Hallo Herr Bühler, Sie sind nun Inhaber der Rathaus-Apotheke in Grötzingen. Wie war Ihr Werdegang?
Schönen guten Tag. Mein Werdegang zum Apotheker kam sozusagen mit meiner Geburt, da schon meine Großeltern und meine Mutter diesen Beruf ausübten. Auch ich habe früh entdeckt, dass mich die Pharmazie sehr interessiert und da ich sehr heimatverbunden bin, wollte ich den Menschen hier auch durch diesen Beruf Hilfe leisten und mich den pharmazeutischen Herausforderungen der Zukunft stellen.
Nach dem Abitur habe ich aber bemerkt, dass ich gerne eine Auslandserfahrung machen würde und habe mich deshalb für ein Pharmaziestudium an der Semmelweis-Universität in Budapest entschieden.

Am Donnerstag, dem Tag des Apothekerstreiks, habe ich morgens mein Staatsexamen abgeschlossen und bin direkt nach Grötzingen zurückgekehrt. Ab morgen werde ich also im Familienunternehmen der Rathaus-Apotheke anfangen.
Wie ist denn die Geschichte dieser Apotheke als Traditionsunternehmen?
Die Apotheke wurde 1969 von meinen Großeltern hier in Grötzingen gegründet. Zuvor war das Gebäude eine alte Scheune. Die Apotheke war auch über drei Generationen ein integraler Teil Grötzingens.

Im Jahr 2006 wurde sie dann von meiner Mutter übernommen, die sie bis heute weiterführt. Dass es sie jetzt, 17 Jahre später, noch gibt, obwohl die beiden anderen Apotheken, über die Grötzingen früher verfügte, schließen mussten, spricht meiner Ansicht nach für sich.
Und welche Bedeutung hat die Grötzinger Rathaus-Apotheke denn noch heute für Karlsruhe?
Eigentlich dieselbe wie jede Apotheke. Stellen Sie sich vor, es geht Ihnen nicht gut und sie brauchen dringend Medikamente. Wenn nun keine Apotheke in der Nähe ist, müssen Sie die Medizin entweder online bestellen - was bei verschreibungspflichtigen Substanzen nicht ohne Weiteres möglich ist - oder Sie müssen einen längeren Weg zur Apotheke in Kauf nehmen, was sich je nach Gesundheitszustand sehr schwierig gestalten dürfte.

Wir tun schon sehr viel, um modern zu bleiben und mit dem digitalen Zeitalter mitzuhalten. Beispielsweise haben wir ein funktionierendes Online-Bestellverfahren, inklusive eines Roboters, der die Medikamente sortiert und heraussucht.

Es ist dabei möglich, die pharmazeutischen Produkte während des Werktages zu bestellen und über unseren Abholautomaten, der 24 Stunden zugänglich ist, mitzunehmen.

Mit der Zeit zu gehen, half der Rathaus-Apotheke auch bisher, sich zu behaupten. Viele andere Apotheken sind in den letzten Jahren einfach verschwunden. Genau gesagt schließt alle 17 Stunden eine Apotheke in Deutschland. Pharmazeuten selbst, werden in vielen Bereichen gesucht, im öffentlichen Dienst etwa, oder der Bundeswehr. Aber das Netzwerk an Apotheken innerhalb Deutschlands wird immer lichter.
Können Sie sich trotz oder gerade aufgrund dieser Bilanz vorstellen, Sie zu übernehmen? Und wenn ja, welche Zukunftspläne hegen Sie dafür
Grundsätzlich würde ich die Apotheke als heimatverbundener Mensch gerne übernehmen, auch wenn ich ebenso an anderer Stelle Berufserfahrungen sammeln würde. Aber ob ich das wirklich in Betracht ziehe - und damit verbunden, ob ich überhaupt Zukunftspläne hege - hängt in erster Linie von der Überlebensfähigkeit allgemeiner Apotheken in Deutschland ab. Sollte die Politik da nicht handeln, sehe ich die Existenz der Apotheke in Grötzingen in den nächsten Jahren unmittelbar bedroht.
Ist das ein Grund, warum sie am Tag Ihres Staatsexamens mit in den Apothekerstreik traten?
Ja, definitiv. Sie müssen sich dafür Folgendes vorstellen: 2004 wurde ein Fixbetrag für die Vergütung einer Apotheke festgelegt. Dieser Betrag sieht vor, dass eine Apotheke mit acht Euro pro verkauftem Medikament entlohnt wird - zuzüglich drei Prozent des Medikamentenpreises. Bei gesetzlich versicherten Patienten müssen wir dabei aber bei jedem Medikament zwei Euro an die jeweilige Krankenkasse zurückzahlen.

