Die Karlsruher Stadträte haben in der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend einstimmig eine Neustrukturierung der Stadtmarketing Karlsruhe GmbH beschlossen. Die Stadträte stimmten für den Erwerb der privaten Anteile durch die Stadtmarketing GmbH im Wert von 221.250 Euro. Damit ist das Stadtmarketing vollständig in städtischer Hand. Die Stadträte erhoffen sich zukünftig mehr Entscheidungsbefugnisse und Transparenz beim Stadtmarketing. Die Gesellschaft war in den vergangenen Wochen zudem in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt, weil die Stadt eine drohende Insolvenz nur mit einer Finanzspritze von einer Million Euro hatte abwenden können.
Oberbürgermeister Heinz Fenrich betonte, dass die notwendige Neustrukturierung nicht im Zusammenhang mit den Steuernachforderungen des Finanzamts stünde, sondern den Austausch zwischen der Stadt und den privaten Unternehmen intensivieren soll. Gesellschaftsrechtlich handele es sich hierbei zwar um eine "Rekommunalisierung", konkret setze die Stadt aber weiter auf eine starke Vernetzung mit den privaten Firmen, verdeutlichte Fenrich.
"Wer bezahlt, muss auch entscheiden"
Die Grünen-Stadträtin Ute Leidig sagte: "Die Neustrukturierung ist geboten, um den politischen Einfluss des Gemeinderats zu erhöhen." Das Stadtmarketing sei in einer "merkwürdigen Form" organisiert und erst durch die Neustrukturierung sei endlich von einer Partnerschaft mit der Stadt zu sprechen. "Wer bezahlt, muss auch entscheiden dürfen", begrüßten die Karlsruher Liste (KAL) und die SPD-Fraktion ebenfalls die Neuerungen beim Stadtmarketing.
Bisher waren neben der Stadt Karlsruhe und der Karlsruher Verkehrs-, Versorgungs- und Hafen GmbH (KVVH) insgesamt elf private Unternehmen als Gesellschafter am Stadtmarketing beteiligt. Die Unternehmen hielten 40 Prozent der Marketinggesellschaft. Die Stadtmarketing GmbH wurde 2001 gegründet und als sogenannte Public Privat Partnership (PPP) organisiert. PPP bezeichnet eine Form der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und privaten Wirtschaftsteilnehmern. Bund, Land und Kommunen greifen aufgrund der knappen Finanzmittel zunehmend auf diese Konstruktion zurück. Außerdem hoffen öffentliche Stellen, auf diese Weise vom Know-How aus der Wirtschaft zu profitieren.
"Blankovollmacht" der Kommunen
Allerdings war durch diese Organisationsform das Mitspracherecht des Karlsruher Gemeinderats bei der Stadtmarketing GmbH erheblich eingeschränkt. Die Stadträte konnten durch eine "Gemeinderätliche Kommission" nur beratend auf die Entscheidungsprozesse einwirken. Der Gemeinderat bewilligte demnach zwar Zuschüsse für Projekte des Stadtmarketings, hatte aber keine weiteren Befugnisse darüber, wie und wo die Gesellschaft das Geld dann konkret einsetzt. Dass der Gemeinderat zu wenige Entscheidungsbefugnisse beim Stadtmarketinghat, bestätigte kürzlich auch Finanzbürgermeisterin Margret Mergen auf ka-news-Anfrage.
Vor einer solchen "Blankovollmacht" seitens der Kommune warnt Werner Rügemer, Politologe an der Universität Köln, schon seit längerer Zeit. Durch die zunehmende Verschuldung der Kommunen schien gerade zu Beginn der 2000er Jahre eine Organisationsform mit starker Beteiligung privater Unternehmer als "vermeintlicher Ausweg", so Rügemer gegenüber ka-news. Gemeinden versprachen sich durch eine stärkere Beteiligung privater Unternehmen eine Entlastung des kommunalen Haushalts. "Aber durch solche Konzepte verlieren die Kommunen ihre Entscheidungskompetenzen", mahnt Rügemer. Viele Kommunen hätten daher in den vergangenen Jahren negative Erfahrungen mit verschiedenen Formen der Privatisierung gemacht. Daher sei bundesweit wieder ein Trend zu Rekommunalisierung zu beobachten. Auch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg bestätigte gegenüber ka-news, dass die "Rekommunalisierung zumindest in den letzten drei Jahren deutlich auf dem Vormarsch" sei.
