Der Grundgedanke ist bestechend. Es ist eine die Menschen einnehmende Idee, und eigentlich ein schönes Thema gerade zur Osterzeit. Seit Jahren trommelt Götz W.Werner für sein Modell. Auch ka-news hat dem bereits eine umfangreiche Berichterstattung gewidmet. Ein Bürgergeld in Höhe von 1.500 Euro als Grundsicherung für jeden Menschen forderte der Chef der Karlsruher Drogeriemarktkette dm, Götz W.Werner schon im Sommer 2005 (ka-news berichtete). Nach Ansicht des Unternehmers würde dies alle anderen Transferleistungen wie etwa Kindergeld oder Sozialhilfe überflüssig machen. Der Professor für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe sieht das Problem darin begründet, dass "wir Arbeit und Einkommen miteinander verknüpfen". Ein vom Staat bezahltes Bürgergeld würde, so sagt Werner, jedem "ein menschenwürdiges, wenn auch bescheidenes Leben ermöglichen". Wer sich mehr leisten wolle, könne sich die entsprechende Arbeit aussuchen, ohne dabei jedoch den Anspruch auf das Bürgergeld zu verlieren.
Staatsministerium widerspricht dem FDP-Vorstoß
Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) (Foto: pr) |
Nun scheint also auch die Landes-FDP auf diesen Zug aufzuspringen, ja, glaubt man zumindest den Worten von Wirtschaftsminister Ernst Pfister. Bereits in einer Pressemitteilung vom 30. März hatte dieser die Einführung des Bürgergeldes gefordert und dies als Alternative zur Mindestlohndiskussion präsentiert. Das Thema wurde nun kurz vor den Osterfeiertagen auch von der Nachrichtenagentur dpa aufgegriffen. Baden-Württemberg plane als erstes Bundesland eine Bundesratsinitiative für die Einführung eines so genannten Bürgergeldes. "Dabei geht es darum, Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen", sagte Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP). Das Bürgergeld sei ein Zuschuss für Langzeitarbeitslose, die einen gering bezahlten Job annehmen. Dafür sollten alle sozialen Leistungen gebündelt werden.
"In Deutschland wird zuerst Sozialpolitik gemacht und dann erst Arbeitsmarktpolitik", beklagte Pfister. In der Landesregierung gebe es "viel Sympathie" für seinen Vorschlag. Das Modell sei eine Alternative zu dem "fantasielosen SPD-Instrument Mindestlohn", das nur zu Schwarzarbeit führe. Doch da hat Pfister offensichtlich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ausgerechnet am gestrigen Karfreitag hat das baden-württembergische Staatsministerium Meldungen dementiert, das Land wolle eine Bundesrats-Initiative für ein so genanntes Bürgergeld starten. Minister Willi Stächele (CDU) sprach von einem "Missverständnis". Der in der Ortenau beheimatete Stächele betonte hingegen, eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines Bürgergeldes stehe "mitnichten auf der Tagesordnung". Es müsse sich um ein Missverständnis handeln - möglicherweise um einen Beschluss aus den FDP-Führungsgremien.
Bedingungloses Grundeinkommen ist identisch mit Bürgergeld
Die Zentrale der Drogeriemarkkette dm in Knielingen (Foto: dm) |
Die Verwirrung ist nun komplett, und guter Rat teuer. Doch vielleicht ist die Lösung der widersprüchlichen Meldungen zur Osterzeit ganz einfach. Götz W.Werner und Ernst Pfister haben eines gemeinsam: beide sind FDP-Mitglied. Werner kandidierte beispielsweise bei der Gemeinderatswahl in Karlsruhe im Jahr 2004 auf einem hinteren Listenplatz der FDP. Auch FDP-Bürgermeister Ullrich Eidenmüller, einst Vorstandsmitglied der Landes-FDP, hatte sich mehrfach für das Bürgergeld stark gemacht. Formal handelt es sich bei der von Götz W.Werner und nun auch von Wirtschaftsminister Ernst Pfister vorgetragenen Idee um ein und dasselbe: das von Werner seit Jahren geforderte "bedingungslose Grundeinkommen" ist vom Strickmuster her identisch mit der nun von Pfister vorgetragenen Initiative für das Bürgergeld.
