaften?
Städtische Beteiligungsgesellschaften erfüllen öffentliche Aufgaben (zum Beispiel Gesundheitswesen, ÖPNV, Arbeitsförderung) und können dies im privatrechtlichen Rahmen flexibler und damit meist auch schneller und wirtschaftlicher erledigen.
Es gibt durchaus Kritik an dieser Mischform: Entscheidungen sind nicht mehr transparent, Aufsichtsräte zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Einfluss des Gemeinderats schwindet, die Unternehmen operieren mit öffentlichen Geldern, bei Verlusten haftet der Steuerzahler. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Diese Kritik greift zu kurz: So sind Gemeinderäte über den Aufsichtsrat in das Kontrollgremium des jeweiligen Unternehmens eng eingebunden. Die Aufsichtsräte gehen sehr sorgfältig mit kommunalem Vermögen um. Die Stadt betreibt eine offene Kommunikation zum Beispiel durch die öffentliche Zugänglichkeit des Beteiligungsberichtes (auch über elektronische Medien). Karlsruhe war eine der ersten Städte, die in den 1990er Jahren einen aussagekräftigen Beteiligungsbericht erstellt hat. Zudem werden die Wirtschaftspläne der einzelnen Unternehmen als Anlage des Haushaltsplanes mit diesem veröffentlicht und sind damit jedem zugänglich.
Das Modell eignet sich laut Finanzexperten auch dazu um Steuern zu verstecken. So hatte die Stadt Karlsruhe im Jahr 1998 rund 300 Millionen Euro Schulden, heute sind es noch 143 Millionen. Die Darlehensverbindlichkeiten der städtischen Gesellschaften haben sich in den letzten zwölf Jahren fast verdoppelt und liegen bei rund 880 Millionen Euro. Die Schulden des Gesamtkonzerns Stadt liegen also eigentlich über eine Milliarde Euro. Die tatsächliche Höhe der öffentlichen Schulden wird also verschleiert?
Von einer Verschleierung der öffentlichen Schulden kann keine Rede sein: So kann auf Seite 24 des Beteiligungsberichts unschwer die Verschuldung der Gesellschaften und der Stadt selbst herausgelesen werden. Dort ist auch erkennbar, dass die größten "Darlehensschuldner" im städtischen Konzern der Volkswohnungskonzern (insgesamt rund 485 Millionen Euro zum 31. Dezember 2011) und die KVVH/Stadtwerke (insgesamt rund 200 Millionen Euro zum 31. Dezember 2011) sind. In beiden genannten Beispielen, die damit rund 80 Prozent der Verbindlichkeiten abbilden, handelt es sich um Gesellschaften, die wichtige Infrastrukturen schaffen, die für die nächsten Generationen Bestand haben wie die über 12.000 Wohnungen der Volkswohnung GmbH oder die gesamten Versorgungsanlagen für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme.
Ein Beispiel für mangelnde Transparenz: Die Gehälter der städtischen GmbH-Chefs werden im Beteiligungsbericht der Stadt nicht veröffentlicht. Hat der Steuerzahler nicht das Recht zu wissen, was mit seinem Geld passiert?
Selbstverständlich hat der Steuerzahler das Recht zu wissen, was mit seinem Geld passiert. In Karlsruhe erhält er die wesentlichen Informationen unter anderem durch den Beteiligungsbericht, der auch im Internet abrufbar ist und der im Vergleich zu anderen Städten sehr zeitnah nur sechs Monate nach Rechnungsabschluss aller Gesellschaften veröffentlicht wird.
Bei der Veröffentlichung von Geschäftsführergehältern ist allerdings immer eine Abwägung der Allgemeinheit und dem (Daten-)Schutzbedürfnis des einzelnen vorzunehmen. Derzeit wird bei der Veröffentlichung der Geschäftsführerbezüge auf die Schutzklausel des § 286 Abs. 4 HGB, nach der auf eine Veröffentlichung verzichtet werden kann, verwiesen. Die Rechtmäßigkeit dieses Verweises wird im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen durch die Wirtschaftsprüfer beurteilt. Die Gehälter werden von den gemeinderätlichen Aufsichtsräten beschlossen, die ihrerseits eine sorgfältige Abwägung vornehmen für angemessene Gehälter die besten Köpfe nach Karlsruhe zu bekommen.
Die Fragen stellte Moritz Damm
Siehe auch:
Konzern Karlsruhe: Die geheimen Gehälter der städtischen GmbH-Chefs
Gemeinderat gibt grünes Licht: Stadtmarketing in städtischer Hand
Hier geht's zum Beteiligungsbericht der Stadt Karlsruhe für das Geschäftsjahr 2011 (Link führt zur Internetpräsenz der Stadt)