"Kein Stadtmarketing ohne private Akteure"
Rechtsanwalt Andreas Schriefers, der die "Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland" (BCSD) in Rechtsfragen berät, ist der Meinung, dass nicht pauschal gesagt werden könne, ob Privatisierung Sinn mache oder nicht. Welche Art der Organisationsform für bestimmte Aufgabenbereiche gewählt werde, hänge von "themenspezifischen Entscheidungen" ab, so Schriefers. Gerade im Bereich Stadtmarketing spielten private Akteure nach wie vor eine entscheidende Rolle. So würden sich die Kompetenzen der privaten Unternehmer sowie das Wissen der Stadtverwaltung "wechselseitig befruchten". Denn gerade bei Aufgaben des öffentlichen Raums, die eben keine Pflichtaufgabe der Kommune seien, sei privatwirtschaftliches Engagement enorm wichtig. Daher sei im Bereich Stadtmarketing die Gründung einer GmbH für das "wirtschaftliche Handeln im öffentlichen Raum" unverzichtbar. Stadtmarketing würde ohne oder gegen die privaten Akteure gar nicht funktionieren, so der Rechtsanwalt. Schriefers weist aber auch auf die Gefahren einer gemischten Gesellschaftsform, die private sowie städtische Gesellschafter unter einem Dach vereint, hin.
"Die bisherige Mischform der Stadtmarketing Karlsruhe GmbH hatte keine Zukunft", sagt auch Norbert Käthler, Geschäftsführer der Stadtmarketing GmbH, gegenüber ka-news. Die "Strukturen der Stadtmarketing GmbH zu optimieren" sei daher notwendig gewesen. "Die Umstrukturierung wird in Zukunft den Austausch zwischen politischer und öffentlicher Seite verbessern", so Käthler. Der Gemeinderat bekäme durch die Umstrukturierung Entscheidungsbefugnisse, die er vorher nicht hatte.
Verantwortlichkeiten sind "glasklar geregelt"
Die neu strukturierte Gesellschaft soll laut Gesellschaftsvertrag einen Aufsichtsrat erhalten. Neben Oberbürgermeister Heinz Fenrich sollen dem Aufsichtsrat zwölf vom Gemeinderat bestimmte stimmberechtigte Mitglieder angehören. Drei dieser Vertreter stammen aus den privaten Unternehmen. Sie sind ebenfalls stimmberechtigt. Des Weiteren wird ein Marketingrat gegründet. Dieser besteht aus zwölf bis 20 Personen, die die Karlsruher Unternehmen repräsentieren. Die Unternehmen sollen die städtische Werbeagentur beraten. Ein Know-How-Transfer und eine Vernetzung mit wichtigen privaten Unternehmen soll somit stattfinden.
"Die Verantwortlichkeiten sind durch die Neustrukturierung glasklar geregelt", betont Finanzbürgermeisterin Margret Mergen auf ka-news-Nachfrage. Die bisherige Stadtmarketing-Organisationsform sei nicht gescheitert, sondern die Stadt habe das bestehende PPP-Konzept zu einem "Dialog-Konzept" weiterentwickelt, so Mergen. Es ginge schließlich darum, "mit intelligenten Methoden möglichst geringe Ressourcen wirksam einzusetzen". Die neue Gesellschaft sei dazu in der Lage, "Kräfte besser zu bündeln und die Schlagkraft zu erhöhen". Die Stadt habe jetzt das passende Modell für ein erfolgreiches Stadtmarketing in Karlsruhe gefunden, so Mergen. Die Finanzbürgermeisterin könne sich vorstellen - sollte das Konzept erfolgreich sein - das Modell auch bei anderen Gesellschaften anzuwenden. Die Stadt Karlsruhe ist an rund 40 Unternehmen, Gesellschaften und Stiftungen beteiligt.
DasStadtmarketing war kürzlich in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass der Gemeinderat im nichtöffentlichen Teil der Beratungen zum Doppelhaushalt 2011/12 dem Stadtmarketing eine Million Euro zur Verfügung gestellt hatte, um eine drohende Insolvenz abzuwenden. Der Gesellschaft drohen aufgrund eines Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) von 2008 Nachforderungen des Finanzamts in Millionenhöhe.