Das ist für sich genommen im Licht der Inflation und den Krisen der vergangenen Jahre ein sehr geringer Betrag, der nicht ein einziges Mal erhöht wurde. Aber selbst das ist nur Teil des Problems. Die drei Prozent, die wir durch den Medikamentenpreis erwirtschaften wurden in ihrem absoluten Betrag immer geringer, da viele deutsche Pharmaunternehmen die Produktion in Drittländer wie China oder Indien verlegen.

Das drückte den Preis und unser Einkommen erheblich. Aber auch das ist nicht alles. Ich kann nicht genug betonen mit welcher enormen Bürokratie die Arbeit mit Medikamenten in Deutschland verbunden ist. Mit am schlimmsten ist dabei die Kommunikation mit den gesetzlichen Krankenkassen.
Findet eine Krankenkasse einen formalen Fehler auf einem von einem Arzt ausgestellten Rezept, muss sie einer Apotheke das bestellte Medikament zwar liefern, ihr aber kein Geld bezahlen. Nun gibt es auf den am häufigsten ausgestellten Rezepten im Durchschnitt 28 Formalfehler, die einem Arzt oder seinem Personal unterlaufen können. Beginnend damit, dass der Name des Arztes nicht unterstrichen wurde.

Alles was auf 0 geht, spart sich die Krankenkasse. Deshalb haben die meisten Kassen eigene Abteilungen, um die weitergeleiteten Rezepte auf Formalfehler zu überprüfen, um damit so viel wie möglich einzusparen. Das ist ein inoffizielles Geschäftsmodell und geht auf Kosten der Patienten, wird aber nicht darauf verwendet, ihnen zu helfen. Weiterhin müssen wir das Rezept manchmal abändern.

Wenn es zum Beispiel einen Lieferengpass gibt, müssen wir das gleiche Medikament in anderer Dosierung oder von einer anderen Firma bestellen. Auch dann werden Apotheken nicht von den Krankenkassen ausbezahlt. Das war während der Corona-Zeit anders, da wir aufgrund der Masse an Lieferengpässe anpassen mussten, aber die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung, die uns auch dazu ermächtigte, wurde im April abgeschafft.

In ihrer Gesamtheit führen diese Probleme dazu, dass Apotheken, die sich nur auf Kassenpatienten berufen, Verluste machen. Dabei sind 90 Prozent der in Deutschland versicherten Kassenpatienten. Deshalb müssen Apotheken reihenweiße schließen. Wir fordern von der Politik also drei Handlungen, um dem entgegenzuwirken.
Erstens soll das Arzneimittelversorgungsgesetz wieder aufgenommen werden, sodass wir weniger bürokratisch die Medikamente anfordern können. Zweitens fordern wir, dass die Arznei in Deutschland oder zumindest Europa hergestellt wird und drittens soll der Fixbetrag für die Vergütung der Apotheken erhöht werden.
Glauben Sie, der Streik wird den Apothekern Gehör verschaffen - und wenn nicht, planen Sie, weiter zu streiken?
Ja ich denke , dass wir durch diesen Streik Druck auf die Entscheidungsträger in der Politik ausüben werden. Schon jetzt ist das Arzneimittelversorgungsgesetz wieder im Gespräch. Auch deshalb, da es eine solche Einheit und Solidarität unter dem Apothekenpersonal so noch nie gab. Und ich bin sicher, sollte sich nichts, oder zu wenig ändern, werden die nächsten Streiks nicht auf sich warten lassen.