Am vergangenen Freitag gab Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall den Startschuss zur Erprobung der Prognosesoftware. Sie wird in den kommenden sechs Monaten zunächst in Stuttgart und Karlsruhe zum Einsatz kommen.
Das "Vorhersageprogramm für Wohnungseinbrüche" wie die "Precobs"-Software auf deutsch bezeichnet wird, ist eine weitere Maßnahme, um die Zahl der Wohnungseinbrüche in der Region zu verringern. Erste Erfolge konnten durch eine eigens eingerichtete Organisationseinheit BAO Eigentum ( "Besondere Aufbau-Organisation" ) bereits verzeichnet werden. Die Aufklärungsquote für Wohnungseinbrüche liegt laut Polizei aktuell bei 19 Prozent (2014: 13 Prozent) - bis zum Ende des Jahres soll sie 20 Prozent betragen. Insgesamt will man die Zahl von Wohnungseinbrüchen im Jahr 2015 im Bereich des Polizeipräsidiums Karlsruhe auf zehn Prozent reduzieren.
Precob schlägt Alarm und zeigt möglichen Tatort
Dabei soll die neue Software helfen, die seit Montag, 2. November, offiziell "im Dienst" ist. Anhand statischer Daten spuckt "Precobs" einen Alarm aus, wenn Tatbestandsmerkmale für eine professionelle Einbruchsserie erfüllt sind und ein möglicher nächster Tatort erkannt wird. Die Software wird für die kommenden sechs Monate den Polizeipräsidien Karlsruhe und Stuttgart vom Landeskriminalamt kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Neben einem Grunddatenbestand über die Einbrüche der vergangenen fünf Jahre, wird der Datensatz dreimal täglich aktualisiert. Anhand verschiedener Tatbestandsmerkmale errechnet die Software ein Einsatzgebiet von mehreren Hundert Metern, in welchem in allernächster Zeit mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit der nächste Einbruch geschehen wird.
Precobs ist "keine Glaskugel"
Diese statistische Aufgabe wurde zuvor manuell von Polizeibeamten durchgeführt - durch die neue Software sollen nun Personalressourcen frei werden. "Precobs erleichtert die Arbeit allein durch die Masse der Delikte, die ausgewertet werden müssen", so Kriminalhauptkommissar Marcel Marquedant, welcher die Software künftig anwenden wird. Zusammen mit weiteren Operatoren hat er Zugriff auf die Precobs-Daten. Der Datenschutz sei gewährleistet, versichert leitender Kriminaldirektor Karl-Heinz Ruff.
Eine Reduzierung der Beamten bedeutet die Software jedoch nicht. "Wir haben keine Glaskugel gekauft", so Kriminaloberrat Alexander Ebert, Leiter der BAO Eigentum, in einem Pressegespräch am Montag, "polizeiliche Arbeit ist nach wie vor vonnöten." Den konkreten Mehrwert der Software sieht man bei der Polizei in der erheblichen Verkürzung der Reaktionszeit sowie der gezielten Steuerung der Polizeibeamten.
Auswertung basiert auf "Near repeat"-Theorie
Hinter der Software steckt eine soziologische Theorie und basiert auf dem Verhaltensmuster von Menschen: Die "Near repeat Prediction Method" besagt, dass Täter in die Nähe des Tatorts zurückkehren. Bei Wohnungseinbrüchen kommt laut Polizei das Phänomen zu tragen, dass eine kleine Anzahl von Tätern eine relativ große Anzahl von Einbrüchen begeht. "Die Gebiete werden regelrecht abgearbeitet", so Ebert. Folgetaten sollen künftig durch gezielte Streifen und Fahndungsmaßnahmen in den von Precob ermittelten Gebieten verhindert werden.
Inwieweit die Bevölkerung in Precob-Ergebnisse miteinbezogen wird, steht noch nicht fest. Vorstellbar sind für die Polizei der Einsatz von Flugblättern als präventive Maßnahme. In der Schweiz, wo die Software neben Bayern bereits zum Einsatz kam, habe man erste Experimente mit Handyalarmen gemacht, so Ebert, das habe jedoch mehr zu einer Verminderung statt einer Erhöhung des Sicherheitsgefühls geführt.
Ob das Tool zur Zufriedenheit aller Beteiligten beitragen kann, werde man sehen, so Präsident Günther Freisleben. Wissenschaftlich begleitet wird die Precobs-Software vom Max-Planck-Institut in Freiberg, diese soll nach den sechs Testmonaten die Ergebnisse auswerten. Bei der Polizei ist man auch ohne Ergebnisse von der Software überzeugt: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir einiges erreichen werden", so Freisleben. Kriminaloberrat Ebert ergänzt: "Ich bin überzeugt, dass das Entdeckungsrisiko für Täter durch die Software erheblich erhöht wird."
Zahl der Einbrüche ist zurückgegangen
Die im Frühjahr 2014 eingerichtete BAO Eigentum umfasst rund 50 Beamten, die vorrangig im Bereich Einbruchskriminalität tätig sind. Hinzu kamen zwei Einsatzgruppen vom Innenministerium, mit insgesamt 20 Personen, welche je nach Einsatzlage die Einheit unterstützen können. Nun will man sich beim Polizeipräsidium Karlsruhe weiter verbessern.
Sichtbare Erfolge kann die BAO Eigentum bereits vorweisen: Lag die Aufklärungsquote 2014 noch bei rund 13 Prozent, liegt sie laut leitenden Kriminaldirektor Karl-Heinz Ruff bei aktuell 19 Prozent. Hinzu zeigen sich Veränderungen bei den Täterstrukturen: Hatte man in der Vergangenheit überwiegend Problem mit Banden aus Osteuropa, sei die Mehrzahl der Tatverdächtigen nun deutscher Herkunft, so Ruff, dabei handele es sich sowohl um Banden- als auch um Beschaffungskriminalität. Trotz des jährlichen Anstiegs der Fallzahlen zur Winterzeit, will die Polizei bis zum Jahresende 20 Prozent Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen erreichen.
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