Politesse - was ist das eigentlich?
Tobias Müllers Handy klingelt - nicht ungewöhnlich für einen Geschäftsmann. Am anderen Ende der Leitung meldet sich die Leitstelle der Verkehrsüberwachung. Müllers Nummer wurde über sein Autokennzeichen ermittelt, denn das Auto steht auf einem Behindertenparkplatz. Wenn er nicht zu seinem Fahrzeug kommen kann, muss die Politesse einen Abschleppvorgang einleiten.
Müller eilt zu seinem Wagen und kommt völlig außer Atem an. In einem kurzem Gespräch erklärt Franka Heiler ihm die Sachlage. Das Schild scheint er übersehen zu haben, aber "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht". 35 Euro werden für den Verstoß fällig und dazu kommen noch einmal 30 Euro Verwaltungsgebühr. Mit der Verwaltungsgebühr wird der Anruf aus der Leitstelle und der Verdienstausfall der Politesse, sie muss schließlich vor Ort auf Müller warten, abgedeckt.
Für Müller ist das völlig in Ordnung, er ist nur froh, seinen nächsten Termin wahrnehmen zu können. Doch so verständnisvoll reagieren nicht alle Betroffenen. "Die Beschimpfung der Frauen geht oft unter die Gürtellinie", erklärt Jürgen Jäger vom Bürgerservice und Sicherheit (BuS). Daher ist der Austausch unter Kollegen oder mit dem Chef sehr wichtig für die Politessen. "Wenn wir abends die Uniform in den Spind hängen, sollte die Sache gegessen sein", erläutert Heiler.
"Es kann nicht sein, dass jemand in Uniform beschimpft wird", ärgert sich Jäger dennoch und diagnostiziert einen immer stärkeren "negativen Umgang". Männer, ist er sich sicher, haben es in dem Beruf einfacher. Doch männliche Politessen sind eher Mangelware. In Karlsruhe gehen lediglich drei dieser Tätigkeit nach.
"Können Sie nicht mal ein Auge zudrücken?"
Tagsüber sind die Politessen alleine unterwegs, nach Einbruch der Dunkelheit wird nur noch zu zweit "Schicht gegangen" - aus Sicherheitsgründen versteht sich. Ihre zehnjährige Erfahrung lehrt Heiler, dass der Ton gegen Abend immer rauer wird. Nach Feierabend wollen viele "nur noch ganz schnell was erledigen". Zu den gängigen Ausreden gehören Sätze wie "Ich war nur drei Minuten unterwegs" oder die Bitte "Können Sie nicht mal ein Auge zudrücken?"
Die Vorwürfe wiegen um einiges schwerer: "Sie haben nur darauf gewartet bis ich ausgestiegen bin" oder "Das machen Sie jetzt nur, weil ich ein auswärtiges Nummernschild habe". Oft mischen sich auch Passanten ein und beleidigen die gemeindlichen Vollzugsbediensteten zusätzlich. Heiler weiß, wie wichtig ein sachlicher Umgangston ist: "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus."
"Wir sind nicht kleinlich - aber es gibt Regeln"
Dass man in ihrem Beruf viel Fingerspitzengefühl braucht, sieht auch ihr Chef. "Wir sind nicht kleinlich - aber es gibt Regeln", erklärt Jäger. Manchmal reiche schon die bloße Anwesenheit von Politessen um einem Parkvergehen vorzubeugen: "Die Leute sehen uns und bekommen ein schlechtes Gewissen." Da könne es auch schon einmal vorkommen, dass jemand plötzlich umdreht und doch noch zum Parkautomaten geht.
Ob es eine Straße gibt, in der sie immer fündig werden? "Die Lammstraße am ECE-Center", antwortet sie und prüft den Parkschein in einer Windschutzscheibe - alles in Ordnung. Was sie von "Knöllchen" und Co. halten, können sie uns übrigens auch in unserer Umfragesagen.