"Schauen Sie, das ist ein Durchgang wie in einem Dorf!" Petra Lorenz, Elke Müllenschläder, Carmen Pröpper, Ulrike Seidel-Meuser und Hilmar Schäuble eint ein Problem: Als Einzelhändler und Gastronomen haben sie sich alle nahe des Karlsruher Marktplatzes niedergelassen - und kämpfen jetzt mit Baustellen und Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent, sagen sie. Der Grund: Seit in Karlsruhe im großem Stil Straßen aufgerissen werden, bleiben Fußgänger immer öfter fern.
Immer weniger Fußgänger in der Kaiser- und Lammstraße
Der Eindruck täuscht die Karlsruher Geschäftsleute nicht. Um die Auswirkungen der Baustellen auf den Karlsruher Einzelhandel einschätzen zu können, führt die Stadt regelmäßig Fußgängerzählungen in der Innenstadt durch. Auch im vergangenen Jahr wurden die Fußgänger gezählt - sowohl am 9. Mai als auch am 24. Oktober.
Die Ergebnisse, die ka-news vorliegen, zeigen, dass die Baustellen an manchen Stellen die Fußgänger zumindest teilweise verscheucht haben. Hier heißt es: "Im Vergleich zum Durchschnitt der baustellenfreien Zeit 2006 bis 2011 bleiben die Zählerergebnisse im Frühjahr 2015 zurück." Auch im Herbst wurden die Fußgängerzahlen unterschritten. Insgesamt zählte die Stadt im Mai 337.462 Fußgänger und im Oktober 371.984 City-Besucher.
Betroffen von den Baustellen in der Karlsruher City ist vor allem die Kaiserstraße. Seit 2009 bewegen sich die Zahlen hier zwischen 180.000 und 220.000 Besuchern. Vor allem im Karree Marktplatz/Lammstraße wirken sich die Baustellen aus - und zwar in Form von Fußgängereinbußen. Im Oktober 2015 kamen verglichen mit der Zeit vor den Baustellen durchschnittlich 8.000 bis 9.000 weniger Besucher vorbei. Dasselbe gilt auch für das Umfeld des Ettlinger Tors: "Die Frequenzen in der Karl-Friedrich-Straße blieben im Oktober jeweils um rund 6.000 unter dem Niveau vor Baubeginn", heißt es im Bericht.
Doch es gibt auch Gewinner. Von der aktuellen Baustellensituation profitiert vor allem die südwestliche Innenstadt im Bereich der Karlstraße- Erbprinzenstraße-Herrenstraße bis an den Friedrichsplatz. An allen Zählstellen entlang dieser Route waren deutlich mehr Menschen unterwegs. Die Händler und Gastronomen am Marktplatz wundert das wenig. "Die Menschen wählen lieber den Weg hinten herum und kommen auf diesem Weg beispielsweise zum Europaplatz", erklärt "Coloretti"-Chefin Seidel-Meuser.

(Stadtrat Jürgen Wenzel (r.) von den Freien Wählern will die Einzelhändler mit der Kasig, der Polizei und der Stadt ins Gespräch bringen.)
Profitieren würden auch Händler im Umland, ist sich "Leder Point"-Besitzerin Lorenz sicher. "Ettlingen und Durlach schlafen da natürlich nicht", meint sie. Sie selbst führt dort zwei weitere Geschäfte. "Und dort kann ich meinen Umsatz steigern."
Karlsruher Händler und Gastronomen fürchten um Existenz
Die Baustellensituation vor ihren Türen sorgt bei den Unternehmern am Marktplatz für Bauchschmerzen. Noch liegen die Fußgängerzahlen für 2016 nicht vor, doch in einem Punkt sind sich die Betroffenen im Gespräch mit ka-news einig: Die Zahlen dürften in diesem Jahr nicht besser für sie ausfallen, sondern eher schlechter.
Dafür sehen sie zwei Gründe: Zum einen verderbe die Dauer der Baustellen das Geschäft. "Mir wurde damals zugesichert, dass die Baustelle vor meinem Laden etwa zwei Jahre dauern dürfte", schildert Lorenz, "inzwischen bin ich im sechsten Baustellenjahr." Was sie besonders ärgert: An manchen Baustellen beobachte sie keinen Fortschritt. Die Bauherrin, die Karlsruher Schieneninfrastruktur Gesellschaft (Kasig) war hier für eine Stellungnahme bislang noch nicht zu erreichen. Dass die Baustellenzäune nicht wie in anderen Städten verhängt wären, täten da ihr Übriges, so Lorenz.
"Manchmal weiß ich nicht, wie ich weitermachen soll"
Negativ stimmt die Händler und Gastronomen vom Marktplatz aber auch eine weitere Baustelle in der direkten Nachbarschaft: die Sanierung des technischen Rathauses. Die Bauarbeiten wurden an dieser Stelle auf Januar 2016 angesetzt, inzwischen ist die Renovierung in vollem Gange. "Die Lammstraße ist jetzt komplett dicht", ärgert sich Besitos-Chefin Pröpper. Es gibt zwar Fußgängerwege entlang der Baustelle, die Besucher, die vom Ettlinger Tor Center in Richtung Innenstadt unterwegs wären, würden aber abgeschreckt, so Seidel-Meuser.

(Dieses Dixi vor der Baustelle am technischen Rathaus sorgte ebenfalls für Ärger.)
Eine Eisdiele und ein kleiner Teeladen hätten der Karlsruher Innenstadt bereits den Rücken gekehrt. Das sei für sie aber keine Alternative, betonen die Betroffenen vor Ort. "Ich habe Geld investiert, ich kann hier nicht einfach weg", meint Schäuble, Besitzer des Gasthauses Marktlücke. Alle, die an diesem Tag mit ka-news sprechen, treibt die Sorge um ihre Existenz um. "Es gibt Tage, an denen weiß ich nicht, wie ich weitermachen soll", so Lorenz.
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