Der Unterschied bei seiner Idee und dem biherigen Status quo läge laut Werner darin, dass Menschen nicht mehr arbeiten, weil sie müssen, sondern weil sie es wollen. "Ich verspreche mir davon einen enormen Effekt für den Arbeitsmarkt", so der heute 63-jährige Unternehmer, dessen Konzern auch in Zeiten von Konsumflaute Zuwachsraten verbucht (ka-news berichtete). Davon profitieren würde aus seiner Sicht vor allem der kulturelle und soziale Bereich, "weil es sich dann immer mehr Menschen 'leisten' könnten, dort zu arbeiten". Geht es nach Werner, müsste das Bürgergeld im Zeitraum von zehn bis 15 Jahren eingeführt werden.
Götz W.Werner möchte Steuersystem grundlegend vereinfachen
Zunächst gehe es darum, einkommensbasierte Steuern zu reduzieren und Konsumsteuern zu erhöhen. Parallel dazu sollte dann schrittweise das Bürgergeld kommen. Am Ende sollten dann alle Gemeinschaftsaufgaben über die Mehrwertsteuer finanziert werden. Dazu Werner überzeugt: "Das Steuersystem könnte so einfach sein. Auch die Arbeit würde sich enorm verbilligen." Prominente Fürsprecher aus der Politik hat er für seine Idee zunächst nicht gefunden. "Viele können es sich einfach nicht vorstellen", begründete er noch vor zwei Jahren die dezente Zurückhaltung. "Politik ist die Kunst des Machbaren. Aber wir Unternehmer sind ein Stück weit auch immer Utopisten." Dabei hebt der Antroposoph Werner sich freilich auch deutlich ab von Kollegen des eigenen Berufsstandes. Wesentliche Bestandteile des Modells sind neben dem "bedingungslosen Grundeinkommen" vor allem die Mechanismen zur Vereinfachung des Steuersystems, wie sie vielfach auch von anderen FDP-Politikern gefordert werden. Seit dem Jahr 2005 pflegt Götz W.Werner parallel zu seinen Buchveröffentlichungen auch eine umfangreiche Homepage mit dem Namen "Unternimm-die-Zukunft".
Doch Götz W.Werner hat auch Kritiker. "Das bedingungslose Grundeinkommen nach Götz W. Werner fördert den Meudalismus", sagt etwa der Karlsruher Rechtsanwalt Harald Wozniewski. Unter Meudalismus versteht der Spezialist für Wirtschaftsfragen eine neue Form des Feudalismus - den eben gerade auch Götz W.Werner bekämpfen will. Das bedingungslose, konsumsteuer-finanzierte Grundeinkommen, wie es etwa Götz W. Werner mit viel finanzieller Macht voran treibe, sei eine heimtückische Falle für unsere Volkswirtschaft. Es locke die breite, seit Jahrzehnten der Armut verfallenden Bevölkerung "wie der Gesang der Sirenen". In Wirklichkeit diene es der Festigung des modernen Feudalismus in Deutschland und fördere die weitere Vermögenskonzentration "bei unseren zehntausend Meudalherren (-frauen) in Deutschland", so Wozniewski (www.meudalismus.dr-wo.de/html/werner.htm).
Drogeriemarktkette dm gehört zu größten Arbeitsplatzbeschaffern
Einer Rangliste der Wirtschaftswoche zufolge zählt dm zu den zehn größten Arbeitsplatzbeschaffern der Bundesrepublik. Deutschlandweit verzeichnet das Unternehmen mit seinen 750 Filialen und etwa 13.000 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als 2,4 Milliarden Euro. Auf europäischer Ebene betrachtet überschreitet die Drogeriemarktkette mit knapp 23.000 Angestellten die Drei-Milliarden-Grenze. Götz W.Werner zählt nach einer Aufstellung der Wirtschaftswoche zu den hundert reichsten Deutschen. Im Jahr 2005 stand er mit einem Vermögen von rund 1,15 Milliarden Euro auf Rang 65. Zum Vergleich: Hugo Mann, Seniorchef des einst in Familienbesitz befindlichen Firmenkonsortiums Möbel Mann und Mann-Mobilia stand damals auf Rang 50 mit einem Vermögen von rund 1,55 Milliarden Euro.