Schick im Hemd stand er vor mir, die Ärmel modebewusst nach oben gekrempelt - lässig kombiniert mit einer Blue Jeans. Ich dachte mir: Ja, der Mann hat Stil. Doch dieser Gedanke verflog genauso schnell wie die Schmetterlinge im Bauch, als ein Sonnenstrahl in sein Gesicht fiel und sich dort plötzlich etwas grasgrünes auf der Nase platzierte: Eine Ray-Ban! Modell: Wayfarer in quietschbunt - das, womit tausende (erwachsene) Menschen derzeit ihren Kopf dekorieren. Date oder Kindergeburtstag?
Das Original: Schwarz, cool und 60's pur
Ray-Ban - das ist eine Brillenmarke, die sämtliche Bevölkerungsschichten in ihren Bann zieht. Der originale Entwurf des Kassenschlagers Wayfarer sah ein simples, schwarzes Kunststoffgestell mit schwarzen Gläsern vor - an den Bügeln kleine silberne Applikationen: Nicht auffällig aber mit einem Hauch Coolness. Schnell wurde die Brille zum Lieblingsaccessoire der Stars. Audrey Hepburn machte die kleine Schwarze in "Frühstück bei Tiffany" weltberühmt und definierte damit den eleganten Stil der 60er Jahre. "American Psycho"-Figur Patrick Bateman, die Blues Brothers, John F. Kennedy - sie alle setzten auf das beste Pferd von Ray-Ban.
Lange war's still um die schwarze Wayfarer - der Trend schien vorbei. Die 90er, bekannt für wilde Muster und geschmacklose Kombis, holten die Kultbrille dann überraschend wieder aus der Versenkung. Techno-Kids schmückten sich mit billigen Imitaten der Wayfarer - allerdings: Schwarz war out - den Trend erkannte auch der Hersteller und fügte sich. Gelb, Orange, Rot, Grün, Pink: Was einst kultig auf der Loveparade war, wird nun seit einigen Jahren auf der Straße getragen, ohne Rücksicht auf (Seriösitäts-)Verluste. Während 60er-Ikonen einst schlichte Coolness mit dem Tragen einer Wayfarer bewiesen, haben heute Hinz, Kunz und Paris Hilton kindische Farbkleckse im Gesicht, die nur noch im entferntsten an das Original erinnern.
Wayfarer in neongrün? Audrey Hepburn würde den Kopf schütteln
Voll im Trend und viel zu groß für die meisten Köpfe: Viele scheinen zu vergessen, dass eine Sonnenbrille auch zur Gesichtsform passen sollte. Klar, das kennen wir bereits von den meisten Trends: Wie oft erwischen wir uns mit mitleidigem Blick, wenn vor uns an der Ampel eine Frau wartet, die, kurz gesagt, einfach keine Leggins tragen sollte. Genauso ist es auch mit der Wayfarer - ist der Kopf klein und das Gesicht zierlich, startet man kein Lego-Projekt auf der Nase, das ein Drittel des Gesichts einnimmt. Genauso gibt es auch Menschen, denen eine sonnengelbe Sonnenbrille steht - aber leider eben nur sehr wenige.
Kurz um ist von dem Trend abzuraten - es sei denn man geht zu einem Kindergeburtstag, möchte seine Jugend mit allen Mitteln wieder aufleben lassen oder man ist im Stande, die Signalfarbe auf der Nase gut mit den restlichen Kleidern zu kombinieren. Falls Sie sich also immer noch fragen, ob Sie rund 130 Euro für bunten Kunststoff mit dunklen Gläsern ausgeben wollen um mit dem Trend zu gehen, stellen Sie sich die Frage: Würde Audrey Hepburn sie tragen? Die Antwort kennen Sie.
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